Bäckerei Fleck:Ende und Neuanfang

Nach 60 Jahren schließt die traditionsreiche Bäckerei in der Haager Straße in Erding. Am 31. Oktober lädt Inhaber Rainer Fleck zum Imbiss ein. Er will sich nun verstärkt seinen Hobbys, dem Reisen und der Jagd, widmen.

Von Regina Bluhme, Erding

Freundlich lächelnd schneidet die Frau auf dem Pastellbild eine dicke Scheibe Brot ab, zwei Kinder warten schon darauf. Die Zeichnung hängt in der Küche gleich neben der Backstube von Rainer Fleck. Der Erdinger Bäcker- und Konditormeister hat in seinem Leben schon viele, viele Brote gebacken. Jetzt sitzt am Küchentisch und erzählt. Es geht um einen Abschied, das Ende einer Ära. Zum 31. Oktober schließt nach 60 Jahren die Erdinger Bäckerei-Konditorei Fleck in der Haager Straße. Dann ist es vorbei mit den begehrten Kirta-Nudeln, der Prinzregentorte und den Vitalsemmeln nach eigenem Rezept. An mangelnder Kundschaft liegt die Geschäftsaufgabe nicht, Inhaber Rainer Fleck, 59, will es jetzt einfach "ruhiger angehen lassen". Es ist ein Ende und ein Neuanfang. Schlüsselübergabe an den künftigen Pächter, die Bäckerei Kreitmaier mit Sitz in Grafing, ist am 1. November.

Bäckerei Fleck: Rainer Fleck in der Backstube. Zum 31. Oktober übergibt er den Betrieb in neue Hände.

Rainer Fleck in der Backstube. Zum 31. Oktober übergibt er den Betrieb in neue Hände.

(Foto: Renate Schmidt)

Erst kürzlich stand eine Kundin im Laden und verlangte 30 Semmeln. Den Großteil wollte sie einfrieren für später, erzählt Rainer Fleck. Wenig später kaufte eine Kundschaft vier Brote auf einmal - Hamsterkäufe, wie sich herausstellte. Denn seit bekannt ist, dass die Bäckerei Fleck schließen wird, strömt die Kundschaft noch stärker herein als bisher. Viele äußerten Verständnis für seine Entscheidung, aber noch viel mehr bedauerten es sehr, dass sie künftig auf die Kirta-Nudeln aus dem Hause Fleck verzichten müssen, auf die Vitalsemmeln und auf die Maurerlaiberl, nach dem Rezept von Rainer Flecks Vater. Auf die Elsässer oder Krusties nach eigener Kreation, auf die Bauern- und Selenbrote und auf die Prinzregententorte, die Rainer Fleck nach einem abgewandelten Rezept aus seiner Zeit bei Feinkost Käfer gebacken hat.

Konditor und Bäcker Rainer Fleck

"Das Schöne an meinem Beruf ist ja, dass man jeden Tag ein Erfolgserlebnis hat. Man stellt etwas Schönes her, das auch noch gut schmeckt."

Zum Abschied am 31. Oktober will Rainer Fleck alle Kunden, Nachbarn, Freunde und Geschäftspartner gratis verköstigen mit einem Imbiss mit warmen und kalten Speisen und süßen Desserts. Der Abschied fällt dem 59-jährigen Erdinger sichtlich schwer. Er befinde sich jetzt "im 44. Jahr meines beruflichern Wirkens", habe dabei immer sieben Tage die Woche gearbeitet und er wolle sich jetzt einfach etwas mehr Ruhe gönnen und mehr Zeit für seine Hobby haben: das Reisen, die Jagd und Börsenaktivitäten.

Bäckerei Fleck: Mitarbeiterin Christine Vogl vor dem Brotregal.

Mitarbeiterin Christine Vogl vor dem Brotregal.

(Foto: Renate Schmidt)

Seit über 150 Jahren gibt es an der Haager Straße Haus Nummer 5 eine Bäckerei, erzählt Fleck. Begonnen wurde die Backtradition von der Familie Paukner. Der Bombenangriff 1945 legte das Gebäude in Schutt und Asche. Nach dem Wiederaufbau kam 1948 der Vater von Rainer Fleck aus der Oberpfalz als Lehrling ins Haus. Er war mit dem Inhaberpaar weitschichtig verwandt und machte sich gut. Dort lernte er auch seine spätere Ehefrau kennen, die als Aushilfe angestellt war. Am 1. Mai 1959 übergaben ihm die kinderlosen Paukners das Geschäft, zwei Wochen darauf war Hochzeit.

Bäckerei Fleck: Auf die hausgemachte Ware müssen die Kunden bald verzichten.

Auf die hausgemachte Ware müssen die Kunden bald verzichten.

(Foto: Renate Schmidt)

"Meine zwei Schwestern Bärbel und Elisabeth und ich sind praktisch in der Backstube aufgewachsen", erzählt Rainer Fleck. Schon mit fünf Jahre habe er den Vater zugeschaut, "wie er die Torte einstreicht". Für ihn sei immer klar gewesen: "Ich werde Bäcker." Nach der Realschule hat er zunächst eine Konditorlehre und dann eine Bäckerlehre abgeschlossen. Im Anschluss wurde er unter den Münchner Absolventen gleich Innungsmeister in München. 157 Teilnehmer waren es damals, heute ein unvorstellbar hohe Zahl - Bäckerlehrlinge sind absolute Mangelware. Wenig später wurde Fleck Bayerischer Landessieger und Bundessieger und 1981 dann auch noch beim internationalen Wettbewerb Vize-Weltmeister.

Im Anschluss ging er auf Wanderschaft. Er hatte bei Feinkost Käfer in München die Leitung der Torten- und Dessertabteilung inne. Bei Bäcker Wimmer lernte er sein Bäckerhandwerk, die Meisterschule schloss er als Jahresbester von Bayern ab. 1987 kam der Konditormeister hinzu.

1985 kehrte Rainer Fleck in den elterlichen Betrieb in Erding zurück, 1995 hat er den Betrieb offiziell übernommen. Er ließ einige Umbauten vornehmen, erneuerte Backstube und Laden. Ein Konditorei-Café wie das von Rainer Fleck gibt es mittlerweile in Erdings Innenstadt kaum noch.

In den letzten Jahren habe er immer wieder mal ans Aufhören gedacht, "aber das 60-jährige Betriebsjubiläum wollte ich unbedingt erreichen", sagt der alleinstehende Geschäftsmann. Mit dem neuen Pächter, der Bäckerei Kreitmaier aus Grafing im Landkreis Ebersberg, werde sicher "neuer Schwung" einkehren. Die Backstube allerdings hat er nicht mitverpachtet. Seine Angestellten im Verkauf, einige seit vielen Jahren bei ihm, sind laut Fleck alle untergekommen. "Auch die Bäcker werden sicher etwas finden, sie sind gefragte Leute." Das Schöne an seinem Beruf sei ja, "dass man jeden Tag ein neues Erfolgserlebnis" habe. "Man stellt ja etwas Schönes her, das auch noch gut schmeckt".

"Ich bin einer der letzten der alten Garde", sagt Rainer Fleck, alle anderen Handwerksbetriebe an der Haager Straße hätten aufgehört. So gehörten auch Metzger wie die Metzgerei Mayr direkt auf der anderen Straßenseite zum festen Bild der Haager Straße. Vor kurzem hat der Wirt vom Gasthaus zur Post die Schließung angekündigt. Eine Bäckerei immerhin wird es weiterhin in Haus Nummer 5 geben.

Die Filiale der Bäckerei Fleck an der Alten Römerstraße in Langengeisling will Rainer Fleck weiterführen, allerdings nicht mehr mit eigenen Produkten. Die Semmeln und Kuchen wird dort künftig die Bäckerei Neumaier aus Erding liefern. Nach der Schließung der Bäckerei Fleck ist der Betrieb von Max Neumaier laut Rainer Fleck die einzig noch verbleibende Bäckerei in der Großen Kreisstadt, "die noch vor Ort selbst bäckt".

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