Auch außerhalb der normalen Bürozeiten:Erste Hilfe für die Seele

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Seit Dezember vergangenen Jahres ist der Landkreis Erding an den Krisendienst Psychiatrie angebunden. Die Caritas vermeldet seit der Einführung 68 Einsätze. Der Bezirk Oberbayern organisiert den Betrieb und den Ausbau

Von Regina Bluhme, Erding

0180/655 3000: Unter dieser Nummer ist der Krisendienst Oberbayern zu erreichen. Hier erhalten Menschen in seelischer Notlage telefonisch Erste Hilfe - auch außerhalb der allgemeinen Büro- und Sprechzeiten. Dieses Angebot der Regierung von Oberbayern wurde im vergangenen Dezember im Landkreis Erding eingeführt. "Eine gute Sache", lobt Alfons Kühnstetter, Leiter des sozialpsychiatrischen Diensts der Caritas in Erding. Denn wie bei körperlichen Problemen gelte auch bei seelischen Nöten: Je schneller die Hilfe, umso besser. 68 Mal war die Erdinger Bereitschaft bereits im Einsatz.

Manchmal kommt die Krise schleichend, manchmal trifft sie einen wie ein Schlag, plötzlich weiß der Betroffene nicht mehr weiter, ist verwirrt oder total aufgedreht, kann den Alltag einfach nicht mehr bewältigen oder denkt sogar an Selbstmord. So schildert Alfons Kühnstetter die Symptome der Betroffenen.

Krisen halten sich nun mal nicht an die Bürozeiten. Die Leitstelle des Krisendiensts in München ist täglich von 9 bis 24 Uhr besetzt. Dort haben Betroffene, aber auch verzweifelte Angehörige, einen professionellen Ansprechpartner, der zuhört, der beruhigt, Fragen klärt, berät oder an Fachdienste oder Kliniken vermittelt. 90 Prozent der Anfragen können vom Fachpersonal der Zentrale in München abgeklärt werden, zehn Prozent werden an die lokale Krisenstelle vermittelt, ist bei Kühnstetter zu erfahren. Er vermeldet für den Landkreis Erding bislang 68 Einsätze seit der Einführung im Dezember.

Der Krisendienst im Landkreis Erding ist täglich bis 21 Uhr besetzt "mit erfahrenen Kräften", wie Kühnstetter betont, darunter Psychologen, Sozial- und Heilpädagogen und Fachkrankenpfleger. Vieles, aber nicht alles, lasse sich am Telefon abklären. Manchmal müsse der Bereitschaftsdienst vor Ort vorbeischauen. "Wir fahren mit dem Auto ohne Blaulicht vor - und das ist für einige eine Erleichterung", berichtet Kühnstetter. Denn noch immer seien psychologische Erkrankungen ein Tabu. Die Betroffenen oder deren Angehörigen fürchten eine Stigmatisierung, wenn die Nachbarn den Notarzt oder die Polizei vor dem Haus sehen, weiß Kühnstetter.

Der Krisendienst sei eine "gute Sache", lobt der Caritas-Mitarbeiter. "Für sehr viele bietet er eine ganz große Hilfe." Und das sehr zeitnah. "Der Vorteil ist, dass hier sehr schnell in psychischen Drucksituationen professionelle Ansprechpartner zur Verfügung stehen." Wie bei körperlichen Problemen gelte auch bei seelischen Notfällen, sich möglichst frühzeitig Hilfe zu holen.

Rund 7,4 Millionen Euro investiert der Bezirk pro Jahr in den Aufbau und Betrieb des Krisendiensts. Ab Oktober ist auch die Region Ingolstadt angebunden und somit ganz Oberbayern, schreibt Bezirk-Pressesprecherin Constanze Mauermayer auf Nachfrage. Der Bedarf ist da: Von April 2016 bis Mai 2017 hätten sich insgesamt bereits rund 17 000 Menschen an den Krisendienst gewandt.

Ein "Zukunftsziel", so Kühnstetter, wäre freilich ein 24 Stunden Krisendienst, sieben Tage die Woche. In diese Richtung gebe es derzeit keine Überlegung, heißt es im Schreiben der Pressestelle. Einen Wunsch hätte Alfons Kühnstetter noch: "Eine stärkere Ausstattung des Landkreises mit Fachpraxen wäre durchaus wünschenswert." Die Wartezeiten für Erstgespräche bei Psychotherapeuten betragen im Landkreis Erding circa vier Wochen.

Unter der Telefonnummer 0180/655 3000 ist die Leitstelle des Krisendiensts Psychiatrie täglich von 9 bis 24 Uhr zu erreichen. Der Erdinger Krisendienst hat täglich bis 21 Uhr in Bereitschaft, auch an Sonn- und Feiertagen.

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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