Luis Böhling und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter von der „Letzten Generation“ gehen ihre Proteste stets gemeinsam an. Nun steht der 20-jährige Student aus Freising aber ganz allein vor Gericht. Er ist wegen zwei Straßenblockaden am Münchner Stachus im vergangenen Jahr angeklagt.
Im Juli 2023 blockierten er und eine Handvoll weiterer Aktivisten, darunter auch der 74-jährige Freisinger Ernst Hörmann, für einen kurzen Zeitraum eine Fahrbahn des Altstadtrings am Münchner Stachus, direkt gegenüber vom Justizpalast. Anfang Oktober klebte sich Böhling an die Hand einer anderen Klimaaktivistin, die sich wiederum mit ihrem Fuß auf der Fahrbahn festgeklebt hatte. Auch diese Aktion einer kleinen Gruppe der „Letzten Generation“ dauerte nicht sehr lange. Die Blockierer wurden relativ schnell getrennt und von Polizeibeamten von der Straße getragen. Die Anklagen lauten auf Nötigung – weil Verkehrsteilnehmer in ihrer freien Fahrt behindert waren.
Böhling hat sich keinen Anwalt genommen, sondern will sich selbst verteidigen
Beim zweiten Fall kommt noch ein sehr spezieller, weiterer Anklagepunkt dazu. Luis Böhling trug unter seinem Pullover ein Aufnahmegerät, das er sich mit einem Gurt um den Körper geschnallt hatte, mit einem kleinen Mikrofon am Kragen. Laut Böhlings Aussage hatte er das Aufnahmegerät auf die Bitte eines Journalisten bei sich angebracht. Er habe gedacht, ein „Pressemikrofon“ könne nicht illegal sein. Das Gerät lief zwar offenbar während der Aktion und bis zur Durchsuchung durch die Polizei in einem Einsatzwagen, machte aber keine Aufnahmen. Die Staatsanwaltschaft sieht darin eine „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“. Schon der Versuch, andere heimlich aufzunehmen, ist strafbar.
Böhling hat keinen Anwalt, sondern will sich selbst verteidigen. Er findet, dass er nichts Illegales getan habe und freigesprochen werden müsste. Beim ersten Verhandlungstag am Amtsgericht Erding wurde jedoch deutlich, dass er davon wohl eher nicht ausgehen kann.
Eine Verurteilung scheint hingegen auch nicht unbedingt gerecht, aus Gründen der Gleichbehandlung. Eine 22-jährige Aktivistin aus München, die bei beiden Protestaktionen im selben Umfang wie Böhling beteiligt war, sagte, dass ein Ermittlungsverfahren gegen sie ohne weitere Folgen eingestellt worden sei. Auch bei anderen Mitgliedern der „Letzten Generation“, die bei den Aktionen dabei waren, seien die Ermittlungsverfahren ebenfalls ohne Auflagen eingestellt worden.
„Ich werde nicht aufhören, gegen eine fossile Zerstörung zu protestieren“
Wieso muss einer aber doch vor Gericht? Das hat damit zu tun, dass gegen Luis Böhling bislang Jugendstrafrecht angewandt wird. Normalerweise sind die Staatsanwaltschaften und Gerichte nach dem Tatort-Prinzip zuständig. Dort, wo der Vorfall passiert, muss ermittelt werden und gegebenenfalls der Prozess stattfinden. Eigentlich wäre also die Münchner Justiz am Zug. Bei Jugendlichen und Heranwachsenden, das sind Volljährige bis zum 21. Geburtstag, ist das anders. Bei ihnen wird nach dem Wohnort-Prinzip verfahren.
Klimaaktivismus:"Ich bleibe so lange auf der Straße sitzen, bis die Bundesregierung handelt."
Luis Böhling ist 19 Jahre alt und Mitglied der "Letzten Generation". Er hat sich schon in München auf der Straße festgeklebt und im September beim großen Aktionsmonat der Gruppierung auch in Berlin. Ein Gespräch mit einem jungen Mann, der genau weiß, was er tut.
Luis Böhling studiert in Freising, ist aber noch mit Hauptwohnsitz bei seinen Eltern in Sankt Wolfgang im Landkreis Erding gemeldet. Deshalb sind seine Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Landshut gelandet und die Verhandlung findet deswegen bei Jugendrichter Michael Lefkaditis am Amtsgericht Erding statt. In gewisser Weise hat Böhling also Pech gehabt, dass er noch so jung ist. In München wäre das Verfahren wohl schon zu den Akten gelegt.
Zu Beginn der Verhandlung verlas er eine drei Seiten lange Verteidigungsschrift. Er rechtfertigt darin seine Aktionen als „legitimen Protest“. Wegen „meiner Verzweiflung der Klimakatastrophe untätig entgegenzublicken, habe ich mich vor ungefähr zwei Jahren mit zivilem Widerstand auseinandergesetzt“, schreibt er. Er sei „der festen Überzeugung, dass ziviler Ungehorsam der effektivste Weg ist, in dieser Zeit auf die Klimakatastrophe aufmerksam zu machen“. Zum Abschluss beteuert er, dass er diesen Weg weitergehen wolle. „Ich stehe nach wie vor hinter meinen Aktionen mit meinem Gesicht und Namen. Ich werde auch nicht aufhören, gegen eine fossile Zerstörung zu protestieren. Friedlich, aber entschlossen, weil ich als Mensch keine Alternative habe!“ Der Prozess dauert an.