Bayerische Bauordnung:Freikaufen vom Spielplatzzwang

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Bei brütender Hitze sind viele Spielplätze verwaist. Doch wenn es etwas weniger heiß ist, zieht es die Kinder und Eltern eher zu den größeren Plätzen wie diesen gegenüber vom Klinikum Erding. (Foto: Renate Schmidt)

Eigentlich ist beim Neubau von Häusern mit drei oder mehr Wohnungen ein Spielplatz Pflicht. Seit kurzem können Investoren stattdessen auch eine Ablöse zahlen. Ob das gut ist, darüber gehen die Meinungen auseinander

Von Antonia Steiger und Florian Tempel, Erding/Dorfen

Kinder sollen direkt vor der eigenen Haustür spielen können. Die bayerische Bauordnung verlangt daher, dass neu gebaute Häuser mit mehr als drei Wohnungen auch einen kleinen Spielplatz bekommen. Wie sinnvoll diese kleinen Spielplätze sind, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander. Viele Eltern gehen mit ihren Mädchen und Buben lieber auf einen öffentlichen Spielplatz, die oft sehr gut ausgestattet sind, zum Beispiel im Stadtpark. Ein Bauherr wollte nun einen anderen Weg gehen und hat dem Rathaus angeboten, eine Ablöse in Höhe von 20000 Euro zu zahlen. Den Antrag hat der Planungs- und Bauausschuss angenommen, allerdings in leicht modifizierter Form: Der Bauherr muss das Dreifache zahlen, 60 000 Euro. Auch in Dorfen sind ähnliche Wünsche schon aufgetaucht.

Es gibt unterschiedliche Meinungen zu den Kleinspielplätze direkt an Wohnanlagen. Einerseits sind sie so übersichtlich, dass Eltern ganz kleine Kindern dort entspannt spielen lassen können. Andererseits treffen die Kinder dort manchmal gar keinen anderen, weil die Familien eher zu den größeren Spielplätze streben. Einer Ablöse standen die Erdinger Stadträte grundsätzlich positiv gegenüber, wie mehrere Stadträte sagten. Ihnen erschien die angebotene Summe allerdings als deutlich zu gering. Beim dem Neubau handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus mit zehn Wohneinheiten mit Tiefgarage an der Bajuwarenstraße. Pflicht des Bauherrn wäre es, auf dem eigenen Grundstück oder auf einem Grundstück in der Nähe, wenn dessen Benutzung gesichert ist, einen Spielplatz anzubieten. Die Verhältnisse auf dem Grundstück seien sehr beengt, hieß es nun. Ein Spielplatz müsste direkt vor den Terrassen angelegt werden, wodurch sich die Bewohner in ihrer Privatsphäre gestört fühlen könnten. Auch die Abstände zwischen Spielplatz und den Lüftungsöffnungen der Tiefgarage sind nach Ansicht des Bauherren zu gering. Und ein anderes Grundstück in der Nähe gebe es auch nicht, dafür aber einen öffentlichen Spielplatz gegenüber des Klinikums Erding.

Wie sinnlos kleine Spielplätze manchmal sind, davon wussten einige zu erzählen. Hans Balbach (Erding Jetzt) hat sogar selbst schon einen errichtet, der aber verwaist sei, wie er sagte. Einen Grund dafür sieht er in dem Umstand, "dass die Stadt Erding so tolle Spielplätze baut". Rechtsamtsleiter Andreas Erhard sagte, es gebe ein Beispiel, in dem der Bauherr eine Grünfläche mit einer Holzwippe für eine sehr viel größere Anlage hinstelle, sonst nichts. Er wies aber auch darauf hin, dass der Bauherr in der Bajuwarenstraße auch eine Terrasse hätte aufgeben müssen und können, um einen Spielplatz zu bauen. Die "erhebliche Wertsteigerung" seiner Immobilie, die der Bauherr dadurch erfahre, dass er jeden Quadratmeter für Wohnungen nutzt, war dann auch für Burkhard Köppen (CSU) der Anlass, darauf hinzuweisen, dass eine Ablöse in Höhe von 20 000 Euro "überhaupt kein Thema" sein könne. Die CSU-Fraktion stelle sich eher eine Summe von "60 000 Euro aufwärts" vor. Mit dem Geld könne die Stadt sinnvoll in ihre öffentlichen Spielplätze investieren, zum Beispiel auch in den in der Nähe. Auch er wies darauf hin, dass die Stadt Erding über eine hohe Dichte an Spielplätzen verfüge, was dazu führe, dass die kleineren verwaisten. Ein Verzicht auf Spielareale direkt an Wohnanlagen, wie ihn einige vorgeschlagen hatten, ist aber nicht denkbar, darauf wies OB Max Gotz (CSU) hin: "Das ist einfach nicht möglich. Am Baugesetzbuch kommen wir nicht vorbei."

Einzig Günther Adelsberger (CSU) wehrte den Versuch ab, die kleinen Spielplätze schlechtzureden. Sie hätten für Eltern mit ganz kleinen Kindern ihren Reiz, weil sie so überschaubar seien. In dem vorliegenden Fall stimmte aber auch er mit dem gesamten Planungs- und Bauausschuss dafür, dem Bauherren eine Ablöse in Höhe von 60 000 Euro vorzuschlagen. "Der Beschluss wird sicher einige Diskussionen auslösen", sagte Gotz. Man müsse sehen, was der Bauherr dazu sage.

Auch in Dorfen wurde das Thema bereits im Stadtrat diskutiert. Dort ging es um den Baum einer Wohnanlage, die ziemlich nah zum Dorfener Stadtpark geplant ist. In der Wohnanlage wäre der Bauordnung entsprechend ein kleiner Spielplatz Pflicht. Allerdings hielten der Investor und auch viele Stadträte die Idee, stattdessen einen größeren und gut ausgestatteten öffentlichen Spielplatz im nahen Stadtpark zu bauen, für attraktiver. Den neuen Spielplatz soll der Investor bezahlen, da er einen erheblichen Gewinn durch die erweiterte Nutzung des Baugrunds habe. In Dorfen wurden dieselben Argumente ausgetauscht wie in Erding: Minispielplätze in Wohnanlagen seien meistens langweilig und würden mitunter gar nicht genutzt. Andererseits hätten gerade Kleinkinderspielplätze in direkter Wohnungsnähe durchaus auch ihre Vorteile für die Eltern. Da es aber im Dorfener Stadtpark keinen Spielplatz gibt, erschien letztlich die Anlage durch einen Investor zusätzlich als pragmatische Lösung.

© SZ vom 21.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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