Anweisung der neuen Geschäftsleitung:Flurschaden in Wartenberg

Ob die Aktivitäten des im Ort beliebten Vereins Chroma weiter gehen, ist ungewiss

Von Gerhard Wilhelm, Wartenberg

Wer die Internetseite des gemeinnützigen Vereins Chroma in Wartenberg aufruft, erhält die Meldung "Offline" aufgrund von Wartungsarbeiten. "Wir sind gleich wieder da." Ob das stimmt, ist in der Gemeinde derzeit fraglich. Zu viel ist passiert. Der Verein zur Förderung von chronisch mehrfach beeinträchtigen Alkoholabhängigen wird derzeit aufgelöst. Auf Anweisung der neuen Geschäftsleitung des Hauses Wartenberg, wie es von Vereinsseite heißt. Warum, weiß keiner so Recht. "Mir ist völlig unklar, warum ohne Not eine so erfolgreiche und gewachsene Struktur, die für die Gemeinde und viele Wartenberger Bürger so hilfreich geworden ist, aufgelöst wird", sagt Bürgermeister Manfred Ranft. Jürgen Hörschläger, Geschäftsführer von "STZ Soziotherapeutische Zentren Heide", die das Haus Wartenberg betreibt, schrieb der Erdinger SZ auf Nachfage, dass die Tätigkeiten des Vereins nur "kurzfristig unterbrochen" worden seien, damit sich die neue Leitung in Wartenberg einen Überblick verschaffen konnte. Bald werde "alles wieder seinen gewohnten Gang gehen". Ranft hat seine Zweifel: "Es wurde schon viel Flurschaden angerichtet."

Anweisung der neuen Geschäftsleitung: Das Therapiezentrum "Haus Wartenberg" betreut chronisch mehrfach beeinträchtigte, alkoholabhängige und medikamentenabhängige Menschen. Nicht nur wegen seiner Arbeiten,die die Patienten ausführen, ist der Verein Chroma im Markt beliebt.

Das Therapiezentrum "Haus Wartenberg" betreut chronisch mehrfach beeinträchtigte, alkoholabhängige und medikamentenabhängige Menschen. Nicht nur wegen seiner Arbeiten,die die Patienten ausführen, ist der Verein Chroma im Markt beliebt.

(Foto: Renate Schmidt)

So hohe Wertschätzung hatte das Haus Wartenberg nicht immer. Als 2007 bekannt wurde, dass ein soziotherapeutisches Heim für chronisch mehrfach beeinträchtigte alkoholabhängige und medikamentenabhängige Menschen in die Gemeinde kommen soll, gab es im Ort jede Menge Unruhe. Das Haus Wartenberg besteht aus einem soziotherapeutischen Heim für chronisch mehrfach beeinträchtigte Alkoholabhängige mit Heimplätzen sowie einer angeschlossenen Übergangseinrichtung. Seit Juni 2012 gibt es auch eine therapeutische Wohngemeinschaft und seit 2017 ein intensiv betreute Soziotherapie. Der Träger der Einrichtung ist die STZ Heide GmbH. Ziel der Soziotherapie ist, die Betroffenen dabei zu unterstützen, ein Leben ohne Alkohol zufrieden gestalten zu können. Sie sollen Zeit bekommen, wieder stabil abstinent und so weit wie möglich gesund zu werden.

Anweisung der neuen Geschäftsleitung: Die Webseite von Chroma ist derzeit nicht erreichbar.

Die Webseite von Chroma ist derzeit nicht erreichbar.

(Foto: oh)

Teil der Therapie war bisher auch die Arbeit in den Werkstätten. Da das Haus selber wirtschaftlich nicht tätig sein darf, wurde der gemeinnützige Verein Chroma gegründet. Ziel war, die Patienten eine sinnvolle Tätigkeit ausführen und gleichzeitig ihnen einen gewissen, wenn auch geringen Lohn zukommen zu lassen, indem die erzeugten Produkte verkauft und Arbeitsleistungen nach außen vergeben wurden. Gewinne waren kein Ziel. Bis vor einem Jahr gab es dafür die Kreativwerkstatt von Chroma an der Thenner Straße, seit 2018 ist sie in einer angemieteten Halle in unmittelbarer Nähe des Therapiezentrums an der Straße Am Kleinfeld. In der Metallwerkstatt wurde beispielsweise Dekoratives für Haus und Garten sowie moderne Sakralkunst produziert und in der Holzwerkstatt aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz große und kleine Objekte hergestellt, die Funktion mit Dekoration verbinden wollen. Außerdem gibt es eine Schneiderei, einen Garten- und auch einen sehr beliebten Bügelservice. Im Zuverdienstbereich werden für externe Firmen Montage-, Verpackungs- oder Sortierungsarbeiten angeboten. Chroma hat mit seinem "Integrationsprojekt Strogenanger" 2018 sogar den mit 3000 Euro dotierten ersten Preis des Flughafens München im Rahmen seiner Prämierung von außergewöhnlichen sozialen Projekten in der Airportregion erhalten.

Anweisung der neuen Geschäftsleitung: Zwei Mal wurde schon ein Seifenkistenrennen organisiert.

Zwei Mal wurde schon ein Seifenkistenrennen organisiert.

(Foto: Renate Schmidt)

Heute ist der Verein kaum mehr aus der Marktgemeinde wegzudenken. Sei es als Helfer in der Gemeinde auf dem Friedhof, als Gärtner, Schreiner, Bügler oder auch seit 2017 als Veranstalter mit den Wartenberger Soafakistlrennen. "Was die Mitarbeiter von Chroma geleistet haben, ist toll und hat maßgeblich zur gelungenen Integration der Menschen im Markt beigetragen", sagt Bürgermeister Ranft. Für seinen gepflegten Friedhof sei die Gemeinde sogar schon ausgezeichnet worden.

Anweisung der neuen Geschäftsleitung: Der ausrangierte Bus, der zum Verkaufsraum umgebaut werden sollte, musste nach dem Leitungswechsel im Haus weggegeben werden. Im Bus: Nick Bornmann, zweiter Vorsitzender von Chroma.

Der ausrangierte Bus, der zum Verkaufsraum umgebaut werden sollte, musste nach dem Leitungswechsel im Haus weggegeben werden. Im Bus: Nick Bornmann, zweiter Vorsitzender von Chroma.

(Foto: privat)

Die STZ-Geschäftsleitung sieht zwar auch, dass die Tätigkeiten des Vereins zur "Wertschätzung und Akzeptanz" geführt und sich über Jahre "gute Beziehungen der Bewohner und Betreuer zur Gemeinde" aufgebaut haben. Für die Menschen in der Gemeinde Wartenberg sei aber "nicht immer klar ersichtlich, ob eine Aktivität oder Dienstleistung nun vom Verein oder von den Bewohnern und Arbeitstherapeuten der STZ durchgeführt wurde", schreibt Jürgen Hörschläger. Das sieht der Bürgermeister anders: "Jeder wusste, das hinter Chroma das Therapiezentrum steckt. Da können Sie in der Gemeinde fast jeden fragen."

Die Geschäftsführung sieht aber die Therapie ausschließlich in der Hand des Hauses Wartenberg: "Aktivitäten, an denen Bewohnerinnen und Bewohner des STZ beteiligt sind, werden von der Einrichtung im Rahmen der Arbeitstherapie und Tagesgestaltung ausschließlich nach therapeutischen Gesichtspunkten durchgeführt und beaufsichtigt. Sie können niemals in der Verantwortung des Vereins liegen." Die Geschäftsleitung schreibt weiter: "Das neue Leitungsteam des STZ Haus Wartenberg hat fest zugesagt, die bewährten und beliebten Aktivitäten in der Gemeinde wieder aufzunehmen."

In der Gemeinde fragt man sich, warum dann erst alle Beziehungen abgebrochen wurden und es die Auskunft gab, dass alle externen Tätigkeiten eingestellt werden. "Der Gemeinde ist der Vertrag mit Chroma zum 30. November gekündigt worden", sagt Manfred Ranft. Und frühere "Kunden" des Vereins wurde gesagt, dass alles eingestellt werde,

Christian Pröbst, Dritter Bürgermeister und zum Liquidator des Vereins Chroma bestimmt, ist über eine andere Aussage der Geschäftsleitung erstaunt: "Auf die Entscheidungen der Mitglieder des Chroma e.V. haben wir als eine andere Rechtspersönlichkeit leider keinen Einfluss. Wir versuchen aber, diejenigen Mitglieder, die gleichzeitig auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des STZ sind, dahingehend zu motivieren, den Verein weiter mit Leben zu erfüllen oder nach Auflösung einen neuen Unterstützungsverein als ,Gemeinschaft der Freunde des Therapiezentrums Wartenberg' für die Aktivitäten zu gründen. Wir bedauern den Wirbel sehr, den unsere notwendigen Entscheidungen verursacht haben, hatten aber als verantwortliche Therapeuten und Unternehmer situationsbezogen keine andere Wahl."

"Grundsätzlich finde ich es schade, dass das so abgelaufen ist und der Verein aufgelöst werden soll, da er eine gute Arbeit geliefert und sehr zur Integration beigetragen", sagt Pröbst. Vor allem mit dem Hintergrund, dass die Geschäftsführung die Mitglieder "motivieren" wolle, den Verein weiter am Leben zu erhalten. Wie es weiter geht, dazu will Christian Pröbst erst dann konkrete Aussagen machen, wenn er sich beide Seiten angehört habe und die umfangreichen Unterlagen, die er vom Verein bekommen habe, gelesen habe.

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