Anzinger Weinbeisser:Conny geht

Weinbeisser - Conny Hoffmann

Intendant Conny Hoffmann kehrt seiner Kleinkunstbühne, dem Anzinger Weinbeisser, aus Altersgründen den Rücken.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Vor 30 Jahren hat Conny Hoffmann den Weinbeisser in Anzing eröffnet und hunderte Größen auf seine Kleinkunstbühne geholt. Nun hört er als Intendant auf - nicht nur aus Altergründen.

Von Anja Blum, Anzing

Der Weinbeisser verliert seine gute Seele: Conny Hoffmann, der Gründer und Intendant dieser wunderbaren Kleinkunstbühne in Anzing, nimmt seinen berühmten schwarzen Hut. Mit dem guten, alten Zither-Manä hat er gerade seinen endgültig letzten Abend über die Bühne gebracht. Ob aber der vergleichsweise neue Wirt beziehungsweise Pächter, ein Münchner Gastronom, einen anderen Veranstalter finden oder gar selbst ein Programm auf die Beine stellen können wird, ist fraglich, Hoffmanns Entscheidung auch noch zu frisch.

Er hat also nun beschlossen, sein "Ehrenamt" als Intendant des Weinbeissers zu beenden, das Gästebuch zuzuklappen - obwohl die Veranstaltungen bis zuletzt meist ausverkauft waren. Das ist höchst bedauerlich, aber gleichsam verständlich: Auf seinem nächsten Geburtstagskuchen müssten, so man in derart bestücken wollte, 80 Kerzen brennen. Und um die Gesundheit ist es auch nicht mehr allerbestens bestellt.

"Man wird halt nicht jünger", sagt Conny Hoffmann und lächelt tapfer. Hinzu kommt, dass der Weinbeisser sozusagen sein Baby ist, er also durchaus konkrete Vorstellungen von dessen Betrieb zu haben pflegt. "Das ist nicht irgendein Lokal, sondern eine Institution", sagt er mit Nachdruck - aber das verstehe eben nicht jeder. Deswegen falle ihm der Abschied nun auch nicht allzu schwer.

Doch ob das wirklich stimmt? Kaum zu glauben. Schließlich hat Hoffmann dem Weinbeisser fast sein halbes Leben gewidmet. Vor 30 Jahren hat er ihn eröffnet, als urgemütliche Weinstube mit köstlichen Brotzeitbrettln und der "kleinsten Bühne der Welt", wie sich der Weinbeisser damals stolz nannte. Auf nur einem guten Quadratmeter spielten die Künstler - vorzugsweise Kabarettisten und Musiker - hier, zwischen Ofen und Tischen, stets auf Augenhöhe und Tuchfühlung mit dem Publikum.

Viele große Namen konnte Hoffmann nach Anzing locken, entdeckte mit seinem hervorragenden Gespür aber auch so manches Talent, das erst später die großen Säle füllte. Schnell traf sich in der Anzinger Bühne ein treues Stammpublikum, das die hohe Kunst und vor allem auch die ungezwungene Atmosphäre dort schätzte, für nicht wenige Gäste wurde die Stube auf dem Böglhof über die Jahre zum zweiten Wohnzimmer. Für all das verantwortlich zeichnete Hoffmann als Wirt und Intendant in Personalunion: Man ging einfach "zum Conny", der für jeden ein schönes Plätzchen, einen guten Tropfen und ein liebes Wort übrig hatte.

Er arbeitete mit Heinz Erhard, David Copperfield und vielen Größen mehr

Vermutlich ist es so, dass auch Hoffmann selbst in Anzing jene Heimat fand, die ein unstetes, aufregendes, kreatives Leben braucht. Seine eigentlichen Wurzeln nämlich musste er früh kappen: Geboren und aufgewachsen ist Hoffmann in Halle an der Saale, also in der ehemaligen DDR - mit einem frühen Drang hin zum Theater, wie er erzählt. Da aber seine Familie "sehr unpolitisch" gewesen sei, der Vater betrieb ein privates Fotogeschäft, durfte der Sohn nicht studieren.

Also absolvierte er eine Ausbildung zum Handpuppenspieler sowie eine zum Feinmechaniker im Bereich Kameras, und verbrachte seine freie Zeit am Stadttheater: Bühne fegen, Kabel aufrollen, mal eine Requisite herbeischaffen. Mit 17 dann ging Hoffmann an eine Defa-Schule in Berlin, ließ sich dort zum Kameramann ausbilden.

"Damals konnte man in Berlin noch mehr oder weniger problemlos vom Osten in den Westen gehen", erzählt er, eine Möglichkeit, von der der junge Mann rege Gebrauch machte. "Schaufenster gucken und so, das war ja alles so interessant." Die DDR-Machtapparat aber habe die Familie ohnehin im Visier gehabt und einen Spitzel auf den Sohn angesetzt. Der fand irgendeinen Vorwand - Wohnungsdurchsuchung, Arrest und ein Verhör waren die Folgen.

"Und da hat es bei mir klick gemacht": An Silvester 1958 überquerte Conny Hoffmann die Straße in den Westen Berlins ein letztes Mal, es gab kein Zurück mehr. "Für meine Eltern ist natürlich eine Welt zusammengebrochen", sagt er, "ich war der einzige Sohn." Außerdem sei der Vater danach enteignet worden. Und kurz darauf verstorben.

Begegnungen mit Gustaf Gründgens

Beruflich aber erwies sich die Flucht für den jungen Hoffmann als gute Entscheidung: In den CCC-Studios bei Artur "Atze" Brauner konnte er sich als Beleuchter die ersten paar West-Mark verdienen - und diverse Größen kennenlernen. Heinz Erhard zum Beispiel steht dem Anzinger heute noch vor Augen, wie er zwischen den Dreharbeiten einen launigen Vierzeiler über den Alten Fritz zum Besten gab. "Das war einfach ganz eine andere Atmosphäre als in der DDR", sagt Hoffmann, und seine Augen strahlen noch heute.

Seine nächste Station war Düsseldorf, wo er Bekannte hatte, am dortigen Schauspielhaus durfte er den großen Gustaf Gründgens erleben. Und so ging es weiter, in Bremen, in Ulm, an diversen Bühnen Berlins und zuletzt am Deutschen Theater in München, wo Hoffmann 25 Jahre lang als Chef für Technik und Beleuchtung verantwortlich war.

Allerdings ließ er sich jedes Jahr drei Monate "Gastierurlaub" geben, um nebenher selbständig arbeiten zu können. Für den Bayerischen Rundfunk etwa, oder an der Freilichtbühne in Wunsiedel. Mit dem Kanadischen Nationalballett war Hoffmann auf Europatournee, er half David Copperfield, seinen berühmten Flugtrick in Szene zu setzen und war mit Maria Rökk, Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin, und ihrem bunten Operettenprogramm unterwegs. "Einmal sah ich, wie der Tänzer bei einer langen Hebefigur furchtbar schwitzte, und hatte schon Sorge, dass ich gleich Ärger bekäme wegen einer völlig überhitzten Bühne", erinnert sich Hoffmann. Im Rausgehen dann aber habe die Rökk zu ihrem Partner gesagt: "Verzeihung! Die letzten Tropfen bring ich auf Toilette." Hoffmann grinst.

Sehr, sehr viel zu erzählen hat er, kein Wunder, 60 Jahre Bühne liegen hinter ihm, mit allen Höhen und Tiefen. Fast wie nebenbei hat er drei Kinder gezeugt, die ihm sieben Enkel schenkten, und ein kleines Lokal eröffnet. Eigentlich hatte Hoffmann nur ein Depot in Anzing gesucht, für den vielen guten Wein vom Schwager aus Südtirol. Doch aus dem Lager wurde schnell der Weinbeisser - und aus diesem eine Heimat.

Langweilig wird es Hoffmann indes auch ohne die Kleinkunstbühne vermutlich nicht werden. Zu gerne genießt er seine Zeit, im Chiemgau oder in Südtirol, außerdem möchte er sich gerne mal wieder als Dokumentarfilmer betätigen. Für die Giesinger Brauerei zum Beispiel: Bereits deren ersten Wandel von der Garagenfirma zum amtlichen Bräustüberl habe er filmisch begleitet, nun werde sich das Unternehmen erneut vergrößern, erzählt er. "Und da will ich wieder mit der Kamera dabei sein." Klar, denn die Füße hochlegen, das kann er später ja immer noch.

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