AfD-Stammtisch Markt Schwaben:Bystron zeigt sich gemäßigt

AfD-Stammtisch Markt Schwaben: Hemdsärmelig tritt der AfD-Landesvorsitzende Petr Bystron im Markt Schwabener "Schweiger Brauhaus" vor vollem Saal auf.

Hemdsärmelig tritt der AfD-Landesvorsitzende Petr Bystron im Markt Schwabener "Schweiger Brauhaus" vor vollem Saal auf.

(Foto: Christian Endt)

Beim Stammtisch der AfD in Markt Schwaben verteidigt Landeschef Petr Bystron die Parteivorsitzende Frauke Petry und bemüht sich gleichzeitig, einen gemäßigten Eindruck zu hinterlassen.

Von Korbinian Eisenberger, Markt Schwaben

Ulrich Ullmann sitzt in der dritten Tischreihe, nicht vorne, wo der Redner spricht, aber auch nicht ganz hinten, wo einen keiner mehr hört und sieht. Ullmann ist aus Anzing nach Markt Schwaben gekommen, es ist nicht das erste Mal, dass er beim AfD-Stammtisch des Kreisverbandes Erding-Ebersberg dabei ist, und wohl auch nicht das letzte Mal, sagt er.

Mut zur Wahrheit, heißt es auf einem Plakat, vor dem jetzt Bayerns AfD-Landeschef Petr Bystron, der Stargast, steht. Ullmann hat ihm gerade eine Stammtisch-Frage gestellt, wie das denn sei, so rein rechtlich, wo Bystron doch Flüchtlingen die Sozialleistungen auf ein Minimum zusammenkürzen wolle. "Weil damit", sagt Ullmann, "würden Sie ja gegen das Bundesverfassungsgericht verstoßen".

An diesem Montagabend haben sich 80 Menschen im "Schweiger Brauhaus" versammelt, deutlich mehr als sonst beim Stammtisch der AfD Erding-Ebersberg. Die Männer und Frauen kommen aus der Region, an den Tischen sitzen Grafinger, Erdinger, Kirchseeoner und Dorfener. Der Großteil der Gäste besteht aus über 50-jährigen Männern, zehn Frauen sind gekommen.

Immer mehr Menschen interessieren sich für die AfD

Der weibliche Anteil unter AfD-Wählern ist generell gering, das zeigen Erhebungen seit der Parteigründung vor drei Jahren. Neu ist hingegen, dass sich immer mehr Menschen für die AfD interessieren: Bundesweit würden derzeit mehr als zehn Prozent der Wahlberechtigten AfD wählen. Und in Markt Schwaben, wo für AfD-Veranstaltungen bisher zwei bis drei Tische genügten? Dort füllt sich erstmals fast ein ganzer Saal. Warum eigentlich?

Viele, die sich in diesen Tagen kritisch zur Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußern, sprechen von Ängsten und Sorgen - oft bleibt dabei im Diffusen, woher genau die Furcht rührt. Doch Bier und Brotzeit helfen, um beim Politisieren konkret zu werden. "Wir brauchen mehr Sicherheit im Alter", ruft ein Mann aus dem Publikum. Durch die Ausgaben für Flüchtlinge fürchte er um seine Rente, erklärt er.

Für einen Stammtischler besteht ein Zusammenhang zwischen dem Flüchtlingszustrom und steigender Altersarmut. "Unsere alten Leute haben alle kein Geld mehr", schimpft er. Stattdessen fördere die Regierung illegale Zuwanderer. "Die haben 340 Euro zum Verpulvern", sagt ein Mann aus Wartenberg im Landkreis Erding. "Wo kommen wir denn da hin?"

Auf die Gegenargumente geht Bystron nicht ein

Dass der Flüchtlingszustrom weder Altersarmut noch die bedenkliche Entwicklung des Rentensystems ausgelöst hat, darauf geht der studierte Politologe Bystron nicht ein. Am Dienstag erschien etwa der neueste Armutsbericht, der eine Zunahme der Armut bei Alleinerziehenden, Erwerbslosen und Kindern ausmacht. Demnach steigt die Armut stetig - allerdings nicht erst seit Beginn der Flüchtlingskrise vor zwei Jahren, sondern seit 2006 - als die Öffentlichkeit noch andere Themen beschäftigte. Zum Beispiel beängstigende Rentenprognosen, damals schon.

Bystron, weißes Hemd, weiß-blaue Krawatte, balanciert beim Sprechen ein Bierglas in der Hand. Ein Scherz hier, ein lockerer Spruch da, die Menschen im Festsaal klatschen, klopfen auf den Tisch. "Wir müssen erst mal unsere eigenen Probleme lösen, bevor wir uns um andere kümmern", sagt Bystron, bei solchen Sätzen wird der 43-Jährige laut.

"Aber Vorsicht", sagt er - und bei solchen Sätzen wird seine Stimme sanft - "man kann nicht alle über einen Kamm scheren". Politisch verfolgte Menschen sollten weiterhin aufgenommen werden, so sei seine Auffassung und die seiner Partei - also temporäres Bleiberecht für Menschen aus Bürgerkriegsländern, alle anderen müssten raus. Ein bisschen Festhalten an der Genfer Konvention, ein bisschen Horst Seehofer, die AfD selbst bezeichnet das als Politik der Vernunft.

Eine Partei, die sich Sorgen um das land macht

Um Vernunft gehe es auch ihnen, sagen zwei junge Männer am Ecktisch. "Setz dich wieder hin" rufen sie einem Mann zu, der in der vordersten Reihe pauschale Anti-Flüchtlings-Parolen in die Runde wirft. "Das sind genau die, die wir nicht brauchen", sagen die am Ecktisch, ehe sie erfahren dass der Mann Parteimitglied ist, nach einem sechsmonatigen Prüfverfahren aufgenommen wurde. Die AfD, zumindest sagt Bystron das, wolle eine Partei "für die ganz normale Mittelschicht sein, die sich Sorgen um unser Land macht". Keine Partei für Nazis also, wie sie mitunter bezeichnet wird, vor allem seit Bernd Lucke seiner Nachfolgerin Frauke Petry den Vortritt im Parteivorsitz lassen musste und austrat.

Eine Frage, die Bystron seither häufig gestellt wird, kommt auch an diesem Abend auf. Ob man sich nicht distanzieren müsse, von Petry und ihren Erwägungen, an der deutschen Grenze auf Flüchtlinge zu schießen. Alles Blödsinn, findet Bystron. Er wolle nicht auf Flüchtlinge schießen, Petry wolle das auch nicht. Falsch zitiert worden sei sie, die Presse eben.

Ihm gehe es um ganz etwas anderes, "ich will Politik für Deutschland machen", sagt Bystron, eine Politik für das deutsche Volk. "Deutschland geht es besser als 98 Prozent der Welt", sagt Bystron. Er und seine Partei fürchten, dass sich daran etwas ändert. "Die Bundesregierung hat versagt", trotz Verfassungsgericht. "Wenn sich Merkel nicht daran hält", so Bystron, "warum sollte ich mich dann drum scheren" . Damit war auch die letzte Frage des Abends beantwortet.

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