Amtsgericht Erding:Widersprüchliche Zeugen

Prozess wegen Herbstfest-Watsche gegen Geldauflage eingestellt

Von Thomas Daller, Erding

Welcher Volksfestbesucher kennt die Situation nicht: Tische und Bänke sind so eng aufgestellt, dass man selbst bei der kleinsten Gestik unweigerlich den Hintermann mit dem Ellbogen rammt und der mit seinem dicken Hintern halb auf der eigenen Bank sitzt. Beim Erdinger Herbstfest hat so eine Konstellation nicht zum ersten Mal zur Eskalation und dann zu einem Prozess am Amtsgericht geführt - wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Ungewöhnlich daran: So kategorisch klafften Zeugenaussagen selten auseinander.

Herbstfesteröffnungstag vergangenen Jahres, 31. August 2018, etwa 22 Uhr im Biergarten des Weißbräuzelts, an der Grenze zum Fischerzelt: Der Angeklagte, ein Schreiner aus Erding, Mitte vierzig, seine langjährige Freundin, ein Bekannter, und ein Italiener aus Padua, der zufällig mit dabei sitzt, teilen sich einen Tisch. Rücken an Rücken zu ihnen sitzen ein Student und erfolgreicher Kampfsportlehrer, dessen Freundin und ein Freund. Es hat Ärger gegeben, nach dem anfangs geschildertem Muster; Stinkefinger, angebliche Beleidigungen. Laut Anklage soll der Kampfsportlehrer mit seinem Freund danach den Tisch verlassen haben, weil sich die Situation hochschaukelte. Der Angeklagte sei ihm gefolgt und habe ihm von hinten einen Schlag auf die linke Gesichtshälfte gegeben. Anstatt zurückzuschlagen habe der Kampfsportlehrer auf die Security gewartet, und dann auf die Polizei. Der Strafbefehl gegen den Angeklagten lautete auf 3200 Euro wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Dagegen legte der Schreiner Einspruch ein, deswegen wurde der Fall vor dem Erdinger Amtsgericht verhandelt.

Der Angeklagte sagte, der Student sei vorher an seinen Tisch gekommen und habe ihn mehrfach aufgefordert, mit ihm vors Zelt zu gehen, um "es auszumachen". Er sei mitgegangen, um mit ihm zu reden. Auf dem Weg nach draußen habe jemand hinter ihm, über seine Schulter hinweg, den Studenten geohrfeigt. Hinter ihm seien mehrere Personen gestanden, wer es gewesen sei, wisse er nicht.

Der Student und Kampfsportler bestritt jegliche Provokation. Im Gegenteil: Er habe die Situation am Tisch verlassen wollen, weil er eine Eskalation befürchtet habe. Er habe auch den Schlag weggesteckt, ohne sich zu wehren, weil er im Kampfsport gelernt habe, in solchen Situationen ruhig zu bleiben. Für die besonnene Reaktion des Studenten sprach, dass er lediglich eine Maß getrunken hatte, der Schreiner hingegen drei.

Die Freundin des Angeklagten behauptete, sie habe das Geschehen genau beobachtet und sie sei sich sicher, ihr Freund habe nicht zugeschlagen. Die Freundin des Kampfsportlers sagte hingegen, sie habe den Schlag gesehen; "hundertprozentig". Und der Freund des Angeklagten konnte sich an nichts mehr erinnern: Er habe zu dem Zeitpunkt bereits sechs Maß intus gehabt.

Richter Andreas Wassermann fand eine Lösung, der alle Beteiligten zustimmen konnten. Anstatt weitere Zeugen zu laden, darunter den Italiener aus Padua, schlug er vor, das Verfahren gegen eine Geldauflage einzustellen. Statt 3200 Euro sollte der Angeklagte 1500 Euro an die Klinikclowns zahlen und damit als nicht vorbestraft gelten.

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