Amtsgericht Erding:Polizist greift in die Kaffeekasse

Ein 51-Jähriger gesteht, aus einer Notlage heraus zweimal Geld im Dienst gestohlen zu haben. Problematisch ist, dass er dabei eine Waffe trug.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Der Griff in die Kaffeekasse, zumal wenn es nur um geringe Geldbeträge von zehn oder 15 Euro geht, mag auf dem ersten Blick vor Gericht eine Bagatelle sein. Problematisch wird es aber, wenn der Diebstahl begangen wird, während man als Polizeibeamter im Dienst ist und dabei eine Waffe trägt.

Der Unterschied beim Strafmaß ist enorm. Der einfache Diebstahl kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden, beim Diebstahl mit Waffe liegt die im Gesetz bestimmte Strafe zwischen sechs Monaten und bis zu zehn Jahren. Auch im "minderschweren Fall" sind mindestens drei Monate Haft vorgesehen. Welche Strafe Amtsrichter Andreas Wassermann gegen den 51-jährigen derzeit suspendierten Bundespolizisten verhängen wird, ist offen. In einer zweiten Verhandlung soll geklärt werden, ob der Mann nicht nur für drei zugegebene Taten verantwortlich ist, sondern auch für eine weitere.

"Sonst hätte ich nicht gewusst, wie ich hätte heimkommen sollen"

Zu einer weiteren Verhandlung kommt es, weil der Staatsanwalt Zweifel daran hat, dass der Angeklagte aus einem sogenannten "Augenblicksversagen" in die Kasse gegriffen hat. Der 51-Jährige, der nach seinen Angaben in Privatinsolvenz lebt und den Unterhalt für vier Kinder zahlen muss, erklärte seinen Diebstahl mit einer Notlage. Am 20. Oktober 2016 habe er sich 50 Euro in den Geldbeutel gesteckt, um damit nach dem Dienst tanken zu können. Aber dann habe ihm jemand offenbar im Dienststellenbereich den Schein aus der Geldbörse im Rucksack gestohlen.

Als er im Service Point der Dienststelle an der Kaffeekasse gestanden sei, habe er in einer Kurzschlusshandlung, die er sich bis heute nicht erklären könne, zehn Euro heraus genommen, um zu tanken. "Sonst hätte ich nicht gewusst, wie ich hätte heimkommen sollen", sagte der Angeklagte. Und weil er eine Strecke von 40 Kilometer zu fahren habe, hätte das Benzin für zehn Euro nicht lange gereicht. Deswegen habe er sich drei Tage später 15 Euro aus der Kasse, einer runden Plastikdose, genommen.

Zum Verhängnis wurden ihm zwei Dinge: Zum einen war damals bereits eine Videoüberwachung des Service Points von der Staatsanwaltschaft Landshut erlaubt worden, und zum anderen wurde ein Rucksack mit Geld als Falle abgestellt, in die er tappte. Die Videoaufzeichnungen überführten ihn bei den anderen zwei Fällen, auf denen er von mehreren Zeugen, ranghöheren Polizeibeamten der Landes- und der Bundespolizei, erkannt wurde.

Der Anordnung der Überwachung im Oktober war bereits eine andere im Juni vorausgegangen, weil im Vorfeld bereits mehr als zwanzig Anzeigen wegen Diebstahl auf der Polizeidienststelle eingegangen waren, aber man mit "konventionellen Ermittlungen", nicht weiter gekommen sei, wie ein Zeuge - insgesamt fünf, alles Polizisten - aussagte. Auch im Juni wurde jemand beobachtet, wie er in die Kasse griff. Ob es allerdings der Angeklagte war, darüber gab es unterschiedliche Aussagen. Das Video von diesem Diebstahl musste vernichtet werden, da die Kamera unerlaubt im Service Point in einem Computergehäuse installiert worden war. Die Staatsanwaltschaft hatte im Mai zunächst nur die Überwachung von zwei Aufenthaltsräumen gebilligt.

Die Waffe sei aber nicht "durchgeladen" gewesen

Bei der zweiten Überwachung wurde dann mit ziemlicher Sicherheit, so der in dem Fall ermittelnde Beamte, der Kollege als Täter identifiziert. Er habe bei der Tat ein Waffe an der rechten Hüftseite getragen. Der Anklagte selber meinte, dass er sie vor dem Griff in die Kaffeekasse wohl in eine Schublade abgelegt habe. Beim mehrmaligen Ansehen der Videos versuchte zwar sein Verteidiger, dem Zeugen die Aussage zu entlocken, dass es sich bei dem Gegenstand an der Hüfte auch um einen Reizgasspray handeln könnte, aber der ermittelnde Beamte schloss dies aus. Die Reizgasdosen hätten kein Griffstück, und einen Griff wie bei eine Waffe sehe man trotz der qualitativ nicht sehr guten Aufnahmen.

Die Waffe sei aber nicht "durchgeladen" gewesen, sagte der Angeklagte. Das heißt, er müsste im Ernstfall erst den Schlitten der Waffe nach hinten ziehen, damit eine Patrone in den Lauf komme und gefeuert werden könne. Das würde viele Kollegen so machen, weil damit jemand, der ihnen die Waffe entreiße, nicht sofort schießen könne, wie jüngst am S-Bahnhof Unterföhring geschehen, sagte der 51-Jährige. Die im Disziplinarverfahren gegen den Angeklagte ermittelnde Polizistin erklärte indes, dass dies nicht den Vorschriften am Flughafen entspreche, da man eben durch das noch erst nötige Durchladen eine vielleicht wertvolle Sekunde im Ernstfall verliere.

Die zweite Verhandlung wurde notwendig, weil die Staatsanwaltschaft durch weitere Zeugen beweisen will, dass der Angeklagte auch im Juni bereits in die Kaffeekasse gegriffen hat. Und für damals könne er keine Rechtfertigung aus einer persönlichen Notlage finden. Auf eine Abkoppelung dieser Tat von den bereits drei zugestandenen Diebstählen, wie Richter Wassermann und der Verteidiger vorschlugen, ließ er sich nicht ein. Das Angebot der Verteidigers zusammen mit dem Amtsrichter im Nebenzimmer darüber zu "quatschen", schlug er aus: "Da brauchen wir nicht zu quatschen, dafür ist die Sache zu ernst."

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