Amtsgericht Erding Gehbehinderter Mann fühlt sich wegen Knöllchen diskriminiert

Lesezeit: 3 Min.

Am Parkplatz am Ende der Straße Am Gries ist Parken zu festgelegten Zeiten in der Woche nur für Inhaber von Monats- oder Jahresparkkarten der Stadt Erding erlaubt.
Am Parkplatz am Ende der Straße Am Gries ist Parken zu festgelegten Zeiten in der Woche nur für Inhaber von Monats- oder Jahresparkkarten der Stadt Erding erlaubt. (Foto: Stephan Görlich)

Ein 47-Jähriger zahlt mit Verweis auf seinen Schwerbehindertenausweis einen Strafzettel nicht. Die Sache landet vor Gericht. Das Verfahren wird eingestellt, doch so eindeutig ist Angelegenheit dann doch nicht.

Von Regina Bluhme, Erding

Ursprünglich ging es um einem Strafzettel in Höhe von zehn Euro, aber für einen gehbehinderten Mann aus Erding ging es um viel mehr: Der 47-Jährige fühlte sich diskriminiert und bestand mit Verweis auf seinen Schwerbehindertenausweis darauf, dass das Ordnungsamt ihm Anfang Februar zu Unrecht ein Knöllchen auf dem Parkplatz an der Straße Am Gries verpasst hat. Nun wurde sein Widerspruch gegen den Bußgeldbescheid am Amtsgericht Erding verhandelt. Das Verfahren wurde letztlich eingestellt.

Am Abend des 5. Februar dieses Jahres stellte der 47-Jährige sein Auto auf der Parkfläche am Gries gegenüber seiner Wohnung ab. Auf dem Armaturenbrett habe er gut sichtbar den blauen Parkausweis für Schwerbehinderte ausgelegt, erklärte der Technische Regierungsoberrat vor Gericht. Am nächsten Tag entdeckte er das Knöllchen hinter seinem Scheibenwischer. Eindeutig zu Unrecht, ist der Erdinger überzeugt. Der blaue Ausweis berechtige ihn dazu, auf gebührenpflichtigen und zeitlich eingeschränkten Parkplätzen oder Parkflächen zu parken, und zwar ohne Gebührenentrichtung und ohne zeitliche Begrenzung.

Ganz so eindeutig ist die Lage am Gries aber nicht, erklärte Richter Michael Lefkaditis. Es sei richtig, dass Besitzer des blauen Schwerbehindertenausweises von der Gebührenpflicht auf Parkplätzen ausgenommen sind. Nur: bei der Fläche am Gries handelt sich um eine Art Sonderfall – hier werden keine Parkgebühren verlangt, es gibt auch keinen Gebührenautomaten vor Ort. Ausgeschildert ist eine zeitliche Begrenzung (Montag bis Freitag acht bis 18 Uhr und Samstag acht bis 12.30 Uhr) sowie der Hinweis „Nur mit Monats- und Jahreskarten der Stadt Erding“. Eigentlich handelt es sich somit nicht um einen gebührenpflichtigen Parkplatz, sondern um „eine Parkfläche, der die Stadt die Nutzung mit Monats- und Jahreskarten zugeordnet hat“, so Lefkaditis. Daher komme seiner Ansicht nach die Berechtigung des Ausweises hier nicht zum Tragen.

In der Gebührenordnung der Stadt wird die Parkfläche am Gries jedoch offiziell und schwarz auf weiß unter den gebührenpflichtigen Parkplätzen geführt. Darauf verwiesen sowohl der 47-Jährige als auch der Richter. Das sei doch „sehr missverständlich ausgedrückt“, erklärte Lefkaditis, womöglich sollte die Stadt sich überlegen, die Satzung abzuändern, um weiteren Missverständnissen vorzubeugen.

Es folgte eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Mitarbeiter des Ordnungsamts

Der 47-Jährige betonte in der Verhandlung mehrfach, dass die Stadt rechtswidrig gehandelt habe. Anfang März habe er sich in der Angelegenheit sogar an die Bayerische Staatsregierung gewandt, die ihn ans Landratsamt Erding verwies. Dort wiederum hieß es, die Regierung von Oberbayern, Abteilung Straßenverkehrsrecht, sei zuständig, so schilderte er es im Gerichtssaal. Auf eine Antwort warte er heute noch.

Anfang März reichte er zudem eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Stadt Erding ein. Sie richtete sich gegen den Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamts, der das Knöllchen verteilt hatte, „wegen des Verdachts der behindertenfeindlich motivierten Diskriminierung bei der Ausübung seiner dienstlichen Aufgaben“, wie er in dem Schreiben an die Stadt formuliert (das Schreiben liegt der SZ vor).

Der OB spricht von „gravierenden Vorwürfen“, die nicht den Tatsachen entsprächen

Allgemein sei zu konstatieren, schreibt der Erdinger weiter, dass es aufgrund der „geringschätzigen Haltung der Erdinger Bevölkerung gegenüber Menschen mit Behinderung eine Zumutung darstellt, sich längere Zeit als behinderter Mensch in der Öffentlichkeit aufzuhalten“. Als Gründe vermute er unter anderem den mutmaßlich „fehlenden politischen Willen zur Inklusion der Stadt und des Landkreises Erding“.

Dies wiederum veranlasste Oberbürgermeister Max Gotz zu einer scharfen Antwort (auch dieses Schreiben liegt der SZ vor). Nach Überprüfung des Sachverhalts könne er „keinerlei Dienstpflichtverletzungen“ des Außendienstmitarbeiters erkennen. Die „gravierenden Vorwürfe“ stellten „eine Impertinenz dar, welche keinesfalls den Tatsachen“ entspreche. In der Stadtratssitzung Ende März schilderte Gotz kurz die „unhaltbaren Ausführungen“ und wies öffentlich den Vorwurf des fehlenden Willens zur Inklusion zurück.

Der Richter rät dazu, wieder ins Gespräch zu kommen, wenn sich die Wogen geglättet haben

Schützenhilfe erhielt der OB in der Sitzung von Grünen-Stadträtin Cornelia Ermeier, die seit ihrem 13. Lebensjahr querschnittsgelähmt ist. Sie sprach dort sowohl OB als auch dem Ordnungsamt ein Lob aus für die Unterstützung bei der Ausweisung von Behindertenparkplätzen.

Richter Michael Lefkaditis sah die Argumente beider Seiten und entschied schließlich, das Verfahren einzustellen. Zahlen muss der 47-Jährige den Strafzettel damit nicht. Zum Schluss gab ihm der Richter einen Vorschlag mit auf den Weg: Wenn sich die Wogen geglättet hätten, könnte er vielleicht das Gespräch mit der Stadt suchen und über eine Ausweisung eines Behindertenparkplatzes am Gries reden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Klimawandel und Dürre
:"Noch tun uns Pools nichts"

Wolfgang Haberger ist seit 1992 Geschäftsführer des Zweckverbands zur Wasserversorgung Moosrain im Landkreis Erding. Der Verband beliefert insgesamt 20 000 Einwohner und den Flughafen München mit Trink-, Brauch- und Feuerlöschwasser. Einen langen heißen Sommer fürchtet er - noch - nicht, einen Stromausfall schon.

SZ PlusInterview von Regina Bluhme

Lesen Sie mehr zum Thema

  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: