Equal Pay Day:Eine Frau als Busfahrerin? In München immer noch die Ausnahme

Equal Pay Day: In Bussen ist nur jeder zwanzigste Mitarbeiter hinter dem Steuer eine Fahrerin.

In Bussen ist nur jeder zwanzigste Mitarbeiter hinter dem Steuer eine Fahrerin.

(Foto: Robert Haas)
  • An diesem Sonntag erinnert der Equal Pay Day an die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen.
  • Der Verdienstunterschied, der Gender Pay Gap, liegt bei etwa sechs bis 21 Prozent.
  • ​Bei der Berufswahl wird auch in München weiterhin hartnäckig in geschlechtsspezifischen Klischees gedacht.

Von Inga Rahmsdorf

Als in München Schaffner für die Trambahnen fehlten, erlaubte man 1964 erstmals auch Frauen, sich für den Beruf ausbilden zu lassen. Es dauerte noch neun weitere Jahre, bis die erste Frau einen Linienbus durch die Stadt lenkte. Und selbst mehr als 50 Jahre später sind es immer noch überwiegend Männer, die für die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) die großen Fahrzeuge im öffentlichen Nahverkehr steuern. In den Fahrerkabinen von U- und Trambahnen sitzen zehn bis 15 Prozent Frauen. In Bussen ist nur jeder zwanzigste Mitarbeiter hinter dem Steuer eine Fahrerin.

Eine Frau als Busfahrerin, Dachdeckerin, Pilotin oder Polizeichefin: Das ist immer noch die Ausnahme. Ebenso wie Männer, die als Kinderpfleger, Kosmetiker, medizinischer Fachangestellter oder Altenpfleger arbeiten. Bei der Berufswahl wird weiterhin hartnäckig in geschlechtsspezifischen Klischees gedacht. Dabei gibt es längst Frauen und Männer, die zeigen, dass man besser seinen Interessen und Neigungen folgen sollte als stereotypen Bildern und gesellschaftlichen Erwartungen. Doch sie sind in der Minderheit. Im städtischen Klinikum München arbeiten in der Pflege 17 Prozent Männer. In ganz Oberbayern sind drei Prozent der Lehrlinge für Kfz-Mechatronik Frauen.

"Die Vorstellung, dass es Berufe gibt, für die Männer besser geeignet sind und umgekehrt, ist historisch gewachsen", sagt die Soziologin Paula-Irene Villa von der LMU. "Die ersten Berufe, die für Frauen überhaupt zugänglich und verfügbar waren, wurden als Fortsetzung der Tätigkeit als Hausfrau und Mutter gesehen, wie Krankenschwester und Erzieherin", so die Professorin. "Das hallt bis heute nach."

So werde auch immer noch die Vorstellung vermittelt, dass mit dem Geschlecht bestimmte Eigenschaften verknüpft sind. Oft finde das nicht explizit statt, sondern subtil. Es muss dafür niemand Mädchen sagen, dass sie für technische Berufe nicht geeignet seien, und Jungen, dass sie für soziale Arbeiten nicht taugen würden. Es reicht, einen Blick in Schulmaterialien und Kinderbücher zu werfen. "Da tauchen fast keine Männer als Hausmann auf und fast keine Frauen auf der Baustelle. Das sind Botschaften, die heute noch einen Teil zur Berufswahl beitragen", sagt Villa.

Stattdessen trifft man in Büchern zuhauf auf Mütter, die mittags Haustüren öffnen und sich einfühlsam um ihre Kinder kümmern, während die Väter arbeiten und mit den Kindern aufregende Abenteuer erleben. Dieses Bild von geschlechtsspezifischen Aufgabenverteilungen wird noch dadurch verstärkt, dass Mädchen und Jungen von der Geburt bis zum Ende der Grundschule überwiegend weibliche Bezugspersonen erleben, angefangen von der Hebamme, über die Erzieherinnen bis zu Grundschullehrerinnen.

Mehr Männer für die Kitas zu gewinnen, sei ein zentrales Ziel, heißt es beim Bildungsreferat. Bisher geht das aber nur schleppend voran. Knapp sieben Prozent der Fachkräfte in städtischen Kitas sind Männer. Bei anderen Trägern sieht es ähnlich aus. Immerhin ist bei den Praktika in Kitas der Anteil auf 20 Prozent gestiegen.

Zwischen Männer- und Frauenberufen zu unterscheiden, manifestiert nicht nur Klischees und verschlimmert den Fachkräftemangel. Es führt auch dazu, dass Männer in Deutschland weiterhin deutlich mehr verdienen als Frauen. Und das, obwohl auf dem Papier Gleichberechtigung herrscht. An die Lohnlücke erinnert an diesem Sonntag der Equal Pay Day. Der Verdienstunterschied, der Gender Pay Gap, liegt bei etwa sechs bis 21 Prozent, je nachdem, welche Faktoren man bei der Berechnung berücksichtigt.

"Je feminisierter ein Beruf ist, desto schlechter wird er bezahlt"

Frauen verdienen weniger, weil sie häufiger in Teilzeit arbeiten und längere Auszeiten vom Job nehmen. Weil sie häufiger Berufe wählen, die schlechter bezahlt werden als traditionelle Männerberufe. Und weil sie seltener Führungspositionen inne haben. Darüberhinaus erhalten sie aber auch für gleiche Arbeit immer noch weniger Lohn. Sei es, weil sie im Kopf des Arbeitgebers nicht als Ernährerinnen der Familie betrachtet werden, sei es, weil sie nicht so hart verhandeln wie Männer oder ihre Arbeit weniger wertgeschätzt wird.

"Je feminisierter ein Beruf ist, desto schlechter wird er bezahlt", sagt die Soziologin Villa. Erzieher und Krankenpfleger erhielten immer schon wenig Geld, weil es Frauen waren, die ja nur dazu verdienten. Als Ernährer galt der Mann. Und viele Männer schrecken bis heute vor diesen Berufen zurück, eben auch, weil sie finanziell so gering wertgeschätzt werden. Es ist ein Kreislauf, der sich hartnäckig erhält.

Blickt man in Münchens Berufsschulen, sieht es auch in der jungen Generation nicht so aus, als würden diese stereotypen Berufsvorstellungen aufbrechen. 170 Männer und vier Frauen lassen sich derzeit im Spenglerhandwerk ausbilden. Bei den Anlagemechanikern ist ein Prozent weiblich. Bei den Kosmetikern gibt es keinen männlichen Schüler.

Ebenso in der Hebammenschule. In dem Beruf hält sich wohl auch am hartnäckigsten die Vorstellung, dass eine Hebamme eine Frau zu sein hat. In Münchens Geburtskliniken, ja, in ganz Bayern, gibt es keinen einzigen männlichen Entbindungshelfer. Über männliche Gynäkologen hingegen wundert sich niemand. Und die Chefs von Münchens großen Frauenkliniken sind: Männer. Einzige Ausnahme ist da Marion Kiechle, Direktorin der Frauenklinik im Klinikum rechts der Isar.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: