Amtsgericht Erding:Bewährungsstrafe trotz später Einsicht

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Angeklagter gesteht sexuelle Belästigung einer 17-Jährigen und wird zu einem Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe verurteilt

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Gleich mehrere Brücken hat Amtsrichter Björn Schindler einem 27-jährigen Angeklagten gebaut, um ihn zu einem Geständnis zu bewegen, was ihn vor einer Haftstrafe wegen sexueller Belästigung bewahren könnte. Doch der inzwischen abgelehnte Asylbewerber rückte erst dann von seiner Version ab, dass zwischen ihm und einer 17-jährigen Syrerin nichts vorgefallen sei, als ihn sein Pflichtverteidiger zur Seite genommen und ihm den Ernst der Lage erklärt hatte. Er gestand daraufhin voll umfänglich, die junge Frau bedrängt zu haben. Weil er damit der Syrerin ersparte, dass sie vor Gericht aussagen muss, und weil er auch keine Vorstrafen in Deutschland hat, wurde er zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt - ausgesetzt drei Jahre auf Bewährung. Zudem muss er 80 Stunden Sozialdienst ableisten.

Für das Schöffengericht unter Schindler war es im Gegensatz zur Meinung des Pflichtverteidigers kein "minderschwerer Fall", was sich der 27-Jährige im Februar 2018 in der Flüchtlingsunterkunft Lindum bei Dorfen zuschulden hatte kommen lassen. Er hatte das noch viel jünger wirkende Mädchen in die Damentoilette in der Unterkunft gedrängt, sie gegen ihren Willen geküsst und sie auch angefasst. Und das rund zwei Minuten lang, wie die Syrerin bei ihrer Aussage bei der Polizei sagte, wobei sie erst mehr von dem Vorfall erzählt habe, als ihre Mutter nicht mehr zugegen war, wie der ermittelnde Polizeibeamte sagte.

Dass bei seiner Tat sein minderjähriges Opfer wegen seiner deutlichen körperlichen Überlegenheit wehrlos war, lastete das Schöffengericht dem Angeklagten besonders an. Dennoch, so Amtsrichter Schindler, sei der sexuelle Angriff des Mannes im Vergleich zu anderen Fällen "eher im unteren Bereich" angesiedelt.

Abgelassen hat der 27-Jährige von der Syrerin, weil offenbar plötzlich andere Asylbewerber auftauchten - auch der jüngere Bruder der Frau. Nach Schilderung des Angeklagten habe sich dieser, als er ihn mit seiner Schwester gesehen habe, sofort ein Messer aus der Küche geholt. Dass nicht mehr passiert sei, sei nur dem Eingreifen von anderen Flüchtlingen zu verdanken. Anfangs hatte der 27-Jährige noch behauptet, dass er sich nur bei der Syrerin bedankt habe, weil sie ihm die Hintertüre aufgemacht habe, als er leicht betrunken bei Regen zurück gekommen sei. Mehr sei nicht passiert, ihr Bruder habe dies wohl missverstanden. Zudem würden die Afrikaner ständig Anfeindungen ausgesetzt seien.

Dass es in der Asylbewerberunterkunft öfters zu Reibereien kommt, liegt nach Meinung des Ermittler daran, dass dort etwa achtzig Flüchtlinge leben, zwar getrennt im Nord- und Südflügel des Heims, aber in der Mitte gebe es nur eine Gemeinschaftsküche. "Zwischen Arabern und Nigerianern gibt es immer Spannungen, das passt irgendwie so gar nicht zusammen."

Während die Nigerianer locker seien, auch bei der Kleidung, seien Araber eher das Gegenteil, und der Respekt vor den Familien und ihrem Oberhaupt sei wichtig. Auch der Pflichtverteidiger berichtete, dass er öfters mit Animositäten zwischen beiden Gruppen zu tun habe. Dass wenn was passiert sei, beide involvierte Parteien sofort verlegt würden, habe seinen Grund. Trotzdem: "Man küsst nicht einfach eine Frau und bedrängt sie", sagte der Pflichtverteidiger. Und deshalb sei sein Mandant auch schuldig zu sprechen. Den Wunsch, nur eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten auszusprechen, erfüllte ihm das Gericht nicht.

© SZ vom 06.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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