Amtsgericht:Komplizierte asylrechtliche Situation

Nigerianer widersetzt sich seiner Abschiebung und wird zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt

Von Thomas Daller, Erding/Flughafen

Ein 26-jähriger Nigerianer hat sich im November vergangenen Jahres seiner Abschiebung nach Italien am Flughafen widersetzt. Einem Bundespolizisten, der ihn am Flugzeug aus dem Auto holen wollte, hat er sogar versucht, in die Hand zu beißen. Dafür wurde er nun zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt; aber eigentlich hätte er gar nicht abgeschoben werden dürfen: Der Bescheid war noch nicht rechtskräftig; zudem ist der Mann Vater eines Babys, Mutter und Kind leben in Deutschland. Die Dublin 3-Verordnung sieht vor, dass Familien nicht getrennt werden dürfen.

Der Mann war aus Nigeria geflohen, weil man ihm dort mit dem Tod gedroht habe, sagte er am Amtsgericht Erding aus. Er sei durch Libyen geflohen und 2016 dann übers Mittelmeer nach Italien. Unterwegs habe er seine Lebensgefährtin kennengelernt, sie sei dann weiter nach Deutschland geflohen, wo sie im Januar 2017 ihr Baby zur Welt gebracht habe. Er sei dann ebenfalls von Italien nach Deutschland gereist, um bei seiner Familie zu sein.

Seine Lebensgefährtin ist mittlerweile als Flüchtling anerkannt und kann mit ihrem Kind bleiben, er lebt wieder in der Flüchtlingsunterkunft in Fürstenfeldbruck, von wo aus er am 28. November 2018 abgeschoben werden sollte. Vier Beamte der Fürstenfeldbrucker Polizei hatten ihn morgens um 5 Uhr aus dem Bett geholt und ihm mitgeteilt, dass er nun nach Mailand abgeschoben werde. Ursprünglich soll sich der Mann kooperativ verhalten haben, bis er am Flughafen der Bundespolizei übergeben wurde. Die Bundespolizisten brachten ihn mit dem Auto aufs Rollfeld, übergaben seine Papiere dem Flugkapitän und forderten ihn dann auf, auszusteigen und an Bord des Flugzeugs zu gehen. Er weigerte sich, sagte, er wolle zu seinem Baby und hielt sich mit den Händen am Gitter des Polizeifahrzeugs fest. Als ein Beamter versuchte, seine Hände zu lösen, versuchte er ihm in die Hand zu beißen. Ein anderer Polizist sah das und warnte seinen Kollegen rechtzeitig.

Als sich der Nigerianer auch noch mit beiden Füßen im Auto einspreizte, brach man die Rückführung ab. Da es ein unbegleiteter Rückflug sein sollte, wollte man nicht riskieren, dass er an Bord randalierte. Den Abbruch realisierte der Nigerianer jedoch nicht und wehrte sich weiter mit Händen und Füßen. Daraufhin wurde er gefesselt, bekam eine Spuckschutzmaske und wurde einen Monat in Untersuchungshaft gesteckt.

Vor Gericht wirkte er kleinlaut, gab die Anklage zu und sagte, es tue ihm leid. Er sei in Panik geraten, weil er nicht von seiner Familie getrennt werden wollte. Die Polizisten, die als Zeugen gehört wurden, bestätigten, dass er immer wieder von seinem Baby gesprochen habe, das er sehen wolle.

Die Staatsanwaltschaft forderte sechs Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung. Strafmildernd sei dabei zu werten, dass er bereits einen Monat in Untersuchungshaft gewesen und er durch die familiäre Situation aufgebracht gewesen sei.

Seine Verteidigerin zog die Rechtsstaatlichkeit der Abschiebung in Zweifel. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) habe zwar den Asylantrag ihres Mandanten abgelehnt, er befinde sich jedoch am Beginn des Klageverfahrens. Der Dublin-Bescheid sei somit noch nicht rechtskräftig gewesen. Hinzu komme, dass im Asylverfahren bekannt gewesen sei, dass er ein Kind habe. Die Anerkennung der Vaterschaft habe sich jedoch verzögert, weil ihr Mandant damals längere Zeit wegen einer Hepatitis-Erkrankung im Krankenhaus gewesen sei. Die Vaterschaftsanerkennungsurkunde und die Sorgerechtserklärung längen aber mittlerweile vor. Die asylrechtliche Situation sei kompliziert gewesen, was sie jedoch nicht den Polizeibeamten anlasten wolle. Angesichts dieser Umstände halte sie jedoch eine Geldstrafe in Höhe von nicht mehr als 40 Tagessätzen für angemessen.

Richter Andreas Wassermann verurteilte den Angeklagten wegen Widerstand und tätlichem Angriff auf Vollzugsbeamte zu sechs Monaten Freiheitsstrafe zur Bewährung. Unabhängig von den Bescheiden im Asylverfahren hätten sich die Beamten rechtmäßig verhalten und der Angeklagte habe versucht, sie zu beißen und anzuspucken. Sein Motiv, beim Baby zu bleiben, sei allerdings nachvollziehbar. Deshalb sei er nur zu sechs Monaten verurteilt worden; "üblich wären neun bis zwölf Monate bei einem Ersttäter". Wassermann empfahl ihm, Deutsch zu lernen und sich um seine Familie zu kümmern.

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