Land unter in Dorfen:"Wir werden überschwemmt von Wasser"

Land unter in Dorfen: Das Anwesen Kaidach 5 wird seit dem Autobahnbau regelmäßig überschwemmt, weil Wasser von der nahen A94 ohne Ablauf abfließt - einfach so.

Das Anwesen Kaidach 5 wird seit dem Autobahnbau regelmäßig überschwemmt, weil Wasser von der nahen A94 ohne Ablauf abfließt - einfach so.

(Foto: privat)

Weil beim Bau der A 94 offenbar bei der Autobahnentwässerung gemurkst wurde, werden im Ortsteil Schwindkirchen nun wiederholt private Grundstücke und Häuser überflutet. Der Stadtrat will jetzt selbst für Abhilfe sorgen - und die Regierung von Oberbayern zur Rechenschaft ziehen.

Von Florian Tempel

Seit dem Bau der Autobahn A94 nehmen Überflutungen nach starkem Regen im Dorfener Ortsteil Schwindkirchen zu. Allein in den vergangenen zwölf Monaten stand zweimal das Wasser in den Straßen, floss über Grundstücke und in mehrere Häuser hinein. Der Grund ist offensichtlich Murks bei der Autobahnentwässerung. Nachdem geplante Versickerungsbecken nicht gebaut worden sind, wird das Regenwasser von der Autobahn offenbar unreguliert abgeleitet. Die Stadt Dorfen hat am Mittwochabend beschlossen, selbst möglichst schnell für Abhilfe zu sorgen. Schutzmaßnahmen für Schwindkirchen wurden - ebenso wie für die Siedlung am Seebach in Oberdorfen und Gebiete in Grüntegernbach - als vorrangig und dringend festgelegt. In einem Gutachten sind insgesamt 17 Starkregen-Risikogebiete in Dorfen erkannt worden.

Nachdem Ende August 2021 in Schwindkirchen an mehreren Stellen Land unter war, wiederholte sich das Ganze in diesem Jahr an Pfingsten. Mehrere betroffene Schwindkirchener wandten sich daraufhin in einem Schreiben an die Stadtverwaltung. Nun wurde das Thema im Klima- und Umweltausschuss behandelt. Und es zeigte sich, dass die ganze Sache ein veritabler Skandal ist.

Land unter in Dorfen: Braunes Wasser in einer Küche in einem Haus in Schwindkirchen.

Braunes Wasser in einer Küche in einem Haus in Schwindkirchen.

(Foto: privat)

Jürgen Dietrich, der Leiter des Dorfener Tiefbauamts, ist ein erfahrener Beamter, der die Tücken der Behördenwege genauso kennt wie die ständigen Probleme auf Baustellen aller Art. Doch an diesem Abend war er ernsthaft und sichtlich verärgert. Im Planfeststellungsverfahren für die Isentalautobahn war im Bereich westlich von Schwindkirchen der Bau von Versickerungsbecken vorgesehen, die selbst einem hundertjährigen Regenereignis standhalten sollten, erklärte er. In der Bauphase habe sich dann aber herausgestellt, dass wegen ungünstiger Bodenverhältnisse das Wasser gar nicht, wie gedacht, versickern würde. Stattdessen wurden "Änderungen und Einleitungen in Gewässer vorgenommen, die für diese Abflussmengen offensichtlich nicht ausgelegt sind", so Dietrich. Über diese Änderungen wurde die Stadt Dorfen, wie bereits bei den Planänderungen zum Lärmschutz auf Autobahnbrücken, im Genehmigungsverfahren nicht informiert.

Land unter in Dorfen: Über das Anwesen Kaidach 5 fließt nun regelmäßig Wasser, weil die A94 hier direkt auf das private Grundstück entwässert.

Über das Anwesen Kaidach 5 fließt nun regelmäßig Wasser, weil die A94 hier direkt auf das private Grundstück entwässert.

(Foto: privat)

An einer Stelle ist der Murks besonders eklatant. Beim Weiler Kaidach wird Regenwasser von der A 94 über dicke Rohre einfach ins Nichts abgeleitet. Es gibt keinen Graben, kein Becken, die Ableitung endet einfach so. Sobald es etwas stärker regnet, fließt das Wasser über den Hof des Anwesens Kaidach 5, hinten raus über einen Acker weiter zum Görgenbach und ab nach Schwindkirchen.

Alexander Urban wohnt seit sieben Jahren mit Freunden in dem alten Hof in einer Wohngemeinschaft. "Wir wissen, wie es vor dem Autobahnbau war", sagt er, "für uns ist klar sichtbar, dass sich viel geändert hat". In diesem Frühjahr bahnte sich der Regenwasserfluss dreimal seinen Weg über das private Grundstück. Am schlimmsten war es aber im August 2021. Fotos von damals zeigen das erschreckende Ausmaß.

Land unter in Dorfen: An der Unterführung bei Kaidach fließt Regenwasser von der A 94 ab. "Die Rohre von der Autobahn sind genau auf uns gerichtet", sagt Anwohner Alexander Urban.

An der Unterführung bei Kaidach fließt Regenwasser von der A 94 ab. "Die Rohre von der Autobahn sind genau auf uns gerichtet", sagt Anwohner Alexander Urban.

(Foto: privat)

Schockierend ist jedoch auch, dass das offensichtlich genau so einkalkuliert wurde. "Die Rohre von der Autobahn sind genau auf uns gerichtet", sagt Urban. Er und seine Mitbewohner hätten dabei noch während der Bauarbeiten auf diesen Missstand hingewiesen. "Es kann ja mal ein Fehler in der Planung passieren", so hätten er und seine Mitbewohner gedacht. Und nach einer Beschwerde beim A94-Infobüro in Dorfen sei damals ja auch jemand zu ihnen rausgekommen. "Er hat sich das angeschaut, Fotos gemacht und er schien selbst etwas betroffen gewesen zu sein - zumindest hat er sich so gegeben", erinnert sich Urban. Er hat den Mann nie wiedergesehen und auch sonst "ist danach nichts geschehen".

"Wir haben sie darauf hingewiesen - und die haben uns gesagt, das ist nicht in unseren Plänen drin, das interessiert uns nicht"

Stadtrat Heiner Müller-Ermann (SPD), langjähriger Sprecher des Aktionsbündnisses gegen die Isentalautobahn, erinnerte sich in der Sitzung am Mittwochabend noch weiter zurück. Schon in den Gerichtsverhandlung gegen die A94 habe man auf die Problematik der Autobahnentwässerung bei Starkregen in diesem Bereich hingewiesen. Das sei jedoch als irrelevant beiseite gewischt worden. Jürgen Dietrich berichtete, dass alle Hinweise auf die Unzulänglichkeiten der Entwässerung auch während der Bauphase vollkommen ignoriert worden seien. "Wir haben sie darauf hingewiesen - und die haben uns gesagt, das ist nicht in unseren Plänen drin, das interessiert uns nicht."

"Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Planung der A 94", sagte Stadtrat Günther Drobilitsch (Landlisten), "wir werden überschwemmt von Lärm und wir werden überschwemmt von Wasser". Er forderte, dass die Regierung von Oberbayern zur Rechenschaft gezogen werden müsse. "Derjenige, der es genehmigt hat, muss dafür geradestehen."

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