Autobahn 94 durchs Isental:Es geht los

Autobahn 94 durchs Isental: In den kommenden Jahren sollen es noch mehr werden: Schon jetzt sind je 50 Lastwagen von Pastetten bis Dorfen und von Dorfen bis Heldenstein unterwegs.

In den kommenden Jahren sollen es noch mehr werden: Schon jetzt sind je 50 Lastwagen von Pastetten bis Dorfen und von Dorfen bis Heldenstein unterwegs.

(Foto: Renate Schmidt)

Der Lückenschluss der A 94 ist die mit Abstand größte Baustelle im Landkreis. Ein Besuch im Baubüro bei Dorfen, kurz bevor die schweren Arbeiten beginnen

Von Mathias Weber, Dorfen

Die Baustellenmitarbeiter arbeiten selbst noch in einer Baustelle. In dem Containerdorf gleich südlich von Dorfen werkeln die Handwerker, es staubt und es ist laut. Sie sorgen für noch mehr Platz in der Anlage, legen neue Büros in den Containern an, damit am Ende Dutzende Ingenieure und Planer für die kommenden Jahre einen einigermaßen angenehmen Arbeitsplatz haben - auch wenn die Wände nur so dick sind wie Pappe. Wer von diesen Mitarbeitern an einem Südfenster sitzt, der kann den Hang hinunter schauen auf die größte Baustelle des Landkreises, und auf eine der größten Baustellen Bayerns: den Lückenschluss der Autobahn 94. Insgesamt 33 Kilometer werden zwischen den Anschlussstellen Pastetten im Landkreis Erding und Heldenstein im Landkreis Mühldorf gebaut.

Die Container standen auch schon in München

Fast genau in der Mitte der Strecke, am nördlichsten Punkt des Neubaus, wo sich die B 15 bei Dorfen mit der zukünftigen Autobahn kreuzt, dort hat die "Arge A 94 Isentalautobahn", ein Konsortium aus mehreren Firmen, Quartier bezogen. Die Container haben schon eine andere Mega-Baustellen gesehen, sie standen zuvor im Süden Münchens während des Baus des Luise-Kiesselbach-Tunnels. Jetzt begrüßt hier Oliver Lauw Besucher, er ist der kaufmännische Geschäftsführer der Projektgesellschaft, die die Autobahn im Auftrag der Bundesrepublik baut und betreiben wird.

Zuletzt hat er ein Gefängnis in Australien gebaut, jetzt die Autobahn im Isental; er war es, der im Namen der Projektgesellschaft die Unterschrift unter den Vertrag mit der Bundesrepublik gesetzt hat. Niemandem im Containerbürodorf muss man sagen, um welches Projekt es hier geht. Jahrzehntelang umstritten und auf allen möglichen Wegen bekämpft, wird die Autobahn jetzt gebaut. Und - auch das eine Besonderheit und nicht unumstritten - nicht vom Staat selbst, sondern in einer öffentlich-privaten Partnerschaft. Doch den Pastettnern, Dorfnern oder Lengdorfnern entlang der Strecke werden diese Feinheiten mittlerweile egal sein - das ist Geschichte. Sie müssen nun mit der Baustelle leben. Und die ist kaum mehr zu übersehen: Wie ein U-Boot, das langsam aus dem Meer auftaucht und immer größer wird, taucht jetzt die Trasse in der Landschaft auf. Es fahren immer mehr Lastwagen durch die Gegend und es werden Wälder und Felder gerodet.

Die Rodung - eine der ersten Maßnahmen

Aber was passiert da im Moment genau? Erklären kann das der vielleicht wichtigste Mensch auf der Baustelle neben Oliver Lauw: Nikolaus Arndt, der technische Projektleiter der Arge. Der 66-jährige Niederbayer, angestellt bei der Firma Berger-Bau aus Passau, betreut seit Jahrzehnten Projekte im In- und Ausland. Er pendelt jeden Tag 100 Kilometer zur Baustelle; anderen Mitarbeitern wird für die kommenden vier Jahre eine Wohnung oder ein Hotelzimmer im Dorfener Raum gezahlt. Bei Nikolaus Arndt laufen die Fäden an der A 94 zusammen.

Wer mit ihm spricht, der bekommt eine Vorstellung davon, wie kompliziert dieses Bauvorhaben ist; und wie wichtig eine gute Planung ist, fast ebenso wichtig wie der Bau an sich. Noch befindet sich die 33 Kilometer lange Baustelle in der Vorbereitungsphase. Klar, mittlerweile wurde gerodet, die Trasse ist im Landschaftsbild schon zu sehen. Die Rodung als eine der ersten Maßnahmen ist wichtig, weil damit verhindert werden soll, dass Bodenbrüter unter die Räder kommen. "Ich gehe davon aus, dass das gelungen ist", sagt Projektleiter Arndt; bis zu fünf Umweltingenieure achten darauf.

Der normale Verkehr soll nicht beeinträchtigt werden

Anfang April wurde mit der vielleicht wichtigsten Maßnahme, jetzt im ersten Jahr, begonnen: dem Anlegen der Baustraßen. Ein Aspekt, der Lauw und Arndt besonders wichtig ist und auf den sie auch ein bisschen stolz sind. Denn die Baustraßen sind so angelegt, dass sie den normalen Verkehr im südlichen Landkreis kaum beeinträchtigen sollen. Hunderte Lastwagen und Bauarbeiter, die bei voller Auslastung hier arbeiten werden, sollen sich hauptsächlich entlang und auf der Strecke bewegen; und wenn das nicht möglich ist, dann zumindest auf dem übergeordneten Straßennetz und nicht auf kleinen Ortsverbindungsstraßen.

Noch klappt das ganz gut, und auch die Anwohner spielen mit, glaubt der pragmatische Nikolaus Arndt: "Man muss relativieren: Es wird hier zwar gebaut, man hat aber sicherlich nicht die Einschränkungen, wie man sie innerorts hätte. So verhält sich auch die Öffentlichkeit, die drehen nicht durch."

Das ist das Letzte, was die Arge will. Ganz offensichtlich wird versucht, eine gute Beziehung zur Bevölkerung aufzubauen. Das muss sie auch: Im Vertrag ist festgelegt, dass die Arge eine Homepage einrichten muss sowie ein Informationszentrum. Auch für den Besuch der Zeitung nimmt man sich viel Zeit. Und wenn Bürger Probleme melden, so wird versichert, sollen die innerhalb von Stunden gelöst werden. Auch wenn jemand Auskunft will, wann was in seiner Gegend gebaut wird, genügt ein Blick auf den Zeitplan.

58 kleinere Brücken

Der hängt im Besprechungsraum des Containerdorfes und ist für den Laien erst einmal kaum zu durchschauen: Farben, Diagramme, Querschnitte. Auf dieses wandfüllende so genannte Weg-Zeit-Diagramm passt das gesamte Bauvorhaben: Es ist von Anfang an genau durchgeplant, was wann wo stattfindet. Will ein Herr Maier aus Lengdorf zum Beispiel wissen, welche Arbeiten am 4. April 2018 bei ihm ums Eck stattfinden - man könnte ihm das mit einem Blick auf den Plan sagen. Auch Unvorhergesehenes ist da schon eingeplant. Aber: Der Zeitplan ist ambitioniert.

Nach und nach laufen jetzt die wirklich großen Arbeiten an. Eine durchgängige Trasse ohne tiefe Täler und steile Hügel muss entstehen. "In zwei, drei Wochen fangen wir mit dem schweren Erdbau an", sagt Projektleiter Arndt. Dann wird auch der Verkehr an der Strecke zunehmen: Dann wird Erde von den Hügeln abgetragen und in die Täler dazwischen verfüllt - das alles ist schon anhand von 3D-Modellen durchgeplant. Brücken braucht man aber trotzdem; 58 kleinere Brücken über Bäche zum Beispiel werden entstehen sowie vier Großbrücken. Mit dem Buchstaben "K"sind sie im Weg-Zeit-Diagramm vermerkt - "Kunstbauwerke". Viele dieser Brücken werden derzeit schon gebaut, überall an der Strecke ragen Pfahlbaumaschinen in den Himmel, die täglich ein paar Pfähle in das Erdreich drücken, auf denen dann die Brücken ruhen sollen.

Die Autobahndirektion greift ins Tagesgeschäft nicht ein

Vor 50, 60 Jahren hätte man nur Rohre verlegt statt aufwendig Brücken zu bauen. "Im Regelfall wird nicht das technische Minimum gebaut, sondern nach ökologischen Gesichtspunkten geplant", sagt Markus Steinbrecher von der Autobahndirektion Südbayern. Er ist sozusagen der höchstrangige Vertreter des Bundes auf dieser Baustelle, die Autobahndirektion hat ständig einige Mitarbeiter im Baustellenbüro stationiert. Ins Tagesgeschäft der Arge wollen und können sie sich nicht einmischen, aber drauf schauen, was hier passiert, das tun sie schon. "Ich sitze hier mit am Tisch, aber letztendlich steuert der Auftragnehmer die Planungen, wie er es braucht. Wir machen keine Bauleitung oder Überwachung. Aber als Auftraggeber achten wird darauf, dass wir das, was wir eingekauft haben, auch bekommen." Und das muss einiges sein, denn die Kosten werden sich auf rund eine Milliarde Euro belaufen.

Ende 2019, in nur dreieinhalb Jahren, soll die Strecke dann fertig sein. Danach wird die Arge auch für den Betrieb der Autobahn sorgen. Ein so genanntes "Verfügbarkeitsmodell" ist das: Ist die Straße 2019 nicht fertig, also nicht verfügbar, setzt es Strafen. Es ist daher keine Überraschung, wenn Geschäftsführer Lauw sagt: "Wir haben ein hohes Interesse, pünktlich fertig zu werden." Dass das passieren wird, da hat auch Markus Steinbrecher von der Autobahndirektion keine Zweifel. "Es wird nicht so sein, dass man hier noch feucht durchwischen muss. Die Betriebsbereitschaft der Autobahn wird gegeben sein, es liegt im Geschick der Arge, diesen Termin einzuhalten." Und ein bisschen streng sagt er auch: "Die Fertigstellung ist festgelegt für den 31. Oktober 2019. Dann wird hier der Verkehr rollen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: