Amtsgericht:"Ein maximal renitenter Patient"

Eine Frau rastet nach Thermenbesuch aus und beißt Polizisten. Dafür muss sie zehn Monate in Haft

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Ein Cocktail aus Alkohol, Kokain, Marihuana und Antidepressiva im Blut hat eine 33-Jährige vollständig ausrasten lassen und ihr jetzt am Amtsgericht Erding eine zehnmonatige Freiheitsstrafe ohne Bewährung wegen mehrfachen tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte, Widerstand gegen diese und zahlreichen Beleidigungen eingebracht. Richter Andreas Wassermann rügte bei der Urteilsverkündigung, dass die Angeklagte keine Einsicht in ihren krankhaften Konsum zeige, deshalb habe er kein Vertrauen, dass eine Bewährungsstrafe dazu führe, dass sie sich ihren Problemen stelle. Vor Gericht sagte einer der Beamten aus, dass er in sieben Jahren als Polizist noch niemals einen so heftigen Widerstand erlebt habe. Der Arzt am Klinikum Erding, wohin die 33-Jährige zur Blutentnahme gefahren worden war, hatte notiert: "Ein maximal renitenter Patient".

Angefangen hatte alles an der Kasse der Therme Erding am 21. November 2019. Laut Aussage einer Thermenmitarbeiterin konnte die Angeklagte gegen 15.45 Uhr ihre Rechnung nicht bezahlen. Es handelte sich wohl um vier Weißbier. Nachdem sie sich auch nicht ausweisen habe können, damit man ihr später eine Rechnung schicken könne, habe man die Polizei zur Feststellung ihrer Identität informiert. Dagegen habe die Angeklagte auch nichts gehabt. Doch dann sei sie plötzlich aufgesprungen und zum Ausgang gerannt, die Angestellte hinter ihr her, bis sich die Anklagte umgedreht habe und sie mit beiden Händen zurückgeschubst und am Hals gekratzt habe. Draußen habe sie sich auf dem Parkplatz hinter einem Auto versteckt. Dort fanden sie die beiden Streifenbeamten. Sie beleidigte zunächst diese beiden Polizisten ununterbrochen und später weitere, als sie eine Stunde später in der Arrestzelle in der Polizeiinspektion landete.

Zunächst weigerte sich die Frau beharrlich, mit den Beamten zurück in die Therme zu kommen. Die Polizisten waren nach ihrer Aussage gezwungen, "unmittelbaren Zwang" anzuwenden - einer hakte sich rechts, einer links bei ihr unter und sie wurde zur Therme getragen. Als einer der Beamten seinen Griff änderte, biss sie ihn in die Hand, die in einem Handschuh steckte. Danach wurde sie gefesselt. Weil sie ständig um sich spuckte, wurde ihr eine Spuckschutzhaube übergezogen. Ehe man sie ins Polizeiauto setzen konnte, biss sie erneut zu, nachdem sie eingewilligt hatte, einen Atemalkoholtest durchzuführen. Doch statt in das Röhrchen zu blasen, biss sie den zweiten Beamten in den Daumen - der ebenfalls einen Handschuh trug.

Und so ging es weiter. Inzwischen war ein zweiter Streifenwagen mit zwei Beamten eingetroffen. Die heute 33-Jährige ins Auto rein- und wieder rauszubekommen, forderte die Polizisten, die fortwährend beleidigt wurden. Auch bei der Blutentnahmen waren alle vier Polizisten notwendig, zur Erdinger Polizeiinspektion musste sie vom Auto mehr getragen werden.

Der Sachverständige errechnete zur Tatzeit einen Alkoholwert zwischen 2,52 und 2,76 Promille. Zudem müsse sie kurz vorher Kokain und einen Joint konsumiert haben. Es habe im Zusammenwirken ein "akuter Rausch" vorgelegen, der eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit verursacht habe, was auch Andreas Wassermann beim Urteil berücksichtigte.

Die Angeklagte sagte, dass sie sich eigentlich nur noch an den Anfang erinnere und dass sie dann in einer Zelle aufgewacht sei. Sie sei das Opfer, da sie aus der Therme geflüchtet sei, weil sie belästigt worden sei. Zu ihren Drogenkonsum hatte die 33-Jährige eigene Ansichten. Die "Lebensumstände" würden dazu führen, dass sie ab und Bier trinke, auch schon mal einen ganzen Kasten über Nacht, aber das mache man halt so in Bayern, wie sie gehört habe. In der Nacht vor dem Thermenbesuch habe sie auch getrunken. Wie viel? Dazu fehlte die Erinnerung, ein paar Jägermeister sollten dabei gewesen sein. Und Koks von ihrem damaligen Freund, einem Physiotherapeuten, der gerne kokse. Und die Antidepressiva habe sie geschenkt bekommen. Auf dem Weg zur Therme, zu der sie ein Freund gefahren habe, haben sie dann noch ein Bier "gezwitschert". Wassermann folgte in seinem Urteil der Forderung der Staatsanwältin. Im Gegensatz zum Pflichtverteidiger sah er für die Angeklagte keine positive Sozialprognose, zumal sie wegen ähnlicher Taten auf dem Oktoberfest 2018 verurteilt worden war und unter offener Bewährung steht. Ihre krankhafte Alkoholsucht sei die "ursächliche Wurzel der Taten". Sie selber sehe das aber nicht ein. Er glaube nicht, dass sie ihr Problem erkenne und eine Therapie beginne, wenn die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werde.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: