Fernreise:In vier Jahren nach Tibet

Fernreise: Auf seiner Reise hat Stephan Meurisch als Deutsch- und Englischlehrer gearbeitet.

Auf seiner Reise hat Stephan Meurisch als Deutsch- und Englischlehrer gearbeitet.

(Foto: Marco Einfeldt)

Stephan Meurisch aus Haag in Oberbayern ist ohne Geld zu Fuß nach Tibet gegangen. 13 Länder und zwei Kontinente hat er durchquert - und vor allem Gastfreundlichkeit erlebt.

Von Katharina Aurich, Haag/Inkofen

Vier Jahre lang, von 2012 bis 2016, ist Stephan Meurisch aus Haag immer Richtung Osten durch 13 Länder und zwei Kontinente bis nach Tibet gewandert. Der heute 36-Jährige startete ohne Geld, musste aber nur acht Mal sein Zelt aufbauen, denn wo er auch hinkam, luden ihn freundliche Menschen in ihr Haus ein. Eigentlich hatte er nur zwei Jahre für seine ungewöhnliche Reise eingeplant, aber er machte viele Umwege und blieb manchmal Monate in einem Land, um als Deutsch- und Englischlehrer zu arbeiten.

Der Entschluss, die Welt zu Fuß zu erkunden, sei langsam gereift, erzählt Meurisch, der zuvor eine Elektrikerlehre absolviert, als Versicherungsvertreter und bei einem Münchner Outdoor-Ausrüster gearbeitet hat. 2009 auf dem Jakobsweg nahm die Idee Gestalt an: "Ich war neugierig, wollte die Welt kennenlernen, hatte aber kein Geld dafür." Obwohl er oft zweifelte, sich etwa fragte, was er im Fall einer Krankheit tun würde, plante er weiter, berechnete, dass er täglich 16 Kilometer schaffen könnte, kündigte sämtliche Versicherungen und seine Wohnung. Nur eine Auslandskrankenversicherung schloss er ab. Allerdings verlängerte er sie nicht, als er nach einem Jahr nicht ein einziges Mal krank geworden war. "Wenn man das tut, was einem Spaß macht, dann wird man nicht krank", ist Meurisch überzeugt.

Abreise war am Tag nach seinem Geburtstag 2012. Hungrig und müde von der Feier stand er in München am Isartor, Geld hatte er keines. Er ging in eine Bäckerei, berichtete von seinem Vorhaben - und bekam eine Butterbrezn geschenkt. Die erste Nacht verbrachte er in einem Wirtshaus in Forstinning. Der Wirt lud ihn ein, umsonst zu übernachten und zu essen: Er habe selbst davon geträumt, die Welt zu erkunden, das aber aufgrund familiärer Verpflichtungen nie gewagt. Nach drei Tagen überschritt er die Grenze nach Österreich.

Die ersten beiden Wochen seien sehr strapaziös gewesen, denn die ungewohnten 30 Kilo in seinem Rucksack hätten gnadenlos gedrückt. Viel zu viel habe er eingepackt, sagt Meurisch, aber es habe ihm Sicherheit gegeben, gut gerüstet zu sein. Nach zwei Wochen hatte sich sein Körper an die Last gewöhnt. Manchmal empfahlen ihm Ortskundige, einen Umweg zu nehmen, um bei Verwandten unterzukommen oder einen schönen Landstrich zu sehen. Oft habe er in den Dörfern nach Arbeit gefragt - gegen Kost und Logis.

Überall waren die Menschen neugierig auf seine Geschichte, die Verständigung klappte mit Händen und Füßen. Wo er länger blieb, lernte Meurisch Brocken der Landessprache. Besonders gefallen habe ihm Rumänien, sagt er, gefürchtet habe er sich in den vier Jahren nie. Drei Monate hielt es ihn in der Türkei, die Grenze zwischen Europa und Asien überquerte er im neuen, noch nicht fertigen Eisenbahntunnel 70 Meter unter dem Bosporus, denn die beiden Autobrücken seien für Fußgänger gesperrt, so Meurisch. Auf keinen Fall wollte er seinen Weg auf dem Wasser fortsetzen.

Während man in der Türkei wenig Alkohol und viel Tee trank, war Georgien für Meurisch ein Schock, denn er wurde ständig eingeladen, Selbstgebranntes aus Wassergläsern zu trinken. Im Iran durfte er nur 90 Tage bleiben, sein Touristenvisum musste er alle 30 Tage verlängern. Die Menschen im Iran seien froh gewesen, einen Ausländer zu treffen, da dort keine Nachrichten aus dem Ausland erlaubt seien, schildert Meurisch. Drei Monate blieb er hier und unterrichtete Deutsch und Englisch, bevor er nach mittlerweile drei Jahren in ein Land kam, das auf ihn wie ein anderer Planet wirkte: Indien. Die Menschen hätten keine Privatsphäre, es sei ihm sehr schwer gefallen, sich an die Massen zu gewöhnen. Dennoch blieb er vier Monate, die meiste Zeit davon in Dharamsala, dem Exil des Dalai Lama, und lernte die tibetische Kultur kennen, bevor er nach Tibet reiste und sich auf den Weg nach Lhasa machte.

Dieser Endpunkt seiner Reise sei unerfreulich gewesen, denn er durfte sich in den sieben Tagen dort nie ohne seine chinesische Aufpasserin bewegen, was ihm nach vier Jahren freiem Wandern sehr schwer gefallen sei, so Meurisch. Um sich auf dem Rückweg allmählich wieder an Europa zu gewöhnen, trampte er auf Lastwagen zurück. In Bayern entschied sich der Weltenbummler, wieder im Ampertal Wurzeln zu schlagen und lebt nun in Inkofen. Er legt seine Wege kaum noch zu Fuß, sondern meist mit dem Fahrrad oder der Bahn zurück, arbeitet wieder als Verkäufer für Outdoor-Ausrüstung und als Coach. Seine Erlebnisse möchte er in einem Buch veröffentlichen und sucht dafür noch einen Verleger. Außerdem berichtet er in Bildervorträgen über seine vierjährige Wanderung.

Meurischs nächster Vortrag ist am Donnerstag, 5. April, 19 Uhr, im Theatersaal der Haager Grundschule, Pfarrer-Weingand-Straße 5, zu hören.

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