Berlin:66 Quadratmeter Heimat

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Weißbier und Schuxn: Erding präsentiert sich nicht nur kulinarisch auf der Grünen Woche von seiner besten Seite. Bei den Besuchern kommt das gut an - die Investition ins Image scheint sich auszuzahlen

Von Mathias Weber

Reise nach Berlin: Die CSU-lastige Delegation, die bei der Grünen Woche den Stand des Landkreises Erding besucht hat (Foto: Mathias Weber)

Bayerischer geht es ja kaum: Jeder zweite trägt eine Lederhose, zum Essen gibt es Brezen, Senf und viele Würschtl. Bier an jeder Ecke, Weißbier, Helles, Dunkles und ein bisschen fränkischen Wein. Dem einen Burschen von der Landjugend wird das schon zu viel, er legt seinen Kopf auf die Bierbank und hält ein Nickerchen. Seinen Spezl lässt das kalt, er sitzt daneben und lässt sich eine Ente mit Blaukraut und Semmelknödel schmecken. Und immer wieder halten die Menschen ein 0,3-er Weizenglas in der Hand, mit dem bekannten Logo des Erdinger Weißbiers. Willkommen in Erding, willkommen in Bayern - und willkommen in Berlin.

Es ist schon eine ziemlich exakte Nachbildung Bayern, die in Halle 22 auf der Messe in Berlin aufgeführt wird. Es ist Grüne Woche in der Hauptstadt, mit 400 000 Besuchern und 1600 Ausstellern die größte Agrarmesse der Welt. Der größte deutsche Agrarstaat in Deutschland will sich deshalb nicht lumpen lassen und so gibt es für Bayern eine eigene Halle, in der sich Produzenten und Tourismusregionen aus Franken, Altbayern und Schwaben präsentieren: Die Bayernhalle. Mitten drin hat auch der Landkreis Erding wieder einen eigenen Stand, nachdem die Premiere auf der Grünen Woche im vergangenen Jahr offenbar positiv ausgefallen ist. Auf 66 Quadratmetern (doppelt so viel wie noch 2013) zeigt der Landkreis, was er kann: Kleine Produzenten sind dabei (siehe unten), die Tourismusbranche, das Erdinger Weißbier natürlich, und als besondere Gäste hat das Landratsamt die Erdinger Landfrauen eingeladen.

Sich präsentieren, vor Ort sein - das ist das Ziel der Tourismusbranche im Landkreis, die dem Status der Boomregion gerecht werden will. Dass auch alles passt auf der Messe, davon hat sich eine Delegation aus Erding vergangenes Wochenende selbst überzeugt. Mit dabei waren außer dem Landrat Martin Bayerstorfer und dem Erdinger Oberbürgermeister Max Gotz auch Gemeindetagssprecher Hans Wiesmair und Pamela Kruppa, Vorsitzende der Tourismusregion Erding. Vor Ort stießen noch der Ex-Landtagsabgeordnete Jakob Schwimmer und seine Nachfolgerin Ulrike Scharf zum Tross.

Die versammelte Erdinger CSU-Prominenz konnte es selbst erleben: Erding kommt an. Zugpferd am Stand war natürlich das Weißbier, das international bekannt ist. Auf der anderen Seite des Standes war aber auch viel los: Die Landfrauen hatten dort eine kleine Backstation eingerichtet. Im Akkord frittierten sie süße Apfelkrapfen und deftige Schuxn. Eine logistische Großleistung: Mit aus Erding nahmen die sechs Frauen vier Paletten Lebensmittel, tausend Eier, sechshundert Stück Hefe, 250 Kilo Zucker. Für günstige 1,50 Euro verkaufen sie ihr Schmalzgebäck - allein vergangen Freitag, beim Besuch der Waldbauern, 400 Stück.

Ein Anziehungspunkt ist die Backstube - "der Geruch zieht die Leute an", freut sich Erdings Kreisbäuerin Elisabeth Mayr. Aber ob sich die ganze Aktion lohnt, das weiß sie nicht. Finanziell könnte es knapp werden, obwohl der durchschnittliche Besucher hundert Euro - neben dem nicht ganz billigen Eintritt - auf der Grünen Woche ausgibt. "Wir hoffen, dass wir nicht draufzahlen müssen", sagt Mayr, "aber es geht um die Repräsentation." Was so ein Auftritt am Ende den Unternehmern bringt, das lasse sich sowieso nicht messen, sagt Birgit Becker, die im Landratsamt für den Tourismus zuständig. In einer ruhigen Minute, abseits vom Trubel der Bayernhalle, sagt sie: "Die Frage ist: Was passiert, wenn man nicht mehr dabei ist auf solchen Messen?"

Wer auf keiner Publikumsmesse mehr dabei ist, der verliere an Image. Und dass die regionalen Anbieter nach wie vor dabei sein wollen - "auf eigene Rechnung", wie Becker sagt, das sei ein Indiz dafür, "dass es doch was bringt." Kostenfrei ist das gute Image aber nicht zu haben: Um die 40 000 Euro stehen im Landkreis-Haushalt allein für die Grüne Woche zur Verfügung. 250 Euro kostet ein Quadratmeter - ein vergleichsweise guter Preis. In München würde man mehr zahlen müssen, sagt Becker, die schon einige Messen mitgemacht hat. Becker muss noch ein paar Tage länger in Berlin durchhalten, genauso wie die Landfrauen. Die Erdinger Delegation aber trat am Samstagnachmittag die Rückreise an.

Zwei Tage lang haben sie sich durch bayerische Delikatessen-Häppchen probiert, Obstbrände und Biere verkostet, eine wenig spritzige Rede des Landwirtschaftsminister Helmut Brunner gehört, große Bulldogs und kleine Shetland-Ponys gestreichelt und am Ende ein Wurstduell zwischen Bayern und Preußen erlebt. Bayern, konzentriert auf die Größe eines Fußballfelds, kann auch anstrengend sein. Bei der Ankunft zurück am Münchner Flughafen meint man ein tiefes Durchatmen gehört zu haben: Dann doch lieber das Original.

© SZ vom 20.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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