Süddeutsche Zeitung

Auf Wahlkampftour:Zuhören statt Reden halten

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Natascha Kohnen war am Dienstagabend mit ihrem Format "Kohnen Plus" in Erding zu Gast. Im Gespräch mit Werner Meier besprach sie unter anderem die Eingleisigkeit der Politik und die Aufgabe der SPD

Von Sophia Belliveau, Erding

"Über Gott und die Welt" haben Natascha Kohnen und Musikkabarettist Werner Meier am Dienstag in der Gruberei in Erding gesprochen. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Kohnen Plus" reist die Landesvorsitzende der SPD gerade durch Bayern. Dies macht sie "nicht in erster Linie um Reden zu halten, sondern um Gespräche zu führen, Fragen zu stellen und zuzuhören". Von 19 Uhr bis 21.30 Uhr unterhielten sich Kohnen und Meier mit der Moderatorin, der Erdinger SPD Landtagskandidatin Gertrud Eichinger. In der letzten halben Stunde nahmen sie Fragen und Anmerkungen des Publikums entgegen.

Kohnen betonte immer wieder, dass sie den politischen Diskurs in Deutschland für zu einseitig halte. Es gebe doch so viele Themen, die die Bürger interessieren würden. So müsse man in Erding beispielsweise mehr über die Problematik des Wohnungsbaus und den geplanten Ringschluss diskutieren. Zudem würden sich viele Menschen fragen: "Gibt es meinen Job in 20 Jahren überhaupt noch? Kann ich mir meine Wohnung eigentlich noch leisten?" Die Politik würde den Deutschen keinen Optimismus vermitteln sondern Perspektivlosigkeit verbreiten. "Diese Themen bespricht aber niemand, es geht immer nur um Flucht und Migration."

Auch die Ausdrücke, die im Zusammenhang mit Flüchtlingen verwendet werden, hält Kohnen für unpassend. Meist würden nämlich "Wasser-Worte" verwendet. "Flüchtlingsstrom, Migrationswelle, Dammbruch - damit verbinden die Leute automatisch etwas Negatives." Von dieser Rhetorik müsse man sich entfernen. Werner Meier pflichtete dem bei und bemerkte, dass das Prinzip der "Solidarität heutzutage komplett verloren gegangen ist". Es tue sich ein Riss in der Gesellschaft auf, der wieder geschlossen werden müsse. Kohnen betonte, dass sie in der Politik großen Wert auf Anstand, Respekt und Dankbarkeit gegenüber ihren Mitmenschen lege.

Es sei wichtig, dass sich die Menschen im Alltag mehr mit Politik beschäftigen, sagt Kohnen. Sie forderte die rund 50 Zuhörer dazu auf, offen mit Nachbarn oder Freunden über wichtige Themen zu diskutieren. Eine Frau aus dem Publikum bemerkte daraufhin, dass sie häufig gar nicht wisse, woran die SPD arbeite und wofür sie stehe. Kohnen stimmte ihr zu. Die SPD müsse mit mehr Stolz auftreten und sich stärker gegen die anderen Parteien durchsetzen. "Niemand wählt eine Partei, die jammert."

Natascha Kohnens Meinung zur dritten Startbahn am Münchner Flughafen interessierte das Publikums ebenfalls. Hier stimme sie mit Horst Schmidt, dem Fraktionsvorsitzenden der SPD in Erding, überein, sagte sie: "Ich bin dagegen. Die Stadt hält nicht jedes Wachstum aus, die Leute können auch nicht mehr." Einen Kontrast zu den schwierigen Gesprächsthemen bot Werner Meier, indem er drei Lieder aus seinem Musikkabarett-Programm spielte. Diese hatten jedoch auch einen Bezug zur Unterhaltung. In der "Multikulti-Bar" Camillo in Ottenhofen säßen Menschen aus vielen Ländern zusammen und erst das mache es dort so schön. Auch Bayern wäre nur so herrlich, weil es von Leuten unterschiedlicher Herkunft bereichert werde.

Kohnens Wahlkampf für die Landtagswahl hat mit ihren Kohnen-Plus-Gesprächen bereits begonnen. Am Ende der Veranstaltung äußerte ein Mann aus dem Publikum den Wunsch, dass Erding als "Initialzünder" für ein besseres Wahlergebnis der SPD in Bayern dienen würde. Dann richtete er sich an den Rest der Anwesenden: "In der kommenden Woche macht jeder von uns jeden Tag etwas für die SPD." Die Erdinger sollen nicht vergessen, dass sie alle eine Stimme und die Möglichkeit, etwas zu bewirken, haben, betonte Natascha Kohnen.

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Quelle:
SZ vom 19.07.2018
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