Prozess in Erding:Von Körperverletzung bis Hausfriedensbruch

Prozess in Erding: Verhandelt wurde der Fall im Sitzungssaal 3 im Amtsgericht Erding.

Verhandelt wurde der Fall im Sitzungssaal 3 im Amtsgericht Erding.

(Foto: Stephan Görlich)

Ein 24-jähriger Angeklagter muss sich wegen diverser Straftaten am Amtsgericht Erding verantworten. Unter anderem soll er auch Kontaktverbote ignoriert und seine Ex-Frau gestalkt haben.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Die Anklageschrift, die die Staatsanwältin vorlas, umfasste vier Seiten. Und die Liste der Straftaten, die der 24-jährige Angeklagte begangen haben soll, war dementsprechend umfangreich: Stalking, Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz, Bedrohung, Beleidigung, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Nötigung. In manchen Punkten sogar mehrfach. Sein Opfer: seine frühere Ehefrau. Der Angeklagte sagte aus, eine falsche Behauptung einer anderen Frau sei Auslöser von allem gewesen, vor allem der Trennung. Er habe ihr dies immer nur klarmachen wollen. Jetzt glaube ihm seine Ex-Frau aber, dass er sie nie betrogen habe und alles sei wieder in Ordnung. Sie seien jetzt wieder ein Paar. Sie selber konnte am Verhandlungstag wegen einer Prüfung nicht anwesend sein und muss nun am Dienstag, 28. März, vor Gericht aussagen.

Nach zwei von zehn Zeugenaussagen hatte Richter Andreas Wassermann dem 24-Jährigen nahegelegt, sein "Aussageverhalten" zu überdenken. Denn es sehe "böse" für ihn aus, wenn er dabei bleibe, dass er nichts von dem getan habe, was ihm vorgeworfen werde. Ja, er sei bei ihr immer wieder erschienen, habe sie abgepasst, aber nur, um einen großen Irrtum zu berichtigen, der letztendlich zur Scheidung geführt habe, sagte der Angeklagte. Eine Schulkollegin hatte behauptet, dass sie Sex mit ihm gehabt habe. Dass dies nicht stimmt, habe diese inzwischen in Anwesenheit seiner Ex-Frau zugegeben. Seit sechs Monaten sei er jetzt sogar wieder mit seiner Ex-Frau zusammen. Immer wieder beteuerte der 24-Jährige, dass man doch sie selber fragen möge, ob dies stimmt. Wegen einer Prüfung hatte sie sich kurzfristig am Gericht für ihr Nichtkommen als Zeugin entschuldigt.

Der Angeklagte durfte sich ihr nicht weiter als bis auf 100 Meter nähern

Geheiratet hatten beide im Oktober 2019, die Scheidung war ein Jahr später. Bereits im Februar 2020 hatte es das erste Kontaktverbot nach dem Gewaltschutzgesetz gegen den Angeklagten gegeben. Das zweite folgte im August 2021. Er durfte sich ihr nicht weiter als bis auf 100 Meter nähern und keinerlei Kontakt aufnehmen. Doch das störte den 24-Jährigen überhaupt nicht, wie mehrere Polizeibeamte, die ermittelnden, oder vor Ort bei Verstößen Anwesende aussagten. Sogar ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 Euro wurde einmal gegen ihn verhängt.

Von Juli bis November 2021 kam es zu diversen, teils heftigen Auseinandersetzungen. Dass der Angeklagte bei der Wohnung ihrer Eltern, wo sie damals wohnte, erschien und sogar einmal über ein Fenster eindrang, war fast an der Tagesordnung. In einigen der Fälle gab es sogar Zeugen. Der Vater der jungen Frau schilderte, wie der Angeklagte über das Fenster ins Zimmer seiner Tochter gekommen sei. Sie habe um Hilfe gerufen, und er habe den Angeklagten dann festgehalten bis die Polizei kam. Er habe zudem gehört, wie er sie beleidigte.

Der Lokführer einer S-Bahn war in einem anderen Fall der Retter

Den zweiten Fall schilderte der Betreuer der Frau. Er helfe seit zehn Jahren Asylbewerbern in Flüchtlingsheimen, sagte der 76-Jährige. Von dort kenne er sie. Er habe alles, was damals vorgefallen sei, was er selber beobachtet und von ihr erzählt bekommen habe, dokumentiert. Und sie habe dies auf sein Anraten auch gemacht, um es bei der Polizei verwenden zu können. Er sei ihr einmal am Bahnhof Erding zu Hilfe geeilt. Sie habe damals mit der S-Bahn nach München zur Schule fahren wollen, als er plötzlich aufgetaucht sei. Damit er nicht die Adresse der Schule erfährt, habe er sie gefahren. Bei der Abfahrt habe der Angeklagte sie beschimpft und er habe gedacht, dass der Angeklagte sein Auto gleich demoliert. Auch habe er gesehen, dass der 24-Jährige ihr an ihrem Haus aufgelauert habe.

Der Lokführer einer S-Bahn war in einem anderen Fall der Retter. Diesmal war ihr Betreuer nicht da, als der Angeklagte mit in die S2 stieg. Im Zug kam es wieder zum Streit, weil sie in Ruhe gelassen werden wollte. Dabei, so die Anklageschrift, beleidigte er sie als "Hure" und "Schlampe" und drohte, sie zu töten. Passagiere schritten zum Glück ein und der Lokführer nahm sie zu ihrer Sicherheit im Führerstand mit, bis die DB Bahnsicherheit kam.

Nach den Kenntnissen eines Beamten sollen sie tatsächlich wieder ein Paar sein

Bis zum vorletzten Zeugen sagten Eltern, Betreuer und ermittelnde Beamte unisono aus, dass die Frau keinen Kontakt mehr wolle. Eineinhalb Jahre lang wohnte sie wegen der Nachstellungen in einem Münchner Frauenhaus, seit zwei Monaten habe sie eine Einzimmerwohnung, sagte der Betreuer. Auf die Frage, ob sie, so wie der Angeklagte es sagt, wieder mit ihm was zu tun haben wolle, antwortete der 76-Jährige entschieden: "Nein. Im Gegenteil." Auch ihre Eltern sagten, dass sie ihre Ruhe haben wolle. Der vorletzte Zeuge, ein Polizeibeamter, hatte zwei Dinge zu berichten: Nach seiner letzten Kenntnis ist 2023 wieder ein Strafantrag gegen den Angeklagten von der Frau gestellt worden. Wieder wegen Bedrohung. Bei ihrer Vernehmung habe sie seiner Kenntnis nach angegeben, "aktuell wieder ein Paar zu sein".

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