Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht:Zweifel führen zur Einstellung

Schäden am Auto passen nicht zum Vorwurf, eine Radlerin fahrlässig im Kreisverkehr zu Sturz gebracht zu haben

Von Gerhard Wilhelm, Erding

In manchen Fällen haben Richter schon im Vorfeld Zweifel, ob es überhaupt zu einer Verurteilung des Angeklagten kommen wird - auch wenn sie zunächst den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft mitgetragen haben. Im jüngsten Fall, der am Mittwoch am Amtsgericht Erding verhandelt wurde, ging es um einen Unfall, bei dem eine Radfahrerin im Kreisverkehr stürzte und sich einen Bruch des linken Ellbogens zuzog. Angeklagt war eine 34-jährige Autofahrerin wegen fahrlässiger Körperverletzung. Sie soll die Radlerin zu Sturz gebracht haben. Nach der kurzen Beweisaufnahme musste auch die Staatsanwältin zugeben, dass einiges nicht zusammenpasst zwischen Schadensbild und Aussagen. Zudem waren alle Zeugen, auch die Radfahrerin, die die Frau belastet hatten, unentschuldigt nicht vor Gericht erschienen. Amtsrichterin Michaela Wawerla stellte daraufhin das Verfahren ein.

Der Unfall hatte sich gegen 19.35 Uhr am 20. März diesen Jahres ereignet. Die Angeklagte war zusammen mit einer Freundin auf der Münchner Straße in Erding unterwegs. Sie wollten nach eigenen Aussagen zum McDonald's im Gewerbegebiet. Als sie in den Kreisverkehr zur Dachauer Straße eingefahren sei, habe sie plötzlich links aus dem Augenwinkel heraus eine Radlerin gesehen, sagte die Angeklagte aus. Sie habe sofort gebremst, aber die Radlerin sei weiter gefahren und gegen die linke Seite ihres Autos geprallt und gestürzt. Nicht sie habe die Fahrradfahrern angefahren, es sei umgekehrt gewesen.

Sie beide seien sofort aus dem Auto und haben der Frau helfen wollen. Doch diese habe das nicht gewollt. Man solle sie nicht anfassen und in Ruhe lassen. Und auch nicht die Polizei rufen, was die Angeklagte eigentlich vor hatte. Die Frau habe deutlich nach Alkohol gerochen und am Boden hätten etliche zerbrochene Glasflaschen gelegen, sagte die 34-Jährige aus. Und ihre Freundin bestätigte dies. Dann sei die Frau weitergefahren.

Die Angeklagte beschloss dennoch, zur Polizei zu fahren und den Unfall anzuzeigen. Dort habe man ihr nach der Aussage und dem Ansehen des Schaden an ihrem Auto gesagt, dass die Radfahrerin "amtsbekannt" wegen Drogen und Alkohol sei. Die 34-Jährige habe alles richtig gemacht. Was die Angeklagte auch so sah: "Ich habe sie nicht erfasst", sagte sie vor Gericht.

Über den Vornamen und der Mobilfunknummer, die die Angeklagte zumindest von der gestürzten Radlerin erfahren hatte, hatte die Polizei schnell die Identität der Frau herausgefunden. Nach dem Protokoll der Polizei fuhr eine Streife gegen 19.58 Uhr zur Wohnung der Radlerin. Ein Alkoholtest im Krankenhaus erbrachte, dass sie zum Zeitpunkt des Unfalls höchsten um 0,4 Promille hatte. Von einem Bruch des linken Ellenbogens war da noch nicht die Rede. Als die Polizei sie dann später noch mal vernehmen wollte, war sie nicht mehr erreichbar. Erst nach Ostern, das Anfang April war, wieder. In der Zwischenzeit sei der Bruch festgestellt worden und sie habe deshalb operiert werden müssen, gab sie an. Abersie habe keine Strafanzeige gestellt, wie im Protokoll der Polizei steht, aus dem die Richterin vorlas.

Die Strafanzeige stellte aber die Staatsanwaltschaft, da zwei weitere Zeugen des Unfalls bei der Polizei ausgesagt hatten, dass sich die Radlerin ordnungsgemäß im Kreisverkehr verhalten habe. Sie sei am Rand der Straße gefahren und habe Zeichen geben, dass sie aus dem Kreisverkehr wollte. Was dann aber exakt passierte, konnten die beiden Zeugen, die in einem Auto saßen, nicht genau sehen. Vermutlich habe das Auto das Hinterrad der Radlerin erfasst und sie sei deshalb gestürzt. Doch dann hätte die rechte Seite des Autos und nicht die linke beschädigt sein müssen.

Angesichts des Widerspruchs wurde das Verfahren eingestellt. "Sie haben richtig gehandelt, dass sie gleich zur Polizei gingen", sagte die Amtsrichterin zur Angeklagten.

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SZ vom 21.10.2021
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