Amtsgericht Erding:Unreifes Auftreten

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Ein 19-Jähriger muss sich vor Gericht wegen zweier Körperverletzungen rechtfertigen. In der Verhandlung pflaumt er auch den Richter an, der ihm deshalb einen "Schuss vor dem Bug" erteilt

Von Gerhard Wilhelm, Erding

So recht hat es der 19-jährige wohl bis zum Schluss der Verhandlung nicht eingesehen, warum er vor Gericht steht, schließlich habe er doch die Schlägerei in der Nähe des Erdinger Kinos nicht angefangen. Nach Befragung von vier Zeugen war sich Amtsrichter Michael Lefkaditis aber sicher, dass der 19-Jährige beide ihm vorgeworfenen Körperverletzungen begangen hat. Warum es zu der Auseinandersetzung gekommen war, blieb aber im Dunklen. Das Verhalten des 19-Jährigen bei der Schlägerei und vor Gericht ließen den Amtsrichter zu dem Schluss kommen, dass er einen Schuss vor den Bug und weitere Hilfe brauche, um sein impulshaftes Verhalten in Griff zu bekommen und erwachsener zu werden. Er verurteilte ihn zu einem Freizeitarrest, 20 Stunden Beratungsgesprächen und 600 Euro Geldstrafe.

Nur einen Teil des handfesten Streits schilderten unbeteiligte Zeugen vor Gericht. Der Angeklagte und der geschädigte 27-Jährige haben sich demnach im Mai dieses Jahres am Boden geprügelt, sagte ein Zeuge, der damals in dem Lebensmittelmarkt unter dem Kino beim Einkaufen war. Als er dazwischen gehen wollte, habe ihm eine junge Frau gesagt, er solle sich raushalten. Andere hätten die beiden Streithähne getrennt. Kurz danach habe er gesehen, wie der Geschädigte plötzlich wieder am Boden gelegen habe. Warum, das habe er aber nicht mitbekommen. Dafür hatte dies ein anderer Zeuge gesehen, der zufällig vorbeigefahren ist. Er schilderte, dass der Angeklagte von hinten an den Geschädigten herangetreten sei und ihm einen heftigen Faustschlag gegen die Schläfe verpasst habe. Der geschlagene 27-Jährige sei vornüber zu Boden gefallen.

Der Anfang und der Grund der Schlägerei blieb unbekannt. Der 27-Jährige sagte, er könne sich nur erinnern, dass der Angeklagte über die Straße gekommen sei und ohne etwas zu sagen angefangen habe, ihn zu schlagen. Daraufhin sei es zu einer Rangelei am Boden gekommen. Dann erinnere er sich nur noch an die Polizei und einen Rettungswagen. Den Angeklagten kenne er zwar, aber er habe nie engen Kontakt zu ihm gehabt. Und er habe "wirklich" keine Ahnung, warum der 19-Jährige die Schlägerei angefangen habe, bei der er Platzwunden an der Lippe und unter einem Auge sowie Prellungen erlitten hat und kurzzeitig Blut spuckte.

Seine Freundin schilderte den Ablauf ähnlich, auf jeden Fall habe der Angeklagte angefangen. Für sie habe der 19-Jährige völlig neben sich gewirkt. Sie habe ihn von ihrem Freund wegziehen wollen und ihm deshalb auch Tritte in die Seite verpasst, aber erst als andere eingegriffen hätten, habe er aufgehört - und ihr dann eine Ohrfeige verpasst. Auch sie sagte, sie wisse nicht, weshalb er ihren Freund angegriffen habe. An den Schlag, der ihren Freund dann zu Boden schickte, konnte sie sich nicht erinnern. Sie sei viel zu hysterisch und besorgt um ihren Freund gewesen, der blutend und röchelnd am Boden gelegen habe.

Der 19-Jährige wollte erst gar nichts sagen, dann aber sagte er, er habe nur auf einen Faustschlag des anderen regiert, mehr nicht. Den Geschädigten und seine Freundin habe er zufällig getroffen. Als Begründung für den Streit nannte er "etwas persönliches", mehr sage er nicht. Und weil Lefkaditis währenddessen in Akten blätterte, blaffte der 19-Jährige ihn an: "Hören Sie mir überhaupt zu?" Seine Verteidigerin bat daraufhin um eine Pause, um mit ihm zu reden. Danach unterließ der 19-Jährige weiter Aussagen.

Durch dieses "Anpflaumen" des Amtsrichters sahen sich Jugendgerichtshilfe und Lefkaditis bestätigte, dass bei dem 19-Jährigen "keine Erwachsenreife" zu erkennen sei. Dass die Gründe für die Schlägerei nicht bekannt werden sollen, sei "zu akzeptieren", nicht aber dass der Angeklagte sein impulsive Art nicht kontrollieren könne. Der Freizeitarrest sei notwendig, um ein "deutliches Zeichen" zu setzen.

© SZ vom 14.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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