Amtsgericht Erding:Flaschenwerfer muss ins Gefängnis

Einen Treffer landete der 24-jährige Angeklagte zwar nicht. Doch Richter Wassermann sieht ihn als Mittäter

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Mitgefangen, mitgehangen, heißt ein Sprichwort. Gehängt wird zwar bei uns schon lange niemand mehr, aber den Begriff Mittäterschaft gibt es in der Justiz immer noch. Und die wurde jetzt einem 24-jährigen Eritreer zum Verhängnis. Dies und dass er bei der jüngsten Tat, weshalb er vor Gericht stand, unter offener Bewährung stand. Amtsrichter Andreas Wassermann verurteilte den jungen Mann zu einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung in Mittäterschaft. Da half auch nicht der Hinweis der Verteidigerin, die Freispruch gefordert hatte, dass dem Eritreer bei einer Verurteilung die Abschiebung drohe. Der Angeklagte habe "wissentlich und willentlich" bei einer Auseinandersetzung in der Flüchtlingsunterkunft in der Taufkirchener Straße in Erding mitgewirkt, bei der etliche Bierflaschen geflogen waren, die insgesamt drei Personen aus Afghanistan verletzten.

Die nachweislich einzige Flasche, die der 24-Jährige am 22. September 2019 gegen 1.45 Uhr nachts geworfen hatte, war an einer Tür zerschellt und ein kleiner Splitter hatte einen Afghanen am Hals getroffen. "Nur einem glücklichen Umstand war es zu verdanken, dass Sie nicht den Kopf getroffen hatten und der Mann sich eine schwere Verletzung zuzog", sagte Andreas Wassermann in seiner Urteilsbegründung zum 24-Jährigen. Dass der Angeklagte zu dem Zeitpunkt des Wurfs rund 1,6 Promille Alkohol im Blut hatte, wirkte sich nur gering strafmildernd aus. Schlimmer wog für den Amtsrichter, dass der Angeklagte im ganzen Verfahren keinerlei Schuldeinsicht gezeigt habe und sich in der Nacht nicht seine offene Bewährung zu Herzen genommen habe, um sich zumindest raus zu halten oder beschwichtigend einzuschreiten. Nein, er sei erneut sehr aggressiv aufgetreten und ein Beispiel "eines krassen Bewährungsversagens". Zumal die Bewährung auf einem Urteil ebenfalls wegen gefährlicher Körperverletzung aus dem Jahr 2017 beruhe.

Bei der abschließenden Verhandlung am Amtsgericht Erding handelte es sich bereits um den dritten Verhandlungstag. Der Grund: ein geladener Zeuge war sowohl am ersten als auch zweiten Tag nicht erschienen. Sein erstes unentschuldigtes Fehlen hatte der Zeuge noch glaubhaft mit einer Erkrankung erklären können. Als der Mann aber jetzt auch bei der Fortsetzung der Verhandlung nicht erschien, reichte es Amtsrichter Andreas Wassermann und er hatte angeordnet, dass die Polizei den Mann am Morgen in seiner Wohnung in Burgkirchen verhaften und zwangsweise zur Verhandlung am selben Tag um 12.30 Uhr im Amtsgericht Erding vorführen sollte. Dort war er dann auch pünktlich deshalb.

Für Amtsrichter Wassermann gab dieser Zeuge den letztendlichen Ausschlag. Dessen Aussage vor Gericht habe mit der, die er bei der Polizei nach der Nacht schilderte, noch am besten überein gestimmt. Wenn es auch wegen der zeitlichen Differenz auch bei ihm Unstimmigkeiten gegeben habe. Klar war nach der Befragung aller Zeugen, dass mehrere Eritreer im Gang des Asylbewerberheimes gefeiert hatten. Als einer aus einer kleinen Gruppe von Afghanen sie aufgefordert hatte, doch bitte in einem Zimmer weiter zu feiern, weil andere Leute am nächsten Tag arbeiten müssten, wurden von den Eritreer leere Bierflaschen geworfen. Keiner der drei afghanischen Zeugen zuvor hatte tatsächlich selber gesehen, dass der Angeklagte eine Flasche geworfen hatte. Der letzte Zeuge aber schon. Er habe eben die Tür zum Zimmer zumachen wollen, als eine Flasche in seine Richtung geflogen sei - geworfen von dem Angeklagten, den er im Gericht zweifelsfrei erkannte. Die Flasche sei auf halber Höhe der Tür zerschellt und ein kleiner Glassplitter habe ihn dann am Hals verletzt.

Nachdem der Staatsanwalt ein Jahr Freiheitsstrafe gefordert hatte - ohne Bewährung, sprach sich die Anwältin des Angeklagten für Freispruch aus. Im Zweifelsfall für den Angeklagten. Es habe zu viele Unstimmigkeiten bei den Aussagen aller Zeugen gegeben. Und auch der letzte Zeuge hätte sich widersprochen. Eine nur passive Anwesenheit reiche ihrer Meinung nach für eine Verurteilung nicht aus. Drei Tage Beweisaufnahme hätten einfach kein klares Ergebnis gebracht. Zudem belaste ihren Mandanten die Strafanzeige seit einem Jahr, da er immer in der Angst lebe, bei einer Verurteilung abgeschoben zu werden.

Dies habe sich der Angeklagte aber selber zuzuschreiben, sagt der Amtsrichter, und dürfe keinen Einfluss auf das Urteil haben.

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