Der Prozess hätte am Mittwoch um elf Uhr beginnen sollen. Obwohl der Angeklagte ordnungsgemäß geladen ist und unweit des Amtsgerichts wohnt, ist er eine Viertelstunde später immer noch nicht da. Um kurz vor zwölf Uhr erscheint der arbeitslose Koch - in Begleitung zweier Polizisten, die ihn auf Anordnung von Amtsrichter Thomas Bauer zu Hause abgeholt haben. Es geht um Kinderpornografie.
Bei der Durchsuchung der Wohnung des Kochs im August vergangenen Jahres wurden auf seinem Handy 118 894 Bilder gefunden. Darunter „umfangreiches pornografisches Material“, worauf die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer hinweist. Angeklagt ist der Koch, weil auf vier Bildern sexuelle Handlungen von oder an unter 14-Jährigen zu sehen sind; und zwar Jungen und Mädchen gleichermaßen. Es handele sich um Bilder von „sehr geringer Anzahl“, dafür aber von „erheblicher Intensität“, so Richter Bauer.
Die Wohnung des Angeklagten habe man auf Anordnung eines nordrheinwestfälischen Amtsgerichts durchsucht, berichtet der als Zeuge geladene Polizist. Die dortigen Behörden seien auf eine WhatsApp-Gruppe gestoßen, in der verbotene Inhalte verteilt worden seien. Dass er Mitglied der Gruppe war, bestreitet der Angeklagte nicht. Schließlich sei es nicht verboten, sich einer „Erotik-Gruppe“ anzuschließen, in der Erwachsene Sex-Treffen vereinbaren. Mit den Kindern auf den Bildern, die er als „arme Seelen“ bezeichnet, habe er „nichts am Hut“, beteuert der 38-Jährige. Die Bilder müsse seine Nachbarin auf sein Handy gespielt haben.
Der Angeklagte spricht nicht nur schnell, sondern auch undeutlich. Als ihn Bauer darauf aufmerksam macht, spricht er genauso weiter. Was der Koch sagt, hört sich so an wie: Die Nachbarin mache ihn seit dem Vorjahr schlecht. Auch bei seinem früheren Arbeitgeber habe sie ihn zu Unrecht als pädophilen Junkie angeschwärzt. Deshalb habe er seinen Job verloren. Die Nachbarin müsse sein Handy gehackt haben. Warum er sich damit nicht schon im Ermittlungsverfahren verteidigt hat, will Bauer wissen. Damals sei er sich noch nicht sicher gewesen, entgegnet der Angeklagte.
Der Richter hält es für ausgeschlossen, dass dem Mann die Bilder untergeschoben wurden
Dass ihm die Bilder untergeschoben worden sind, „hält das Gericht für ausgeschlossen“, erklärt Bauer. Mit Gericht meint der Richter sich. Dagegen spreche bereits, dass gegen den Koch aufgrund gerichtlicher Anordnung und nicht aufgrund eines anonymen Hinweises ermittelt worden sei. Vor allem aber sei eins der auf dem Handy des Angeklagten gespeicherten Bilder in der WhatsApp-Gruppe verteilt worden; von einem mexikanischen Account und bereits 2019 - und nicht erst im Vorjahr. Außerdem sei ein weiteres Bild mit jugendpornografischem Inhalt seit 2017 auf dem Handy des Kochs gespeichert.
Auch wenn das Gesetz für den Besitz von Kinderpornografie eine Geldstrafe eigentlich nicht vorsieht, verhängt Bauer eine solche. Was das Strafgesetzbuch nämlich schon vorsieht, ist, dass eine Bewährungsstrafe von vier Monaten, die der Richter für den nicht vorbestraften Angeklagten für angemessen hält, in eine Geldstrafe gewandelt werden kann. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, muss der Arbeitslosengeldempfänger 120 Tagessätze zu je 40 Euro zahlen. Weil er auf das Handy nicht freiwillig verzichtet, ordnet Bauer die Einziehung an und macht deutlich: Ein Telefon mit strafbaren Bildern hätte das Gericht auch bei einem Freispruch nicht herausgegeben.