Absurder Missstand:Von anderen profitieren

Absurder Missstand: Wo das Ganze offene Ganztagsschule heißt, kostet die Betreuung die Eltern nichts - egal ob sie Millionäre oder Sozialhilfeempfänger sind.

Wo das Ganze offene Ganztagsschule heißt, kostet die Betreuung die Eltern nichts - egal ob sie Millionäre oder Sozialhilfeempfänger sind.

(Foto: Renate Schmidt)

Nicht muttersprachliche Kindern lernen am besten Deutsch, wenn sie am Nachmittag in der Schule bleiben. An einigen Grundschulen zahlen Staat und Stadt, an anderen können sozial Schwache nur dank Spenden dabei sein

Von Florian Tempel, Erding

"Die Kinder lernen am schnellsten Deutsch, wenn sie unter Deutschen sind." Und deshalb, sagt Barbara Wolff, "schauen wir, dass alle, die nicht Deutsch-Muttersprachler sind, bei uns in die Mittagsbetreuung gehen." Für die Rektorin der Grundschule am Lodererplatz ist das ein wesentlicher pädagogischer Aspekt, wie sie bei einem Pressegespräch sagte: "So schnell, wie die Kinder da lernen - das können wir in der Schule mit noch so viel Förderunterricht nicht schaffen."

Doch auch in diesem Jahr wird dieses kleine Stückchen grundlegender Bildungsgerechtigkeit wieder nicht von der öffentliche Hand ermöglicht, sondern nur durch Spenden. Wie schon im vergangenen Jahr sieht sich die Stadt Erding nicht in der Lage, die Kosten für die Mittagsbetreuung von sozial benachteiligten, nicht muttersprachlich deutschen Kindern zu übernehmen. Aber das ist keineswegs nur ein Manko, sondern ein absurder Missstand: Während die Rektorinnen am Lodererplatz und in der Carl-Orff-Grundschule auf Spenden angewiesen sind, ermöglichen die Stadt und der Staat an zwei anderen Grundschulen kostenlose Kinderbetreuung - wobei es dort egal ist, ob die Eltern Millionäre oder Sozialhilfeempfänger sind.

Konkret geht es um sechs Kinder am Lodererplatz und vier an der Carl-Orff-Grundschule, alle stammen aus Flüchtlingsfamilien. Die Mittagsbetreuung kostet am Lodererplatz 75 Euro im Monat, an der Carl-Orff-Schule 65 Euro. Die Aktionsgruppe Asyl (AGA) ist eingesprungen und zahlt ein halbes Jahr lang die Gebühren, insgesamt 4260 Euro. "Wir hätten nicht helfen können, wenn wir vom SZ-Adventskalender nicht noch etwas Geld gehabt hätten", sagte AGA-Sprecherin Maria Brand.

An Schulen mit sogenannter offener Ganztagsschule kostetet die Betreuung der Kindern nach Unterrichtsende nichts. An den Grundschulen am Grünen Markt und am Ludwig-Simmet-Anger gibt es deshalb keine Probleme und nicht die Notwendigkeit, Spenden für sozial Schwache zu erbetteln. Die offene Ganztagsschule wird vom Staat und der Kommune finanziert. An der Grundschule am Lodererplatz gibt es aber keine offene Ganztagsschule, weil das dort unter den aktuellen Bedingungen nicht möglich ist. "Wir haben uns schon überlegt, ob wir das machen sollen", sagt Barbara Wolff, aber es gehe derzeit einfach nicht. Weil die Mittelschule am Lodererplatz komplett renoviert wird, muss auch die Grundschule mit Einschränkungen leben. Auf der Spielfläche der Grundschule steht jetzt ein Containerbau. In die Turnhalle können die Grundschüler am Nachmittag auch nicht, alles belegt. Und außerdem ist absehbar, dass mit Sicherheit weit mehr Kinder für das kostenfreien Ganztagsangebot angemeldet würden, als die derzeit 92 Mädchen und Buben in der Mittagsbetreuung. Das war bislang überall so, wo die offene Ganztagsschule eingeführt wurde. Am Lodererplatz ist der Platz zu sehr eingeschränkt. "Ich kann nicht sagen, ich beantrage das jetzt, und weiß nicht wohin mit den Kindern", sagte die Rektorin.

Sie ist froh, dass dank der finanziellen Unterstützung durch die AGA ihr aktuelles Problem gelöst ist. Eines betont Wolff dabei: "Ich mag nicht unterscheiden zwischen Asylbewerbern, Migranten und anderen. Für mich sind es Kinder, um die ich mich kümmern muss. Wir müssen schauen, dass sie integriert werden und wir müssen auf ihr schulisches Fortkommen achten." Im vergangenen Jahr hat ein Flüchtlingskind aus ihrer Schule den Sprung aufs Gymnasium geschafft. Wolff hat beim Landkreis-Projekt Bildungsregion im Arbeitskreis "Kein Talent darf verloren gehen" mitgemacht. In der Hoffnung, dort eine Lösung für das Mittagsbetreuungsproblem zu finden. "Wir haben da viel geredet - und nichts erreicht."

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