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Arbeiten und Leben im Landkreis Erding:Pendeln frisst Wohnkostenvorteil auf

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Untersuchung bescheinigt Erding zwar geringere Mieten und Immobilienpreise gegenüber München. Dafür sind die Fahrzeiten und -kosten im Vergleich zu anderen Regionslandkreisen viel höher

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Die Zahl der Pendler in Deutschland steigt kontinuierlich, da das Leben in Großstädten wie München für viele nicht mehr bezahlbar ist. Mit 60 Prozent Auspendlern bei rund 60 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt Erding genau im bundesweiten Trend. Die meisten von ihnen haben ihre Arbeitsstelle in der Stadt München. Das Immobilienforschungsinstitut F+B hat sich nun die Situation für Pendler in 24 deutschen Großstädten genauer angesehen, inwieweit sich ein Umzug ins Umland lohnt. Für Erding ist die Bilanz gespalten. Zwar schneidet der Landkreis im Vergleich der Wohnkosten zu München gut ab. Doch was die Dauer und Länge sowie die Kosten für die Fahrt nach München betrifft eher schlecht im Vergleich zu anderen Landkreisen um die Landeshauptstadt.

Der häufigste Grund, warum Menschen eine längere Distanz zwischen Wohnort und Arbeitsplatz in Kauf nehmen, ist die Wohnungssituation in München. Die neuen Jobs entstehen in der boomenden Metropolenregion, aber auch die Mietpreise und die Preise für Wohnungseigentum steigen drastisch. Um zu sehen, ob sich tatsächlich ein Umzug ins Umland rentiert, haben die Experten unter anderem die Wohnkosten im Umland mit denen in der Stadt verglichen. Anschließend haben sie Fahrtkosten und Zeitaufwand berechnet.

Für Erding kommt dabei ein sehr günstiger Wert heraus: Der Kaufpreisvorteil für eine Eigentumswohnung gegenüber der Landeshauptstadt München beträgt nach der Untersuchung von F+B 40,32 Prozent, bei den Mieten beträgt der Vorteil noch 33,55 Prozent. "Die steigenden Mieten und Wohnungspreise in München haben in den vergangenen Jahren viele Menschen aus der Stadt getrieben, sodass inzwischen auch die Umlandregionen nicht mehr wirklich günstig sind", sagt Manfred Neuhöfer, Projektleiter von F+B. Die Kaufpreisvorteile in den Umlandgebieten lägen deshalb im Schnitt nur noch bei München bei 30 Prozent.

Doch während Erding in Sachen Wohnen recht günstig abschneidet, sieht es beim Thema Pendelzeiten und -kosten ganz anders aus. Die Pendelzeit sei laut Neuhöfer ein Faktor, der oft zu wenig berücksichtigt werde. Viele Menschen würden ins Umland ziehen, weil sie sich dort eine größere Wohnung oder sogar ein Haus mit Garten leisten könnten. "Doch der große Nachteil ist dabei der Verlust an Lebenszeit", sagt Neuhöfer. Mehr als jeder vierte Erwerbstätige braucht heute länger als eine halbe Stunde zur Arbeit. Auf ein Arbeitsleben gerechnet macht das mehr als ein Jahr Pendelei.

Erding ist dabei im Vergleich zum ebenfalls untersuchten Freising, Dachau, Fürstenfeldbruck oder Starnberg am Schluss der Skala: Wer nach der Studie mit dem Auto nach München pendle, brauche - inklusive Staus - 50,95 Minuten, bei einer Entfernung von 45 Kilometern bis zu Innenstadt, so die Untersuchung. Mit dem ÖPNV sind es sogar 52,65 Minuten. Zum Vergleich: Von Freising aus braucht man mit dem Auto 45,95 Minuten von Starnberg 36,95 Minuten. Mit dem ÖPNV sind es 28,06 Minuten beziehungsweise 22,06 Minuten. Die Distanz beträgt bei Freising 40 Kilometer, bei Starnberg sind es 27 Kilometer.

Aber auch die Kosten für den Weg nach München sind bei Erding höher - wenn man den MVV benutzt: Die Ticketkosten pro Jahr liegen nach der Untersuchung von F+B bei 2102,20 Euro. Genauso viel zahlt ein Freisinger Pendler. 1533,60 Euro muss der Starnberger bezahlen. Bei den Kosten für die Pendlerei mit dem Auto pro Jahr ist es umgekehrt. Zwar ist das Auto weitaus teurer als der ÖPNV, aber ein Erdinger muss für die Benutzung eines Golf für die Fahrt abzüglich Pendlerpauschale 3990 Euro zahlen, der Freisinger 4320 und der Starnberger 5178 Euro.

Um die tatsächlichen Fahrzeiten zu ermitteln, haben die Forscher von F+B Stauzeiten des Kartenanbieters Inrix den Autofahrzeiten hinzuaddiert. Bei den Zugverbindungen griffen sie auf Verspätungsdaten von regionalen Verkehrsverbünden zurück.

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Quelle:
SZ vom 05.01.2019
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