Stadtpark ErdingWaschbären versus Saatkrähen

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Ein Waschbär im Tierheim München-Riem.
Ein Waschbär im Tierheim München-Riem. (Foto: Florian Peljak)

Ein ehemaliger Forstdirektor empfiehlt den gezielten Einsatz der Kleinbären, um die Krähenpopulation zu reduzieren. Der Kreisvorsitzende des Jagdverbands lehnt das strikt ab. Einig sind sich beide in einem Punkt: Die Jagd auf Krähen bringe nichts.

Von Florian Tempel, Erding

Wie wäre es denn mit Waschbären? Waschbären könnten womöglich Bayerns größte Saatkrähenkolonie im Erdinger Stadtpark auf ein erträgliches Maß reduzieren. Das ist jedenfalls die Überlegung des Walpertskirchner Heinrich Knörr, Forstdirektor im Ruhestand. Man könnte doch mal drüber nachdenken, sagt er.

Die Idee geht in etwa so: Man bringt ein paar Waschbären, von denen es ja bekanntermaßen ziemlich viele gibt, im Frühjahr nach Erding. Heinrich Knörr denkt dabei an die Auswilderung von bereits gefangenen oder gefundenen Tieren, die aktuell in Gehegen leben. Im Stadtpark richtet man ihnen in einigen Metern Höhe an ausgesuchten Bäumen gemütliche Waschbärhöhlen ein. Dazu sollte man sie mit Fallobst oder Dörrobst und Ähnlichem füttern, damit sie sich an ihre neue Umgebung gewöhnen und um ihnen den Aufenthalt im Stadtpark besonders attraktiv zu machen. Schließlich würden die Waschbären, die hervorragend klettern können, zur Brutzeit an den Bäumen nach oben kraxeln und die Gelege in den Krähennestern ausräumen.

„Warum sollte man das nicht mal probieren?“, sagt Heinrich Knörr. Er sei zwar in Sachen Waschbären „kein Experte“. Doch es gäbe auf alle Fälle belegte Berichte, dass Waschbären andernorts Kormorane und Graureiher vertrieben haben, indem sie deren Eier stahlen und auffraßen. Und dass man die Krähen bejagt, so wie das in einem Pilotprojekt des Landesamts für Umwelt getestet werden soll, bringe sowieso nichts.

Dass es in Erding zu viele der schwarzen Vögel sind, wird keiner ernsthaft bestreiten. Die Hauptkolonie im Stadtpark ist die größte in ganz Bayern, mehr gibt es nirgendwo sonst im Freistaat auf einem Fleck. Die Anwohner des Stadtparks, die eigentlich so schön mitten in der Stadt nah am Grünen leben, auch und nicht zuletzt die Bewohner der Altenheime Fischers Seniorenzentrum und Heilig Geist Stift sind zu bedauern, wenn die weit mehr als 1000 Brutpaare sich im Frühjahr mit viel Geschrei um ihren Nachwuchs kümmern. Auch der Dreck, den die Vögel machen, ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität.

Der Landtag hat zwar beim Landesamt für Umwelt (LfU) ein Pilotprojekt zur Erkundung von effektiven Maßnahmen zur Eindämmung der in Erding und anderswo überhandnehmenden Krähen in Auftrag gegeben – in das jedoch viele schon jetzt, bevor es überhaupt richtig losgegangen ist, kaum Hoffnung setzen. Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) glaubt ebenso wenig wie der ehemalige Forstdirektor Heinrich Knörr, dass die sogenannte letale Vergrämung, also der Abschuss von Krähen, der nur außerhalb der Stadt auf umliegenden Feldern möglich wäre, einen nennenswerten Erfolg zeitigen kann.

Saatkrähen und ihre Nester im Erdinger Stadtpark.
Saatkrähen und ihre Nester im Erdinger Stadtpark. (Foto: Renate Schmidt)

Auch Thomas Schreder, der Vorsitzende des Kreisjagdverbands, studierter Biologe sowie Erdinger Stadt- und Kreisrat, hält nichts von der Krähenjagd auf den Feldern rund um Erding. Seine Einschätzung hat durchaus Gewicht. Denn Schreder sagt, „ich bin Teil des LfU-Projekts“. Er habe den Leuten vom Landesamt für Umwelt, mit dem er „in regem Austausch stehe“, bereits deutlich „signalisiert“, dass das Pilotprojekt, „so wie sie es gerade planen, wenig zielführend ist“. Ja, noch mehr: Es sei nicht einmal „durchführbar“, sagt Schreder. Er und die anderen örtlichen Jäger und Jägerinnen aus Erding und Umgebung würden sich nicht an einer Jagd auf Saatkrähen beteiligen.

Schreder nennt dafür mehrere Gründe. Es sei bei der Jagd auf offenem Feld nicht möglich, zu unterscheiden, ob man ein nicht brütendes Jungtier oder ein Elterntier auf Futtersuche ins Visier nehme. Erst nach dem Abschuss, wenn ein toter Vogel vor einem liege, könne man diese Unterscheidung machen. So gehe das aber nicht, sagt Schreder, und nennt das zweite Gegenargument: Jeder gewissenhafte Jäger müsse den „Muttertierschutz“ beachten. Deshalb sei ja im Frühjahr zur Brutzeit die Jagd grundsätzlich nicht erlaubt, „da darf man sonst auch keinen Vogel schießen“. Der dritte Punkt ist, dass man massenweise Krähen schießen müsste, um ihre Zahl in Erding zu reduzieren.

Auch der ehemalige Forstdirektor Heinrich Knörr weist auf diesen Aspekt hin: „Bei einer, in der Literatur mit etwa 55 Prozent bezifferten, natürlichen Sterberate der ein- bis zweijährigen Jungtiere hat die Entnahme etlicher erlegter Tiere keinen wirklichen Einfluss auf die Population.“ Waschbären, die Nester ausrauben, seien da viel effektiver.

Waschbären gehen gar nicht, sagt allerdings Thomas Schreder. Die Tiere gibt es zwar seit hundert Jahren in Deutschland. Dennoch seien sie keine heimische Art, die hier eigentlich nichts verloren habe. Und überhaupt: Waschbären seien vielerorts selbst ein Problem. Massenhafte Saatkrähen durch randalierende Waschbären zu ersetzen, das könne nicht die Lösung sein. Mal sehen, wie es weitergeht – wer hat die zündende Idee?

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