Mitten in Erding:Von wegen ohne Humor

Schöffenverhandlung am Amtsgericht, ohne Angeklagte und Schöffen.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Justiz und Humor sind zwei Begriffe, die man eher nicht zusammen nennt. Aber manchmal kann eine Verhandlung durchaus ihre lustigen Seiten haben. Manchmal. So wie am Mittwoch am Amtsgericht Erding, als eine Schöffenverhandlung wegen Computerbetrugs anstand.

12 Uhr, High Noon in Saal 1 des Gerichts: Die Staatsanwältin ist da, die Protokollführerin, der im Fall ermittelnde Polizeibeamte und ein paar Minuten später auch Amtsrichter Björn Schindler und eine Schöffin. Denn wie sich herausstellte, war nicht nur die Angeklagte plus zwei um die Uhrzeit geladene Zeugen nicht anwesend, sondern auch ein weiterer Schöffe. Was Aktivitäten in zwei Richtungen auslöste: Angeklagte und Schöffen zu erreichen. Erstere könnte man notfalls von der Polizei vorführen lassen, aber macht laut Schindler so lange keinen Sinn, wenn es nicht zwei Schöffen sind.

Und wer denkt, die müssen doch im Amtsgericht eine Handynummer von dem haben, der denkt das Gleiche wie der Amtsrichter und die Protokollführerin. Letztere machte sich deshalb auf den Weg, um in einem der vielen Ordner im Gericht (das papierlose Zeitalter ist in deutschen Amtsstuben noch nicht so weit fortgeschritten) zu suchen. Mittlerweile unterhielten sich Schindler, Staatsanwältin und Anwalt über die Gegenstände, die die Angeklagte bei Online-Diensten ergaunert hatte. Unter anderem ein Pfannenset, eine Gugelhupfform, Wäsche und Kissen mit einem Foto der Angeklagten. Ihr Anwalt sprach gegen 12.25 Uhr einen wegweisenden Satz: "Je länger wir reden, um so schlimmer wird es."

Parallel zur Schöffensuche nahm der Anwalt die Ermittlungen in Sachen Verbleib seiner Mandantin auf. Die Mobilfunknummer war nicht vergeben. Was den Polizisten nicht verwunderte, denn man habe alle Handys bei der Durchsuchung beschlagnahmt. Nächste Stelle: die Schwester der Angeklagten. Die erwischte er am Telefon - wobei sie eigentlich ebenfalls als Zeugin im Saal sein sollte. Die Angeklagte sei seit circa 8. August bei ihrer Oma in ihrem Heimatland, wurde ihm mitgeteilt. Womit klar war, warum sie nicht kam. Die Ladung war erst am 25. August an ihre deutsche Adresse rausgegangen. Die Schwester war zu erreichen, weil sie laut Anwalt in "Franken" lebt. Was den Polizisten zu einer Korrektur nötigte: "Oberfranken!". Kommentar des Anwalts: "Mit einem Waffenträger streitet man besser nicht". Zwei Tipps hatte der Anwalt auch parat: Die Schwester soll sich doch bitte nächstes Mal vorher entschuldigen, "sonst flippt der Richter aus". Was Schindler ein Schmunzeln entlockte. Und der Staatsanwältin gab er den Tipp, doch zur neu angesetzten Verhandlung zu kommen, um wieder "so einen schönen Tag" zu erleben.

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