Süddeutsche Zeitung

Bahnausbau in Dorfen:Endgültige Absage für eine Tieferlegung

Die jahrelangen Bemühungen für eine Troglösung beim Ausbau der Bahnstrecke durchs Stadtgebiet haben letztlich nichts gebracht. Laut einer Überprüfung durch ein Bundesinstitut wäre die Vieregg-Variante 72 Millionen Euro teurer als die Planung der Deutschen Bahn

Von Florian Tempel, Dorfen

Das war's dann. Es wird keine Tieferlegung der Bahngleise im Stadtgebiet von Dorfen geben. Abgesehen von einem kurzen Abschnitt, bei dem es halbtief unter der Bundesstraße B 15 durchgehen wird, damit die Straßenbrücke nicht zu hoch und zu steil wird. Mehr ist jedoch nicht drin. Die jahrelangen Dorfener Bemühungen für eine Troglösung haben letztlich nichts gebracht.

Die endgültige Absage aus dem Bundesverkehrsministerium erhielt Bürgermeister Heinz Grundner (CSU) an diesem Montag. Staatssekretär Michael Theurer (FDP), der auch den Titel eines Beauftragten der Bundesregierung für den Schienenverkehr führt, brauchte dafür nicht viele Worte. In einem zwei Seiten langen Schreiben steht vor allem eines: das von Anfang an stets befürchtete Kostenargument. Die in Dorfen mehrheitlich bevorzugte Ausbauvariante des Münchner Verkehrsberaters Martin Vieregg, die Gleise in einem breiten Graben verschwinden zu lassen, koste laut einer neuen Prüfung schätzungsweise 126 Millionen Euro und wäre damit unbezahlbare 72 Millionen Euro teurer als die Pläne der Deutschen Bahn. Der entscheidende Satz lautet: "Da auf gegebener gesetzlicher Grundlage der Bund nicht in der Lage ist, die Mehrkosten zu übernehmen, wird die DB Netz AG ihre Planung als wirtschaftlichste Variante weiter fortführen."

Die Stadt Dorfen wird sicher ebenfalls keine Zusage für die Übernahme von zig Millionen Euro abgeben. Bürgermeister Grundner stellte das in einer ersten Reaktion noch einmal klar: "Das Ergebnis war als solches bedauerlicherweise zu erwarten. Der Stadtrat wird im nächsten Schritt darüber beraten und Beschluss fassen müssen, ob für die Stadt Dorfen eine Übernahme der Mehrkosten möglich ist. Aus meiner Sicht sind die Mehrkosten im Haushalt nicht darstellbar."

Martin Vieregg reagierte enttäuscht und wütend auf die Kostenberechnung, die vom Deutschen Zentrum für Schienenverkehrsforschung (DZSF) vorgenommen worden ist. Das DZSF ist ein beim Eisenbahnbundesamt angesiedeltes Bundesinstitut. Vieregg sagt zu dem Prüfbericht, "es scheint durch jede Seite durch, dass man meinen Vorschlag nicht wollte". Er sei schon dabei eine detaillierte Reaktion zu verfassen. "Ich kann das nicht auf mir sitzen lassen - das ist ja regelrecht rufschädigend", sagte Vieregg der SZ.

Klaus-Peter Zellmer, der Gesamtprojektleiter des Bahnausbaus bei der Deutschen Bahn, zeigte sich hingegen zufrieden und in seiner Auffassung in allen Punkten bestätigt. Die Planungen für den Bahnausbau im Dorfener Stadtgebiet sollen in circa einem Jahr fertig sein. Dann kann das Genehmigungsverfahren beginnen. Im Jahr 2030, das bleibt Zellmers Ziel, soll die ausgebaute Strecke fertig sein.

Der Dorfener Wunsch, dass beim Ausbau der eingleisigen und nicht elektrifizierten Bahnstrecke München - Mühldorf die Gleise tiefer gelegt werden sollten, reicht viele Jahre zurück. Intensiv darüber diskutiert wurde seit 2011. Der Dorfener Georg Brandhuber war in Ampfing gewesen und war über die schier endlos langen Lärmschutzmauern entlang der Bahnstrecke durch den Ort erschrocken. Gleiches und Schlimmeres drohe Dorfen, sagte sich Brandhuber, trommelte Widerstand zusammen und gründete die Bürgerinitiative "Für einen Bahnausbau ohne Schranken und Mauern". 2012 schloss sich der Stadtrat der Forderung nach einer weitgehenden Tieferlegung der Bahngleise an. Im Jahr darauf sagte die Bahn zu, auch eine Troglösung zu prüfen und in Dorfen keimte Hoffnung. Dann präsentierte die Bahn eine Kostenschätzung, nach der ein Gleistrogs utopisch teuer wäre.

Mit solchem Aufs und Abs ging es viele Jahren weiter. Es gab internen Streit in Dorfen, neue Perspektiven für den Bahnausbau, als die neben der Bahn gelegene Dachziegelfabrik Meindl geschlossen wurde, strikte Positionen der Bahnplaner und eine erfolgversprechende Petition, die Georg Brandhuber beim Bundestag eingab. Im Juni 2017 kam eine Delegation des Petitionsausschusses von der Spree an die Isen und ermunterte die Dorfener, eine alternative Lösung für den Bahnausbau vorzulegen. Dazu wurde der Verkehrsberater Martin Vieregg engagiert, der in den folgenden Jahren seine Variante einer Gleistieferlegung mit immer größerer Detailschärfe ausarbeitete. Im September 2020 fuhren dann die Dorfener nach Berlin, um die Verantwortlichen im Bundesverkehrsministerium von der Alternativlösung zu überzeugen. Dort wurde ein sogenannter Faktencheck vereinbart, bei dem vor einer finalen Entscheidung kontroverse Punkte geklärt werden sollten. Das klappte nicht. Während Bürgermeister Grundner und einige Stadträte daraufhin die Vieregg-Variante aufgaben, ließ die Mehrheit nicht locker und forderte vom Bundesverkehrsministerium eine neutrale Überprüfung der so kontrovers gesehen Kostenfrage.

Das ist nun geschehen und ein jahrelanger Kampf gegen "Monsterbrücken und kilometerlange hässliche Lärmschutzwände" ist für Georg Brandhuber und seine Bürgerinitiative verloren. Das war kein schöner Tag für ihn. Der wesentlich besser gelaunte Projektleiter Zellmer wollte am Dienstag im Gespräch mit der SZ aber noch unbedingt eines loswerden. Die Diskussion über den Bahnausbau in Dorfen sei zwar kontrovers geführt worden, aber immer "konstruktiv und auf Augenhöhe, - dafür bin ich sehr dankbar, auch Herrn Brandhuber, den ich sehr schätze."

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Quelle:
SZ vom 23.02.2022
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