Konzertsaal:München streitet über den "Schneewittchen-Sarg"

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  • Der Siegerentwurf für das künftige Konzerthaus im Werksviertel wurde der Öffentlichkeit präsentiert.
  • Eine Jury hatte aus 31 Entwürfen ausgewählt, gewonnen haben die Vorarlberger Architekten Cukrowicz Nachbaur.

Von Christian Krügel und Michael Zirnstein, München

Ein "Schneewittchensarg", eine "Glasscheune", "Seehofers Gewächshaus" oder "transparenter Klangspeicher" - seit Freitagabend ist der siegreiche Entwurf für Münchens neues Konzerthaus bekannt, und schon wird in der Stadt und in den sozialen Medien heftig gestritten über die Qualität des Entwurfs, mit dem die Vorarlberger Architekten Cukrowicz Nachbaur gewannen.

"Ein richtiger Streit um Architektur - das ist großartig in dieser Stadt, in der es beim Bauen sonst immer nur um Gewinn- und Flächenmaximierung geht", sagt der FDP-Stadtrat und frühere Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch. Er gehörte dem Preisgericht an. Letztlich habe er auch für das Glaskonzerthaus votiert, weil die Vertreter des BR-Symphonieorchesters (BRSO) davon so angetan waren.

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31 Entwürfe wurden von Architekturbüros aus der ganzen Welt eingereicht. Diese fünf kamen in die engere Auswahl.

Von Christian Krügel

Tatsächlich schwärmen die Musiker von dem Entwurf, der originell, spannend und zugleich hoch funktional sei, so Klarinettist Werner Mittelbach, der die Musiker in den Konzertsaalgremien vertritt. "Ein Konzerthaus ist eben nicht nur Musik, sondern ein hochkomplexes Projekt", sagt Orchestermanager Nikolaus Pont. Und das hätten die Bregenzer Architekten bestens gelöst.

Auch die Bürger wollen jetzt endlich mitreden. Bis zum Abend strömen mehr als 1000 Menschen am Sonntag ins Werksviertel, um die 31 Modelle zu begutachten. Schon eine Viertelstunde vor Eröffnung der Ausstellung wartet Albrecht Müller vor der Galerie White Box. Einst sei er im Rohbau der Philharmonie auf den Betonstufen herumgestapft, erzählt der Konzert-Abonnent. Auch hier ist er der Erste: "Die sollten die Bürger früher fragen."

Um den Siegerentwurf mitten im Raum scharen sich die Interessierten. "Nicht sehr spektakulär", sagt ein junger Mann, "wie die Arche Noah. Und, wie gefällt Ihnen das Trum?" Er blickt den Mann vis-à-vis an und haut auf die Vitrine, dass die wackelt. "Bei den Sachverständigen nannten wir es Gletschereis", erwidert der Gefragte, als Leiter des Orchesterbüros gehörte er zu den Beratern. Johannes Backhaus ist eigentlich hier, um seiner Frau zu zeigen, womit er sich in den letzten Monaten beschäftigt hat.

Aber immer mehr Menschen folgen ihm wie einem Museumsführer - sie wollen verstehen, warum das Vorarlberger Glashaus siegte, und nicht etwa der verschachtelte Turm der PFP Planungs GmbH auf dem zweiten Platz. Der sei so majestätisch und weithin sichtbar, ruft ein Mann. "Aber was nutzt Ihnen ein Auto, das wunderschön ist, aber nur vorwärts fährt, nicht rückwärts", bremst ihn Backhaus. Ein Konzerthaus müsse vor allem funktional sein. "Wir haben hier beim zweiten Platz die Toiletten gezählt - die reichen einfach nicht."

Familien mit Kindern und Pärchen machen ihren Sonntagsausflug in die White Box, Architekturstudenten fotografieren Pläne ab, ein Mann führt seine Frau zum Fenster. Martin Wöhr zeigt auf das umzäunte Baufeld und die Brachen, auf denen noch eine Grundschule und ein Hotel errichtet werden. Er ist Vorsitzender der Freunde des BRSO. Der Sieger gefällt ihm, der Ort nicht so: "Das Teil hätten wir auch im Finanzgarten untergebracht."

Neugierig studieren Romana Steflova und Jakub Kricka die Preisträger. Ihr Entwurf ist nicht dabei, er steht eine Etage tiefer bei den unprämierten Modellen. In ihrem Praktikum im spanischen Büro Menis haben die 26-jährigen Prager an dem Wettbewerb mitarbeiten dürfen. Sie sind nicht traurig, dass sie verloren haben. "Es war eine unglaubliche Erfahrung, Teil von dem Ganzen zu sein." Das gläserne Konzerthaus strahlt jetzt schon über die Stadt hinaus.

© SZ vom 30.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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