Auszeichnung des Historischen Vereins:Per Zufall zum Forscherpreis

Eigentlich wollte sich der Hobbyhistoriker Günther Fischer mit seiner eigenen Familiengeschichte beschäftigen. Doch dann stieß er auf die Rottmanner - und deren Schicksale ließen ihn nicht mehr los

Von Gerhard Wilhelm, Hörlkofen

"Geschichte, das ist das meine", sagt Günter Fischer. Der Hörlkofener hat vor kurzem den Forscherpreis des Historischen Vereins Erding gewonnen. Mit einer 150 Seiten umfassenden Arbeit über die mehr als 1000 Jahre währende Geschichte einer Familie, die aus einem Bauernhofes östlich von Hörlkofen stammt: "Die Rottmanner von Rottmann". Das wäre jetzt nichts besonderes, denn Preise haben schon einige junge Geschichtsstudenten erhalten, aber Günter Fischer war bis zu seiner Pensionierung Bundesbahnbeamter. Die Kultur und die Geschichte an einem Ort haben ihn bereits auf seinen Reisen mit seiner Frau immer mehr als die Natur interessiert, sagt der 78-Jährige. Als er dann in Rente war, packte er das Projekt Erforschung der Herkunft seiner Familie an, die letztlich - nach zwei Zufallsbegegnungen - im Forscherpreis 2017 endete.

"Das wichtigste bei so einem Projekt ist Zeit. Deshalb mache ich das erst jetzt", sagt Günter Fischer. Denn bei historischer Forschung gehe es oft wie bei einem Kriminalfall zu. Man verfolge eine Spur, recherchiere in Archiven und manchmal wird man fündig, manchmal endet die Spur aber ergebnislos. Und deshalb war der 78-Jährige oft in den vergangenen 15 Jahren in Archiven unterwegs. Zum Leidwesen seiner Frau Lea. "Dass ich so oft weg gewesen bin, manchmal tagelang, das warf mir meine Frau auch oft vor. Ich würde mich mehr für die Toten als für die Lebenden interessieren."

Guenter Fischer aus Erding

Günter Fischer - neben ihm seien Frau Lea - hat die Geschichte der Rottmanners aufgeschrieben.

(Foto: Stephan Goerlich)

Für die Erforschung seines Stammbaums musste er nämlich bis nach Brünn oder Prag, da Fischer 1939 in Aussig an der Elbe in Böhmen geboren wurde. Nach der Flucht 1946 aus Böhmen kam er mit seiner Mutter und seiner Schwester auf Umwegen nach Haag in Oberbayern zunächst, dann nach Grafing bei Ebersberg. Seit 1972 lebt er in Hörlkofen.

Heute nutzt Günter Fischer gerne das Internet für seine Forschung. "Mittlerweile liegt vieles digitalisiert vor, zum Beispiel Grundbücher, in denen man lesen kann, wer wann welchen Grund gekauft hat." Jetzt ist er zwar öfters zu Hause, aber es gibt trotzdem eine räumliche Trennung - seine Frau ist unten und Günter Fischer oben im Haus, am Computer. "Ohne Internet hätte ich alles niemals zustande gebracht. Oder doppelt oder dreimal so lange gebraucht."

Neben dem Auffinden der Quellen, sei das Lesen der alten Schriftstücke das größte Problem gewesen, sagt der 78-Jährige. Die aus seiner alten Heimat habe er sich übersetzen lassen, und wenn er die Schrift gar nicht entziffern konnte, habe er sich ebenfalls Spezialisten bedient. Die allerdings ebenfalls keine studierten Historiker waren. "Ich bin in einem Familienforscherverein bei der Bahn. Wir kommen einmal im Monat zusammen und wenn einer etwas nicht lesen kann, dann bringt er das Schriftstück mit und dann setzen wir uns zusammen hin. Bei uns ist keiner Spezialist, aber durch viel Übung und Vergleichen kommt man oft darauf, was es heißt."

Auszeichnung des Historischen Vereins: Das alte Bauernhaus auf dem Hof der Familie bei Hörlkofen wurde neu aufgebaut. Andere Gebäude verfallen zusehends.

Das alte Bauernhaus auf dem Hof der Familie bei Hörlkofen wurde neu aufgebaut. Andere Gebäude verfallen zusehends.

(Foto: Renate Schmidt)

Auf die Rottmanner kam Fischer wegen Zufall Eins. "Ich war im Staatsarchiv in Landshut wegen der Vorfahren meiner Frau, die aus der Nähe von Dorfen, aus Wampeltsham kommen. Eines Tages kam eine Frau ins Archiv, die über Rottmann was wissen wollte", sagt er. Und da wurde Fischer erstmals hellhörig. Rottmann sagte ihm was, zu dem Bauernhof Rottmann ist er früher oft mit seiner Familie gewandert. Und tatsächlich wollte die Frau, Eva Knierer, über die selbe Familie Forschungen anstellen. Man vereinbarte, dass er ihr, wenn bei ihm der Name Rottmann bei seiner Familienforschung auftauche, das Material weitergebe. "Aber dann ist soviel zusammen gekommen, dass ich sagte: da muss man eine eigene Geschichte daraus machen."

Zehn Jahre lang, 2016 fast ausschließlich, befasste sich der 78-Jährige mit den Rottmannern. Bis zum Mai 2017. "Dann sagte ich mir, jetzt muss Schluss sein. Ich träumte mittlerweile schon von den Rottmannern". Was auch im Sinne seiner Frau war, die im März schwer gestürzt war und sich unter anderem einen Beckenbruch zugezogen hatte. Fischer beschloss, alles was er hatte, zusammen zu fassen und binden zu lassen. Im Kopiershop war Anton Hirth, dritter Vorstand des Historischen Vereins Erding. Er sah den Titel und riet dem 78-Jährigen, sich an die Vorsitzende Heike Schmidt-Kronseder zu wenden. Die empfahl ihm, sich für den Forscherpreis des Vereins zu bewerbeben. Zufall Zwei. Heike Schmidt-Kronseder sagt, dass die Jury von der akribischen Recherche und dem Schreibstil Fischers fasziniert gewesen sei. "Er hat alle Stellen genau belegt und es ist doch keine Aneinanderreihung von Quellen geworden, sondern ein hoch spannender Text, der Zeitgeschichte, politisch-gesellschaftliche Historie und Bürgergeschichte widerspiegelt." Angesichts der aufwendigen Forschungen sei man auch davon abgewichen, jungen Studenten oder Historikern den Preis zu überreichen. Der Preis ist mit 250 Euro dotiert - ein Betrag, der bei weitem nicht die Kopierkosten für die Dokumente in den Archiven deckt, da Fischer alle relevanten Schriftstücke sich kopieren hat lassen - die Seite für 60 Cent. "Ich wollte nicht nur Abgeschriebenes nach Hause nehmen", sagt der Hobby-Historiker Nachdem für Fischer das Projekt Rottmann zu Ende ist, ist für den 78-Jährigen die eigenen Familiengeschichte wieder relevant. "Väterlicherseits bin ich bis 1650 zurück. Und seit kurzen hab ich im Internet was gefunden, das geht bis 1580 zurück. Allerdings wieder in alter Schrift und Tschechisch." Mütterlicherseits ist er im Jahr 1630 angelangt.

Nachdem er jetzt mehr über das Internet forscht und seine Frau langsam wieder besser gehen kann nach dem Sturz, hofft der 78-Jährige eine andere Leidenschaft wieder aufnehmen zu können: Reisen. Der eine Sohn lebt mit seiner japanischen Frau mittlerweile in Singapur, die Tochter mit Enkelin in Aschaffenburg. Beide wollen die Fischers gerne wieder öfters sehen. 2016 war man nahe dran nach Tokio zu reisen, wo ihr Sohn zuvor mit Familie gelebt hatte, aber dann kam in der Familie der Schwiegertochter ein schwerer Krankheitsfall dazwischen. Und dann kam der Sturz - kurz vor der Goldenen Hochzeit, die ebenfalls flach viel. "Wir waren nahe dran", sagt Günter Fischer. Nächstes Jahr soll es wieder los gehen. Allerdings reizt ihn noch was: "Man könnte hier noch sehr viel erforschen. Wer zum Beispiel waren die ersten Bauern in Hörlkofen . .." Aber da winkt seine Frau Lea schon ab: "Fang nicht schon wieder an."

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