Arbeit:Von wegen Schreckgespenst

Gewerkschaft zieht nach einem Jahr Mindestlohn eine positive Bilanz

Ein Jahr nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro zieht die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) für den Landkreis Erding eine positive Bilanz. "Zum ersten Mal haben alle Beschäftigten einen festen Lohnsockel unter den Füßen - von der Küchenhilfe bis zur Verkäuferin im Backshop: Wer arbeitet, muss dafür mindestens 8,50 Euro pro Stunde bekommen", erklärt Georg Schneider in einer Pressemitteilung. Für den Geschäftsführer der NGG Rosenheim-Oberbayern ist der gesetzliche Mindestlohn der "Einstieg in den Lohn-Aufstieg für Menschen, die zuvor mit Niedrigstlöhnen abgespeist wurden". Vom "Schreckgespenst Mindestlohn", vor dem die Arbeitgeber auch im Landkreis Erding noch vor einem Jahr gewarnt hätten, sei nichts übrig geblieben: Der Mindestlohn sei weder "Konjunktur-Bremser" noch "gefährlicher Job-Killer".

Die NGG legte dazu eine aktuelle "Mindestlohn-Analyse" vor, die das Pestel-Institut (Hannover) im Auftrag der Gewerkschaft gemacht hat. Die Wissenschaftler werteten dabei auch die Beschäftigungssituation im Landkreis Erding aus: "Anstatt Servicekräfte oder Küchenpersonal zu entlassen, haben Hotels, Pensionen, Restaurants und Gaststätten neue Kräfte eingestellt. Insgesamt arbeiteten dort im Juni vergangenen Jahres immerhin 2260 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte - und damit 5,5 Prozent mehr als noch im Vergleichsmonat des Vorjahres, als es den gesetzlichen Mindestlohn noch nicht gab", erklärt Schneider.

Nach Angaben der NGG Rosenheim-Oberbayern hat der Mindestlohn zudem dazu geführt, dass etliche Arbeitgeber aus Mini-Jobs reguläre Stellen gemacht hätten. Das gelte nicht nur für die Gastro-Branche. Viele Mini-Jobs seien besonders schlecht bezahlt worden. Durch den Mindestlohn seien die Mini-Jobber über die 450-Euro-Grenze gerutscht und hätten jetzt sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. "Diese Menschen haben damit etwas Besseres als den Mini-Job. Das ist ein Riesenerfolg", schreibt Georg Schneider.

Dabei habe die Arbeitslosigkeit im "Mindestlohn-Jahr 2015" sogar abgenommen: Im Dezember, so die NGG, waren 1330 Menschen im Landkreis Erding ohne Beschäftigung - und damit 7,5 Prozent weniger als noch ein Jahr zuvor. Auch die Beschäftigtenzahl insgesamt habe sich mit dem gesetzlichen Mindestlohn positiv entwickelt: Im Sommer des vergangenen Jahres gab es im Landkreis rund 1300 Menschen mehr, die einen Job hatten, als noch im Sommer des Vorjahres, so die Gewerkschaft.

Und der Mindestlohn müsse noch steigen: Ziel der NGG ist es, ihn möglichst rasch in einem ersten Schritt auf zehn Euro pro Stunde anzuheben. Für die Gewerkschaft ist eine Erhöhung des Mindestlohns nur konsequent. Das zeige auch eine Renten-Berechnung des Bundesarbeitsministeriums: Um eine Rente von mindestens 769 Euro pro Monat - also gerade einmal die Grundsicherung im Alter - zu bekommen, müsse ein Beschäftigter mindestens 11,50 Euro pro Stunde verdienen. Und das 45 Jahre lang bei einer Vollzeitstelle. "Ein Leben lang arbeiten und dann doch nur 'Alters-Hartz-IV' bekommen - das kann und das darf es nicht sein", schreibt Georg Schneider.

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