Viele Jahrzehnte haben die Planungen für den Bahnausbau München - Mühldorf - Freilassing gedauert, Anfang nächsten Jahres sollen alle 16 Abschnitte beim Eisenbahnbundesamt vorliegen. Und dann ist Schluss mit Nachbesserungen. Für Dorfen bedeutet das, was zu diesem Zeitpunkt nicht mit einem bestandskräftigen Bebauungsplan abgesichert ist, wird nicht mehr berücksichtigt. Das hat insbesondere Auswirkungen beim Lärmschutz für zwei Neubaugebiete.
Der neue Stadtteil Orlfing, ausgelegt für etwa 1700 neue Einwohner, sowie das geplante Neubaugebiet Obere Mooswiesen kommen planerisch zu spät. Sie werden nach dem alten Stand als Gewerbegebiet oder landwirtschaftliche Fläche definiert und bekommen von der Bahn keinen Lärmschutz für ein Wohngebiet. Im Stadtrat fielen manche aus allen Wolken, auch die gemittelte Berechnungsgrundlage für den Lärmschutz war offenbar vielen nicht bekannt, obwohl Dorfen damit eigentlich bereits Erfahrungen beim Bau der Autobahn A 94 gemacht hat. Die Stadt will sich nun juristischen Beistand holen.
Bürgermeister Heinz Grundner (CSU) wies zu Beginn der Stadtratssitzung noch auf die lange Vorgeschichte der Planungen hin, die noch vor dem Ersten Weltkrieg begonnen hätten. Es sei eine „Jahrhunderteaufgabe“, bei der sich nun „Licht am Ende des Tunnels“ abzeichne.
Für den Abschnitt Markt Schwaben bis Mühldorf sind die Planungen nun weitgehend abgeschlossen, erläuterte Projektleiter Michael Feigl. Anhand einer Visualisierung führte er die Stadträte durch die Strecke. Beim Bau werden große Überführungen mit acht Metern Höhe entstehen, wie beispielsweise nach Kloster Moosen oder in Wasentegernbach, die das Landschafts- oder Ortsbild verändern werden.
Mit der Eingabe beim Eisenbahnbundesamt Ende dieses Jahres wird dann planungsrechtlich ein Schlussstrich gezogen. Und dann hat Dorfen das Nachsehen bei eigenen Planungen, die bis dahin nicht in einem bestandskräftigen Bebauungsplan gesichert sind. Das betrifft sowohl das geplante Wohngebiet auf dem Meindl-Areal in Orlfing als auch das geplante Wohngebiet Obere Mooswiesen im Süden der Stadt, das auf 90000 Quadratmeter ausgelegt sein wird. Die Kosten für den Lärmschutz müssen dann die Stadt oder der Bauträger übernehmen.
Obwohl ein solches Vorgehen üblich ist, hat diese Ankündigung viele im Stadtrat kalt erwischt: „Heinz, diese Nachrüstung kostet uns Millionen“, sagte GAL-Stadtrat Gerald Forstmaier. „Ich möchte, dass wir uns bei einem Fachanwalt kundig machen, damit wir als Stadtrat nicht auf die Schnauze fallen.“ Forstmaier monierte zudem, dass die Planungen der Stadt und der Bahn nicht aufeinander abgestimmt seien. Die Stadt habe beispielsweise am Fuße des Hausmehringer Hangs ein Mischgebiet geplant. Die Bahn hingegen habe auf dieser Fläche ein Regenrückhaltebecken vorgesehen. Auch GAL-Stadträtin Susanne Streibl wunderte sich über diese Parallelplanungen der Bahn, die den Flächennutzungsplan der Stadt außer Acht ließen.
Auch bei den Berechnungen beim Lärmschutz, die Ingenieur Laurenz Laugwitz vorstellte, gab es für manche eine böse Überraschung. Denn sie orientieren sich nicht am Lärmpeak, Berechnungsgrundlage ist ein Mittellungspegel. Laugwitz erklärte, wenn beispielsweise alle zehn Minuten ein Zug fahre, ergebe das jeweils eine Minute Lärm und zehn Minuten Ruhe. Für den Schallschutz wird daraus ein gemittelter Wert errechnet.
Auch dieses Berechnungsverfahren ist in Dorfen nicht unbekannt, weil es auch beim Lärmschutz für die Autobahn A 94 angewandt wurde. Allerdings fiel es dabei nicht so ins Gewicht, weil dort der Straßenverkehr eher ein Dauerrauschen bildet, ohne solche Spitzenbelastungen wie bei der Bahn. Martin Greimel (CSU) rang um Fassung: Der Schutz müsse sich doch am tatsächlichen Lärm orientieren „der uns nachts im Bett aus den Federn reißt“, nicht an einem errechneten Mittelwert.
Bürgermeister Grundner war ebenfalls empört: „Wir brauchen maximalen Lärmschutz. Es reicht nicht, dass das gemittelt hingerechnet wird, das haben wir an anderer Stelle auch erfahren müssen. Ich möchte das kein zweites Mal erleben müssen und das können wir auch den Bürgern nicht zumuten. Das machen wir mit Sicherheit nicht mit.“
Der Stadtrat nahm die Informationen der Bahn zur Kenntnis und beauftragte zudem die Verwaltung, juristischen Beistand einzuholen.