Amtsgericht Erding:Raddiebstahl oder nicht

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Angeklagter zieht Einspruch gegen Strafbefehl zurück, nachdem ihm der Richter klar macht, dass er auf jeden Fall schuldig ist

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Wann ist ein Gegenstand sozusagen herrenlos und darf mitgenommen werden? Nach deutschem Recht eigentlich nie, denn jeder Gegenstand hat einen Eigentümer. Vor allem, wenn es sich bei dem vermeintlich herrenlosen Gegenstand um ein Fahrrad handelt, das an einer Bushaltestelle abgestellt war. Das sah ein 26-jähriger Mann jedoch anders, der sich nun vor Gericht wegen Diebstahls verantworten musste und den Vorwurf zunächst bestritt. Er habe das Fahrrad an der Bushaltestelle gar nicht gestohlen, wie ihm die Staatsanwaltschaft Landshut vorwarf. Das sei ein Kollege gewesen, er habe das Rad nur später benutzt. Deshalb hatte er gegen den Strafbefehl über 25 Tagessätze zu je 40 Euro Einspruch eingelegt, weshalb es zur Verhandlung am Erdinger Amtsgericht kam.

Zur Verhandlung war der 26-Jährige ohne eigenen Rechtsanwalt erschienen - was er später bereuen sollte. Denn Richter Andreas Wassermann ließ ziemlich schnell erkennen, dass er die Angaben des Angeklagten in Zweifel ziehe. Laut der Anklageschrift war das Fahrrad an der Haltestelle bei Pesenlern in der Gemeinde Wartenberg ursprünglich abgesperrt gewesen. Einige Zeit später wurde der Mann in Wartenberg von der Polizei mit dem als gestohlen gemeldeten Fahrrad angetroffen. Aus Sicht des Angeklagten war die Sache aber in dem Moment für ihn abgeschlossen, als sein Kollege wegen Diebstahls verurteilt worden sei, wie er sagte. Der habe die Tat doch schon gestanden. Außerdem habe er gar nicht gewusst, dass das Radl gestohlen worden sei, sein Kollege habe im gesagt, er habe es nicht-abgesperrt an der Bushaltestelle "gefunden". Er selbst habe es später nur "benutzt". Und als er in Wartenberg von der Polizei gestoppt worden sei, sei er dabei gewesen, den Eigentümer des Rades herauszufinden.

Auf die Frage, warum er das Rad nicht einfach zurück an die Haltestelle gebracht habe, sagt der 26-Jährige, dass dann die Gefahr bestanden hätte, dass es ein anderer mitnehme, da es eben nicht abgesperrt sei. Auch die Antwort des Angeklagten auf die Frage des Staatsanwaltes, warum er das Fahrrad nicht bei der Polizei abgegeben habe, ließen bei Andreas Wassermann die Zweifel wachsen: Er habe gar nicht gewusst, dass es in Deutschland so ein "Prozedere" gebe, dass man das machen müsse, wenn man ein Rad "gefunden" habe.

Der Amtsrichter wurde dann deutlicher: Selbst wenn man dem Angeklagten glauben würde, sei die Benutzung des gestohlenen Fahrrads auf jeden Fall Hehlerei - und die habe er eben gestanden. Zu einer Verurteilung werde es in jedem Falle kommen. Bisher habe der Strafbefehl auf 25 Tagessätze zu je 40 Euro gelautet, basierend auf einem Geständnis und einem Nettoverdienst von 1200 Euro. Vor Gericht hatte der 26-Jährige aber 1500 Euro angegeben. Wassermann rechnete ihm vor, dass die Geldstrafe bei einer Verurteilung um rund 500 Euro höher ausfallen könnte.

Mit der Rücknahme des Einspruchs würde der Angeklagte sich also viel Geld sparen. Er fragte den Angeklagten noch, ob er auch einen nicht abgesperrten teuren Mercedes benutzen würde. Da beteuerte der 26-Jährige, dass er dies natürlich nicht tun würde. Dann zog er den Einspruch zurück, nachdem der Amtsrichter seine Frage, ob er jetzt vielleicht vom Gericht einen Rechtsanwalt gestellt bekomme, auch mit einem klaren Nein beantwortet hatte.

© SZ vom 23.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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