Bauernverband fordert Umdenken:Runter vom Wachstumspfad

Bauernverband fordert Umdenken: Unser Archivbild zeigt einen Acker im Landkreis Erding. Fast sieht es so aus, als verliefen auf der braunen Erde schmale Straßen. Dabei lassen die vielen Infrastrukturprojekte im Landkreis Erding die landwirtschaftlichen Flächen immer weiter schrumpfen. Das muss sich ändern, sagt der Kreisobmann.

Unser Archivbild zeigt einen Acker im Landkreis Erding. Fast sieht es so aus, als verliefen auf der braunen Erde schmale Straßen. Dabei lassen die vielen Infrastrukturprojekte im Landkreis Erding die landwirtschaftlichen Flächen immer weiter schrumpfen. Das muss sich ändern, sagt der Kreisobmann.

(Foto: Renate Schmidt)

Täglich werden landwirtschaftliche Flächen für Bauprojekte versiegelt. Kreisobmann Jakob Maier fordert den Stop der Nordumfahrung

Von Regina Bluhme, Erding

"Beenden Sie die Planungen zur Nordumfahrung!" Mit diesem flammenden Appell an den Kreistag und an Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) schloss Erdings Kreisobmann Jakob Maier am Mittwoch bei einer Pressekonferenz des Bayerischen Bauernverbands (BBV) seinen Vortrag zum Thema Flächenverbrauch. Seit 1988 sei die landwirtschaftliche Nutzfläche im Landkreis Erding um circa 5100 Hektar zurückgegangen, und noch immer werde hektarweise Boden versiegelt, so Maier in der Online-Veranstaltung. Mit eindringlichen Worten forderte er ein Umdenken, zum Beispiel - und gerade auch im Landkreis Erding - bei Straßenbauprojekten.

Für alles werde Fläche benötigt: für Siedlung, Verkehr, für Gewerbe und Freizeit "und natürlich auch für Landwirtschaft", so Jakob Maier. Der Erdinger Kreisobmann forderte ein Umdenken. Der Verbrauch der Ressource Land müsse eingedämmt werden. Dies sei Aufgabe von Gemeinden, Städten und Landkreisen, doch bisher tue sich viel zu wenig.

"Es ist einfach zu viel Fläche, die den Landwirten verloren geht", sagte Jakob Maier. "Bayernweit sind es 11,6 Hektar Tag für Tag." Das erklärte Ziel der bayerischen Staatsregierung, den Flächenverlust auf weniger als fünf Hektar pro Tag zu reduzieren, sei somit "weit verfehlt". Die Wirtschaft orientiere sich immer noch über das Wachstum. Aber Wachstum bedeute eben auch Ressourcen- und Flächenverbrauch. Maier verwies auf den Arbeitskreis Flächensparen, zu dem 2019 Landrat Bayerstorfer geladen hatte. Die Ergebnisse hätten jedoch bisher kaum Niederschlag gefunden. Alles, was er bisher erlebe in Sachen kommunales Bauen, lasse die Hoffnung schwinden. Der Landkreis Erding sei "unbeirrt auf dem Wachstumspfad unterwegs". Es sei ihm klar, dass die Sachzwänge die Kommunalpolitik auch mal vor sich hertrieben. Aber im Landkreis werde "völlig entkoppelt von der demografischen Entwicklung" weiterhin "Infrastruktur doppelt aufgebaut". Als Beispiele nannte er unter anderem den Ausbau der FTO, die Walpertskirchner Spange, die Umfahrung Taufkirchen. Und er appellierte an Kreistag und Landrat, die Pläne für die Nordumfahrung zu begraben. So könnten 35 Hektar für die Landwirtschaft erhalten bleiben. Der Bau wäre "ein Schlag ins Gesicht der Bauernfamilien".

Um den Flächenfraß zu stoppen, sollten außerdem im Raumplanungsverfahren Obergrenzen eingeführt werden, ungenutzte Gewerbeflächen wiederbelebt werden, die Innenentwicklung von Städten und Gemeinden sei zu stärken, eine Verdichtung zuzulassen und auch in die Höhe zu planen. Statt ständig neuer Versiegelung sollten die Gemeinden die Nutzung von Konversionsflächen und Revitalisierung brachliegender Gebäudeflächen beschleunigen.

Auch sollten künftig nicht mehr landwirtschaftlicher Boden als Ausgleichsfläche für Infrastrukturmaßnahmen herausgenommen werden. Stattdessen bieten sich laut Maier nutzungsintegrierte Kompensationsmaßnahmen (Pik) an. Die Pik-Flächen könnten weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden, zugleich hätten dort aber durch Blühstreifen oder "Lerchennester" auch Flora und Fauna ein Auskommen. Für ihn sei es wirklich unverständlich, dass bei Neuausweisungen von Gewerbegebieten immer noch hektarweise mit Parkplätzen Fläche versiegelt werden, statt flächenschonende Parkhäuser zu bauen, so Maier.

Auch Kreisbäurin Irmgard Posch forderte ein Umdenken, es gelte, neue Ideen zu entwickeln, allerdings "mit Maß und Ziel". Zuvor hatte Gerhard Stock, BBV-Geschäftsführer für die Landkreise Erding und Freising, auf die Bedeutung der Landwirtschaft hingewiesen. "Fruchtbare Böden sind lebendige Kohlenstoffspeicher", Böden dienten als Wasserfilter für die Grundwasservorräte, durch Fotosynthese entstehe während des Pflanzenwachstums Sauerstoff und Zucker. "Was wollen wir: Fruchtbare Felder oder leere Parkplätze?", fragte Stock, und die Antwort auf die provokante Frage gab er gleich im Anschluss: Der Flächenverbrauch müsse reduziert werden. Nicht dass es am Ende noch so weit komme, dass Landwirtschaftschutzgebiete ausgewiesen werden müssten.

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