Süddeutsche Zeitung

A 94 Tempolimit:Söders großspurige Symbolpolitik

Das Wahlkampfgeschenk des Ministerpräsidenten brachte den Anwohern kaum etwas und war auch noch rechtswidrig. Eine typische Markus Söder-Nummer.

Kommentar von Florian Tempel

Drei Monate nach der Eröffnung der Isentalautobahn und zwei Monate vor der Kommunalwahl in Bayern hatte sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) persönlich der Sache angenommen. Am 8. Januar in Hammersdorf erfuhr er, wie das ist, wenn der Autobahnlärm ungehindert zu einem kleinen, einst idyllisch gelegenen Weiler herüberweht. Geduldig hörte er mehreren A 94-Anwohnerinnen zu, die ihm von schlaflosen Nächten, zerrütteten Nerven und zerstörter Lebensqualität berichteten. Dann sprach er selbst - durch ein Megafon - und als er fertig war, waren die Leute baff. Damit hatte niemand gerechnet. Keiner hatte erwartet, dass Söder ihnen ein Tempolimit auf der A 94 versprechen würde. Natürlich war das eine Forderung von vielen. Doch längst war ihnen auch klar geworden, dass Tempolimits in Deutschland, wo nicht wenige bedingungslosen Highspeed für ein Menschenrecht halten, rechtlich nur schwer durchzusetzen sind. Söder zauberte es trotzdem aus dem Hut.

Eine typische Politshow des Ministerpräsidenten. Er habe sich ja vorab über die Situation an der Isentalautobahn informiert, sagte Söder, und sich Gedanken dazu gemacht. Ein Tempolimit ab Februar habe er schon mit dem dafür zuständigen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) besprochen: "Er ist grundlegend einverstanden - ich habe ihn überzeugt." Dass es eine kaum lärmwirksame Beschränkung auf Tempo 120 werden würde, sagte er nicht. Er nannte es aber auf alle Fälle schon mal "ein Zeichen der Glaubwürdigkeit" - von was auch immer.

Dass ein Gericht Söders Wahlkampfgeschenk nun als rechtswidrig einkassiert hat, zeigt erneut die Diskrepanz, die zwischen der Großspurigkeit seiner Ankündigungen und den kläglichen Resultaten liegt. Es ist genau wie beim Corona-Testchaos oder der unlängst gerichtlich festgestellten Luftnummer mit der bayerischen Grenzpolizei. Das A 94-Tempolimit hat den Anwohnern fast nichts gebracht und es ist amtlich illegal.

Söder hat in Hammersdorf, zwei Monate vor der Wahl, den Leuten noch mehr versprochen. Er befürworte den Bau von Lärmschutzwänden - "da bin ich sehr dafür". Man sollte dabei nicht sparsam, sondern möglichst großzügig sein. Denn: "Weil wir hier eine neue Strecke haben, muss der Staat eine höhere Sorgfalt walten lassen als bei einer bestehenden Strecke." Notwendig wäre es auch, dass der Ministerpräsident höhere Sorgfalt darauf verwendet, das einzuhalten, was er verspricht.

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Quelle:
SZ vom 05.09.2020
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