Ausstellung mit Künstlern aus ganz Deutschland:Vielfalt trotz Reduktion

KVE Jahresausstellung 2017

Muss man ganz genau hinsehen: Bunte Miniaturwelten aus Ton zeigt Helga Pelizäus-Hoffmeister.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Jahresausstellung des Ebersberger Kunstvereins präsentiert sich hochwertig und aufgeräumt. Eröffnung ist am Samstag

Von Rita Baedeker, Ebersberg

So schön leer hier, denkt man beim ersten Blick in die Säulenhalle der Alten Brennerei in Ebersberg. Viel Raum, viel Luft, viel Wand. Die von Hubert Maier und Maja Ott sowie der Jury verantwortete Hängung der zur Jahresausstellung des Kunstvereins eingereichten Arbeiten wirkt dieses Mal besonders großzügig und aufgeräumt, und das nicht nur im Foyer. Es gibt zwischen den Exponaten Ruheinseln fürs Auge, und man hat Muße, sich zu konzentrieren und dievielen inhaltlichen oder formalen Verbindungen zwischen einzelnen Werken zu studieren.

Aus 183 Bewerbungen aus dem ganzen Land hat die fünfköpfige Jury 37 ausgewählt. "Der Andrang war enorm", sagt Hubert Maier, was auch daran liege, dass man sich seit vergangenem Jahr mit Fotos bewerben könne und nicht mehr mit einem Original unterm Arm nach Ebersberg fahren müsse. "Es wurde dieses Mal sehr streng juriert", fügt er hinzu, "der übereinstimmende Wunsch war, zu straffen." Deshalb seien von etlichen Künstlern gleich mehrere Bilder genommen worden. Dies ist eine Entscheidung, die der Betrachter nur begrüßen kann; denn sie verstärkt Wirkung und Qualität der Ausstellung und vertieft den Eindruck, den der Besucher von dem jeweiligen Künstler und seiner Arbeitsweise gewinnt, auch erschließen sich Vergleiche und Zusammenhänge.

Das in Großbuchstaben geschriebene "JA" als Kürzel für die Jahresausstellung könnte man als Bekenntnis zur Reduktion werten. Es stimmt ja: Weniger ist oft mehr! Dabei hat jeder Raum einen anderen Charakter; unterschwellig, mehr fühl-, als fassbar, lassen sich allerlei Querverbindungen entdecken. Auffallend ist ein Faible vieler Künstler für ausgefallene Bildinhalte und Themen. Neben Bildhauerei und Malerei, die infolge der verwendeten Materialien oder auch in ihrer plastischen Wirkung häufig die Grenze zur Bildhauerei überschreitet, sind in der Ausstellung Installation, Fotografie, Video, Zeichnung, Collage und Textilien vertreten. Manches, was es da zu sehen gibt, hat doppelten Boden, anderes ist auf Reduktion getrimmt.

Eyecatcher in der Säulenhalle ist der "Apfelbutzen" von Reinhard Mader, Bildhauer aus Tittling bei Passau. Er hat aus einem dicken Baumstamm ein eineinhalb Meter hohes, "abgegessenes" Kernhaus geschnitten. So wird der verschmähte Apfelrest in seiner dem Verfall und der Fäulnis überantworteten schäbigen Unvollkommenheit künstlerisch zu einem Ganzen. Das Foyer der Alten Brennerei ist ansonsten der Malerei vorbehalten, darunter zwei Ölbildern der Kölnerin und Folkwang-Absolventin Angelika Oedingen. Eine Entdeckung ist die junge Mainzer Künstlergruppe Baart, die in Foto- und Videoarbeiten Chiffren indischen Alltagslebens auf originelle Art verarbeitet hat.

Besonders stolz ist Maier auf den Westraum mit seiner weitgehend auf schwarz und weiß reduzierten Farbigkeit. Zwei Bildhauerarbeiten dominieren. Da ist einmal die im klassischen Stil gearbeitete Statue "Tanz mit dem Unbekannten" von Nikolai von Magnus im Stil einer stehenden Pietà, bei der die weibliche aus Lindenholz geschnittene und weiß wie Marmor bemalte Figur jedoch kein Christuskind, sondern einen riesigen Hasen im Arm hält. Mit dieser klassischen Figur korrespondiert auf beinahe geheimnisvolle Weise die Plastik "Kleber-Univers" von Andreas Mitterer. Das Material, perforierte Autoreifen, Stahl und LED-Leuchten, hat mit der Holzstatue nichts gemein, dennoch weisen beider Silhouetten eine Verwandtschaft auf.

Reduktion herrscht im oberen Stockwerk. Hier faszinieren den Betrachter drei Arbeiten von Andrea Mähner, die einen Widerspruch in sich vereinen. Mähner hat drei Papierquader unter einen Glassturz gelegt, Würfel mit seltsamen haarigen Auswüchsen: Unter dem Titel "Ordnung ist das halbe Leben" hat sie einen der Würfel mit den Schnurrhaaren von Katzen, den zweiten mit rot gefärbtem Menschenhaar bestückt. Im Kontrast von strenger Geometrie und der Anmutung von Wildnis (des Haarwuchses) liegt Spannung: Ordnung ist eben nur das halbe Leben. Den dritten Quader, "Linientreu Nr. 13", hat die Künstlerin mit ihrem eigenen Haar bestickt, und zwar in exakt berechneten Dreiecken. Hier wird das Prinzip Ordnung auf die Spitze getrieben.

Mit Staunen und auch Freude nimmt man beim Rundgang zur Kenntnis, dass die Jury auch drei wunderschöne Gouachen der in Freising lebenden britischen Illustratorin Taciana Ottowitz angenommen hat. Ottowitz genoss eine Ausbildung zur botanischen Illustratorin in den Royal Botanic Gardens in London. Faszinierend fein im Strich und farblich facettenreich hat sie das Gefieder der Sumpfeule, den bunten Kolibri, Falter und Schnecke gestaltet. Sie steht mit ihrer Arbeit in der Tradition einer Maria Sibylla Merian und der überaus reichen botanischen Kunst Englands.

Trotz der quantitativen Beschränkung ist die Vielfalt dieser Ausstellung beeindruckend. Eine Einladung, Neues zu entdecken, ist auch das Buch von Björn Ludger Nonhoff, der zum Atelierclub Moosach gehört. Nonhoff ist ein Geschichtenerzähler, seine Zeichnungen sind eine Liebeserklärung an das Medium Papier. Damit der Betrachter damit ebenso sorgsam umgeht wie der Künstler selbst, liegen weiße Handschuhe bereit. Die kleine Zeremonie ist ein Akt der Wertschätzung, die man dieser Ausstellung entgegenbringen sollte.

Die Jahresausstellung des Kunstvereins wird am Samstag, 11. März, 18 Uhr, mit der Juroren-Ausstellung im Grundbuchamt, Bahnhofstraße 19, eröffnet. Vernissage in der Alten Brennerei ist um 19.30 Uhr. Künstlergespräch und Finissage sind am Sonntag, 9. April, um 16 Uhr. Die Arbeiten in der Alten Brennerei kann man freitags von 18 bis 20, samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr besichtigen. Das Grundbuchamt ist geöffnet am Samstag und Sonntag, jeweils 14 bis 18 Uhr.

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