Süddeutsche Zeitung

BR-Fernsehteam vor Ort:Großes Interesse an solidarischer Wohnform

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Die Dorfener SPD hat den Nerv der Zeit getroffen, die Gründung einer Baugenossenschaft zu propagieren

Von Florian Tempel, Dorfen

"Toll, dass so viele Leute da sind." Die Ortsvorsitzende Simone Jell durfte sich freuen, das Gasthaus am Markt war voll, mindesten 60 Besucher waren gekommen - und ein Fernsehteam des Bayerischen Rundfunks. Die Dorfener SPD hat den Nerv der Zeit getroffen, mit ihrer Idee, in der Stadt die Gründung einer Wohnungsgenossenschaft zu propagieren. Am Ende des Abends ging eine Liste herum, in der sich 20 Leute eintrugen, die damit ernsthaftes Interesse am Aufbau einer Dorfener Baugenossenschaft bekundeten. Ein halbes Dutzend weiterer Interessenten habe sich schon vorab gemeldet, sagte Stadtrat Heiner Müller-Ermann. Anfang kommenden Jahres wird die SPD wieder einladen, um dann die Gründung der Genossenschaft zu konkretisieren.

Die Dorfener Sozialdemokraten haben bereits Vorarbeit geleistet. Vor einem Monat hat der Stadtrat einstimmig den SPD-Antrag zur Unterstützung einer Wohnbaugenossenschaft angenommen. Die Stadt hat sich damit verpflichtet, der noch zu gründenden Genossenschaft ein Baugrundstück zu vergünstigten Konditionen zur Verfügung zu stellen. Vorzugsweise soll das Grundstück auf dem Gelände der stillgelegten Dachziegelfabrik Meindl liegen, wo ein ganzer neuer Stadtteil entstehen soll. An diesem Mittwoch werden im Stadtrat die Pläne der Eigentümer, des Meindl-Mutterkonzerns Etex Holding, erstmals vorgestellt und diskutiert.

Ein ausreichend großes Grundstück ist eine wesentliche Voraussetzung, erklärte Fachmann Andreas Pritschet vom Verband bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW). Diesem Fachverband gehören alle 332 Wohnbaugenossenschaften sowie weitere 126 kommunale und kirchlichen Wohnungsunternehmen in Bayern an. Der Verband prüft regelmäßig die Bücher jeder Genossenschaft und berät bei Neugründungen. Bis vor fünf Jahren habe es lange kaum Neugründungen in Bayern gegeben, sagte Pritschet, seit 2012 wurden dann 22 neue Genossenschaften ins Leben gerufen. Eine Genossenschaft sei formal relativ schnell gegründet, sagte Pritschet. Damit das Ganze ordentlich funktioniert, müsse man allerdings vieles beachten und penibel durchplanen. Er empfehle eine "Kerngruppe" von etwa einem halben Dutzend Genossen, "die wirklich für die Sache brennen" und den Aufbau einer neuen Genossenschaft übernehmen. Mitglied wird man formal, indem man Genossenschaftanteile erwirbt, zum Beispiel für 500 Euro. Man kann auch mehr einbringen, es bleibt aber dabei, dass jeder Genossen genau ein Stimmrecht hat.

Eine Wohnungsgenossenschaft bringt zwei scheinbar konträre Positionen zusammen. Als Bewohner einer genossenschaftlichen Wohnung ist man Eigentümer und Mieter zugleich. Am Eigentum aller Wohnungen sind die Genossen über wohnungsspezifische Genossenschaftsanteile beteiligt. Pritschet rechnete vor, dass man bei einem realistischen Beispiel für eine 70 Quadratmeter großen Drei-Zimmer-Wohnung wohl etwa 60 000 Euro einbringen müsse. Es bestehe dabei aber die Möglichkeit, bei der KfW-Bank ein spezielles, aktuell mit 0,75 Prozent verzinstes Darlehen bis zu 50 000 Euro aufzunehmen, um den Eigenbeitrag zu finanzieren. In Pritschets Beispielrechnung wurde von 36 Mitgliedern so viel Geld zusammenleget, dass damit 30 Prozent der kompletten Kosten für eine Wohnanlage mit 36 Wohnungen zusammen kam. Die restlichen 70 Prozent der Kosten würden dann mit Förderdarlehen und Bankkrediten aufgebracht.

Sobald die Genossen in ihre Wohnungen einziehen, zahlen sie - damit die Genossenschaft die 70 Prozent Fremdkapital in den kommenden Jahren abzahlen kann - eine monatliche Miete. In Pritschets Beispiel waren das 8,50 Euro pro Quadratmeter. "Das hört sich erts mal nicht so schön an", sagte Pritschet. Doch dieser Betrag bleibe fest, auch nach 20 oder 30 Jahren - außer die Mitgliederversammlung beschließt etwas anders. So sichertn sich die Mitglieder der Wohnungsgenossenschaft für die Zukunft günstige Mietkonditionen. Sie genießen ein lebenslanges Wohnrecht und können ihre Genossenschaftsanteile vererben.

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SZ vom 06.12.2017
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