Landwirtschaftsmesse:Von der besten Seite

Die Grüne Woche in Berlin ist nicht weniger als die größte Landwirtschaftsmesse der Welt. In der Bayernhalle ist auch der Landkreis Erding seit einigen Jahren mit einem eigenen Ausstellungsstand vertreten

Von Judith Issig, Berlin

Der Himmel der Bayern riecht nach Schmalzgebäck. Jede Stunde ertönt ein Prosit der Gemütlichkeit, dazwischen geben Blaskapellen und Goaßlschnalzer aus allen Ecken des Freistaats ihr Bestes. Alphornbläser laufen vorbei, die langen Hörner überragen die Menschenmenge um einige Meter. Käse, Hopfen und Gamsbärte so weit das Auge reicht. Bis zur Hallendecke, wo sich weiße Wolken auf blauem Grund lieblich drehen.

Die Bayernhalle auf der Grünen Woche ist eine perfekte Inszenierung des weißblauen Klischees. "Das ist die Halle der Gemütlichkeit", sagt ein Messebesucher mit norddeutschem Dialekt. Auf 2350 Quadratmetern präsentiert sich der Freistaat auf der größten internationalen Agrarmesse, die jedes Jahr in Berlin stattfindet. Nicht weniger als 400 000 Besucher kamen im vergangenen Jahr.

Das Logo des Erdinger Weißbräus ist schon von weitem zu sehen. Damit lockt der Landkreis die Besucher an seinen Stand. Die Theke des Erdinger Weißbräus ist der größte Besuchermagnet in der Bayernhalle. Seit 2013 kooperiert das Landratsamt mit der Brauerei, um auf der Grünen Woche einen Stand betreiben zu können. Mit regionalen Produkten wie Schnaps und Kräutersalzen und dem Zugpferd Erdinger Weißbier will der Landkreis für den Tourismus in der Region werben und sich den Messebesuchern von seiner besten Seite zeigen. Und wie jedes Jahr reist am ersten Wochenende eine Delegation um Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) nach Berlin, um sich zu vergewissern, dass der Landkreis Erding in der Welt ein gutes Bild abgibt. Der größte Stand in der Bayernhalle, die größte Privatbrauerei und die größte Therme Deutschlands - mit Superlativen muss man nicht geizen.

Der Tourismus im Landkreis boomt. Im Jahr 2015 waren es bereits zum dritten Mal mehr als eine Million Übernachtungen. Doch im Durchschnitt bleiben die Gäste nur ein oder zwei Nächte. Das will das Landratsamt ändern. "Erding ist nicht die typische Urlaubsdestination", sagt Bayerstorfer, "viele kommen wegen der Therme und des Flughafens, aber die Leute sollen darauf aufmerksam werden, was der Landkreis sonst noch zu bieten hat." Pünktlich zur Grünen Woche gibt es deswegen eine neue Broschüre, die die Sehenswürdigkeiten im Landkreis auflistet. Von der Erdinger Altstadt und der Therme über das Kletterzentrum Taufkirchen zum Heimatmuseum Thal und Schloss Burgrain. "Sogar ich habe in der Broschüre Schönheiten in unserem Landkreis entdeckt, die ich vorher nicht kannte", sagt Bayerstorfer.

Auf seinen Wunsch hin sind seit drei Jahren auch die Landfrauen am Erdinger Stand vertreten. Ein fünfköpfiges Team um Kreisbäuerin Elisabeth Mayr produziert Schuxen im Akkord. Das typische Erdinger Schmalzgebäck aus Roggenmehl und Buttermilch trifft aber nicht bei allen Besuchern den Geschmack. "Die Damen aus Berlin sagen oft, dass ihnen da zu viele Kalorien drin sind", sagt Mayr. Trotzdem, bis zu zehn Kilo Mehl verbrauchen die Landfrauen am Tag. Das ergibt etwa 300 Stück Schuxen, Apfelkrapfen, Quarkblumen und Auszogne.

Grüne Woche

Dazu gibt's ein gutes Schnapserl bei Andreas Franzl aus Oberkorb.

(Foto: Judith Issig/OH)

Die Schuxen lässt sich auch Ulrike Scharf (CSU) nicht entgehen. "Das ist für mich ein Stück Heimat in Berlin", sagt die Erdinger Landtagsabgeordnete und bayerische Umwelt- und Verbraucherschutzministerin. Sie freue sich, dass der Landkreis auf der Messe vertreten sei: "Da merkt man, dass die heimische Wirtschaft an einem Strang zieht." Auf ihrem Rundgang über die Messe besucht die Ministerin den Erlebnisbauernhof und frühstückt mit den Verbraucherschutzministern aus den anderen Bundesländern - ein Wohlfühltermin für Scharf, die in den vergangen Tagen wegen des Skandals um die Firma Bayern-Ei erneut in der Kritik stand. Für ein schnelles Foto trifft sie sich am Erdinger Stand auch mit dem bayerischen Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU).

Der erste Weg der Erdinger Delegation führt gleich nach der Ankunft zielstrebig zum Weißbierausschank. Schankkellner Heinz Nätsch, genannt Heinzi, ist der heimliche Star des Standes: Er ist, wie er selbst sagt, der einzige Brandenburger in Lederhosen: "Alle halten mich für einen echten Bayern, aber wenn ich den Mund aufmache, ist alles vorbei." Ab und zu tauscht er ein paar Gläser Weißbier gegen eine Coburger Käseplatte vom Nachbarstand.

Essen und Trinken, das ist die Hauptsache auf der Grünen Woche. Deshalb ist in diesem Jahr auch die Apfelkönigin des Gartenbauvereins Sankt Wolfgang dabei. Diadem auf dem Kopf und Apfelzepter in der Hand flaniert die 18-jährige Renate Sperr mit der Schrobenhausener Spargelkönigin und der Bayerischen Kartoffelkönigin über die Messe. "Repräsentieren", das sei heute ihre Aufgabe. Interessierten Messebesuchern erzählt sie vom großen Apfelmarkt in St. Wolfgang. Aber die halbwüchsigen Jungbauern in Oktoberfesttracht wollen vor allem Selfies mit ihr und Autogramme.

Grüne Woche

Auch die St. Wolfganger Apfelkönigin Renate Sper war mit von der Partie. Und über allem prangt der bayerische Himmel, in seinen Farben weiß und blau.

(Foto: Judith Issig/OH)

Darum geht es: präsent sein und gesehen werden. Etwa 25 000 Euro lässt sich der Landkreis die Grüne Woche kosten, abzüglich der Einnahmen aus dem Schuxenverkauf, sagt Daniela Widl von der Tourismusabteilung des Landratsamts. Den Erfolg einer Messe könne man aber nicht in Geld messen. Die Hoffnung sei, dass sich manche Touristen in ein paar Monaten noch an Erding erinnern, einen Urlaub buchen oder online Spezialitäten bestellen.

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