Eine Brücke und ihre Geschichte:Sehr stabil

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Die Brücke stört nicht wirklich, aber sie ist überflüssig. (Foto: Renate Schmidt)

In Windeseile wurde im Herbst 2015 die Brücke gebaut, damit Flüchtlinge die Bundesstraße gefahrlos überqueren konnten. Seit Jahren ist die Brücke unbenutzt. Der Abbau zieht sich schier endlos hin

Von Florian Tempel, Erding

Brücken sind nicht nur Bauwerke, sondern auch Symbole. Der metaphorische Gehalt des Begriffs Brücke ist stark und bekannt durch viele Gedichte, Lieder und Zitate, wie zum Beispiel dieses von Isaac Newton: "Die Menschen bauen zu viele Mauern und zu wenige Brücken." Das hat Newton schön gesagt, aber das bringt uns überhaupt nicht weiter, könnten an dieser Stelle Landrat Martin Bayerstorfer und der Bundestagsabgeordnete Andreas Lenz (beide CSU) einwenden. Bayerstorfer und Lenz fordern seit Monaten, dass die im Herbst 2015 von Bundeswehrpionieren aus Gerüstteilen aufgebaute Fußgängerbrücke über die Bundesstraße B 388 wegkommt. Doch nichts passiert.

Der Büroweg ist unbedingt einzuhalten.

Dabei ist die Brücke längst überflüssig, niemand braucht sie mehr. Sie ist nur noch eine Erinnerung an den Herbst und Winter 2015/16, als Deutschland sich für viele tausend Flüchtlinge geöffnet hatte. In Windeseile hatte man die Brücke damals aufgebaut, weil sehr viele Flüchtlinge nicht im Warteraum Asyl warten wollten. Sie zogen auf eigene Faust los, gingen zu Fuß nach Erding, um von dort aus weiter zu Verwandten irgendwo in Deutschland zu fahren oder gleich bis nach Schweden. Es waren so viele, die seinerzeit über die B 388 gingen, dass man zur Entschärfung der Situation die Brücke baute.

Die Brücke stört nicht wirklich, aber sie ist überflüssig. (Foto: Renate Schmidt)

Um sie zu demontieren, braucht es eine halbe Ewigkeit. Warum? Weil nun der Büroweg einzuhalten ist, über viele Ebenen rauf und runter durch Ministerien, Bundesämter und Verwaltungsbehörden.

Der Abgeordnete Lenz begann früh, die komplette Auflösung des Warteraums zu fordern. Doch dieser blieb wegen der EU-Relocation-Flüchtlinge aus Italien und Griechenland. Diese brauchten die Brücke aber nicht, weil sich keiner von ihnen eigenmächtig auf den Weg machte. Im September 2017 glaubte Lenz einen Teilsieg verkünden zu können: Wenigstens die Brücke komme nun weg. Sie sei "ein Treppenwitz". Er rechne mit "dem zeitnahen Rückbau durch das Straßenbauamt". Abschließend versprach er, "in der Sache am Ball zu bleiben", und versicherte, "der Abbau ist nicht populistisch, sondern absolut sachgerecht".

Wer ist zuständig?

Flankierend dazu bemühte Landrat Bayerstorfer das vermeintlich zuständige bayerische Sozialministerium. Im Herbst 2017 kamen aus München zwei Ministeriumsmitarbeiter, besahen sich die Brücke und sprachen bei Volker Grönhagen, dem Leiter des Warteraums, vor. Der tat, was er konnte, und schrieb an seine Behörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), dass er den Abbau der Brücke befürworte. Das Anliegen ging bis zum Bamf-Vizepräsidenten, der dem Wunsch der Erdinger CSU-Politiker entsprach und die Demontage genehmigte. Im Januar teilte dann Bayerstorfer froh mit, die Brücke werde "in den kommenden Wochen abgebaut", sobald es die Witterung zulasse. Er habe den Abbau "beim zuständigen Sozialministerium erwirken" können. Nichts passierte.

Mittlerweile hatte Lenz die Idee eingebracht, die Brücke könnte dem Technischen Hilfswerk (THW) in Markt Schwaben geschenkt werden. Das THW könnte die Gerüstteile zum Beispiel bei Hochwasser zum Bau von Stegen gut brauchen. Der THW-Ortsbeauftragte Herbert Höning erinnert sich: "Am Anfang haben wir gedacht, das geht ganz einfach." Aber dann wurde klar, dass die Gerüstteile Bundeswehrmaterial sind. Also stellte man über die Landesleitung erst mal einen Antrag bei der THW-Bundesanstalt in Bonn.

Eine Behörde in Bonn prüft den Vorgang.

Zur gleichen Zeit war eine weitere Behörde in Bonn ebenfalls schon mit der Prüfung des Vorgangs befasst. Über das Bamf war der Wunsch nach Demontage der Brücke an das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr gegangen. Dieses Amt "koordiniert alle Fragen, die mit der weiteren Verwendung der Brücke im Zusammenhang stehen", teilte eine Sprecherin auf Anfrage der SZ mit. Wobei es offensichtlich noch viel zu früh ist, etwas Konkretes zu sagen.

Geblieben sind die schnell aufgestellten Straßenlaternen und die gelben Schilder, die in vier Sprachen den Weg zum Erdiger Bahnhof weisen. (Foto: Renate Schmidt)

Vorerst werde "geprüft, ob die Brücke für die Zwecke des Wartezentrums Erding dauerhaft entbehrlich ist". Weiter heißt es: "Parallel dazu wird geprüft, ob innerhalb der Bundeswehr ein Bedarf an der Brücke besteht." Das ist verständlich, lässt aber eine schnelle Entscheidung eher unwahrscheinlich erscheinen. Wenn die Bundeswehr die Brücke behalten wolle, werde das Bundeswehr-Dienstleistungszentrum München involviert und "die bayerische Landesbauverwaltung mit dem Abbau beauftragt". Falls sich zeigen sollte, dass die Brücke nicht benötigt werde, werde man prüfen, ob das THW sie haben könnte. Das könnte dann die Brücke selbst abbauen.

Ende Mai teilte der Abgeordnete Lenz, etwas genervt mit, er habe nunmehr "das Bundesministerium des Innern gebeten, einen schnellen Abbau zu forcieren". Ob das was bringt, bleibt abzuwarten.

© SZ vom 21.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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