Süddeutsche Zeitung

Beamtenstellen in Erding:Wenn der Richterstuhl leer bleibt

Freie Beamtenstellen sollen erst nach einem Jahr wieder besetzt werden. Beim Amtsgericht Erding wäre das ein ernsthaftes Problem. Und nicht nur dort.

Florian Tempel

Ende September hat die bayerische Staatsregierung als "haushaltsgesetzliche Sparmaßnahme" beschlossen, alle vom 1. Oktober an frei werdenden Stellen von Beamten erst nach einem Jahr wieder zu besetzen. Bislang galt eine Wiederbesetzungssperre von drei Monaten. Ausgenommen von der Verschärfung sind Lehrer und Polizeibeamte.

Der Direktor des Amtsgerichts Erding, Peter Boie, sagt, er habe noch "keine offiziellen Informationen". Sollte die Wiederbesetzungssperre aber auch an einem so kleinen Gericht wie dem Erdinger Amtsgericht gelten, an dem nur elf Richterinnen und Richter arbeiten, sei das "ein ernsthaftes Problem".

Mit einer "Unterbesetzung von etwa 20 Prozent" liege man in Erding zwar im Durchschnitt der bayerischen Gerichte. Doch das bedeute, "nur wenn bei uns alle da sind, kommen wir über die Runden". Sobald einer fehlt, wird es schon schwierig. Als im Sommer eine Amtsrichterin längerfristig erkrankte, mussten ihre Verfahren von zwei anderen Richtern übernommen werden. Ein Haufen belastender Mehrarbeit, "das geht so weit, dass man sich um die Gesundheit der Kollegen sorgt", sagt Boie.

Nach knapp drei Monaten, und damit vergleichsweise "sehr schnell" kam Ersatz durch einen Richter vom Oberlandesgericht, der die Arbeit der erkrankten Richterin übernahm, wie Boie berichtet. Wenn aber durch die Wiederbesetzungssperre eine Richterstelle ein ganzes Jahr unbesetzt bleiben sollte, "dann ist das eine nahezu unlösbares Problem - das kann im Wege der Vertretung praktisch nicht bewältigt werden". Boie bleibt - bis er genaue Informationen aus dem Justizministerium bekommt - nur die "Hoffnung", dass kleine Gerichte doch anders behandelt werden als zum Beispiel das Landgericht München I, wo über 200 Richter arbeiten.

Die Hoffnung von Boie ist womöglich nicht unbegründet. Denn nur wenige Meter hinter dem Amtsgericht, im kleinen Erdinger Gefängnis, soll die erhöhte Wiederbesetzungssperre laut Erkenntnissen ihres Leiters, Hans Amannsberger, gar nicht gelten. Der Erdinger Knast, in dem 23 "Bedienstete im Justizvollzug" arbeiten und etwa 60 Gefangene in den Zellen sitzen, werde von der Regelung ausgenommen. Da das Erdinger Gefängnis organisatorisch zur Justizvollzugsanstalt Landshut gehört, können aber Personalausfälle sowieso schon immer leichter aufgefangen werden.

Gefängnisleiter Amannsberger kann im Bedarfsfall aus Landshut, wo er 175 Justizvollzugsbeamte hat, Aushilfen nach Erding schicken. Dass das Gefängnis Erding im bundesweiten Vergleich mit Beamten unterbesetzt ist, bestätigt er zwar, relativiert den dünnen Personalspiegel jedoch mit einer These, die von der Staatsregierung selbst stammen könnte: Dass in Erding zwei Beamte die gleiche Arbeit leisten, die anderswo drei machen, "zeigt natürlich die hohe Qualität unserer bayerischen Beamten".

Ebenfalls locker sieht der stellvertretende Leiter des Finanzamtes Erding, Guido Riemerschmid, die heraufgesetzte Wiederbesetzungssperre. Zum einen hat das Finanzamt mit 180 Beamten viel mehr Personal als das Amtsgericht oder das Gefängnis. Riemerschmid findet seine Behörde sei damit auch "durchaus vernünftig besetzt". Die Sollstärke erreiche das Finanzamt Erding zwar nicht, "es gibt aber sicher andere, die viel schlechter besetzt sind". Schon deshalb könne "man sich nicht beklagen" und auch längere Zeit offen bleibende Stellen durch eine zwölfmonatige Wiederbesetzungssperre, "müssten wir den Griff kriegen".

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SZ vom 26.10.2010/hai
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