Süddeutsche Zeitung

Entwicklungshelferin Maria Dillmann:"Mir geht dort das Herz auf"

Die Studentin Maria Dillmann hat einen Verein zur Unterstützung eines Krankenhauses in Tansania gegründet. Ein Gespräch über Motivation, Hürden und Löwen im Flur.

Lisa Meyer

Maria Dillmann (22), Medizinstudentin aus Vaterstetten, ging 2006 nach dem Abitur nach Tansania, um in einem Kindergarten und Aids-Waisenhaus im Süden des Landes mitzuhelfen. Nach einem halben Jahr Freiwilligendienst, entschloss sie sich, in das Dorf Endulen zu gehen und im dortigen im Busch-Krankenhaus mitzuhelfen. Endulen liegt im Nordosten Tansanias inmitten des Ngorongoro-Nationalparks und ist von der Zivilisation völlig abgeschnitten. Das einzige befestigte Gebäude dieser Gegend ist das 72-Betten-Krankenhaus "Endulen Hospital", das weder an das Straßen- und Stromnetz noch an die Wasserversorgung angeschlossen ist. Zurück in Deutschland stand für Sie fest, die Arbeit des Krankenhauses auch zukünftig unterstützen zu wollen. Im Februar 2008 wurde sie Mitgründerin des Vereins "Endulen e.V. - Trage es im Herzen mit!".

sueddeutsche.de: Maria, Sie studieren Medizin und organisieren nebenbei einen Verein, der ein Tansanisches Krankenhaus unterstützt. Was treibt Sie an?

Maria Dillmann: Mir geht dabei einfach das Herz auf. Ich schöpfe Kraft aus dem Kontakt zu den Leuten in Tansania. Aber auch die Einstellung der Leute fasziniert mich: Wenn ich dort bin, habe ich nie das Gefühl, gestresst zu sein, obwohl es viel zu tun gibt. Auch die Herzlichkeit der Tansanier ist außergewöhnlich. Als ich nach fast einem Jahr in Tansania nach Deutschland zurückgekommen bin, hatte ich erst große Probleme mit meiner Umgebung zurecht zu kommen, mit den ganzen Geräuschen und Lichtern.

sueddeutsche.de: Das "Endulen Hospital" ist für 75.000 Menschen zuständig - da gibt es bestimmt viel zu tun...

Dillmann: Ich habe in der Pharmazie-Abteilung des Krankenhauses mitgeholfen, dafür war zuvor nur eine Mitarbeiterin zuständig. Meine Hilfe war bitter nötig, ich habe die grundlegendesten Dinge angepackt: Sauber gemacht, die Medikamente katalogisiert, abgelaufene Packungen entsorgt, den Rattendreck und tote Fledermäuse entfernt. Ansonsten konnte ich noch in einem kleinen Operationssaal und sogenannten Outreach Clinics helfen. Das sind mobile Stationen, die umliegende Dörfer abfahren, um die Patienten zu versorgen. Weil das Einzugsgebiet so groß ist, können nicht alle den weiten Weg zurücklegen.

sueddeutsche.de: Welche Projekte konnten Sie seit Ihrer Zeit in Tansania verwirklichen?

Dillmann: Wir haben die Krankenhausdächer neu gestrichen und abgedichtet, Hauswände verputzt, einen kleinen Operationssaal erneuert, ein Labor renoviert und vier Wassertanks errichtet. Das Krankenhaus steht mitten in einem Naturschutzgebiet und eigentlich dürfen keine großen Zäune um die Klinik errichtet werden. Die Nachtschwester hat bei ihrem Rundgang schon einen Löwen im Gang getroffen. Jetzt haben wir eine Lösung gefunden, mit der wir das Krankenhaus umzäunen konnten und die Naturschutzbehörde einverstanden ist. Im Sommer wurde außerdem der Entbindungssaal renoviert und nach der Regenzeit wird ein neuer Gynäkologietrakt gebaut.

sueddeutsche.de: Das klingt nach vielen Erfolgserlebnissen. Welches Projekt ist Ihnen persönlich besonders nahe gegangen?

Dillmann: Die bewegendste Geschichte war die eines kleinen Mädchens mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte. Sie konnte nicht essen, nicht trinken, nicht sprechen. Wir haben sie bei einer Routineuntersuchung unterwegs entdeckt. Nach ewigen Telefonaten mit Chirurgen in Tansania und der Suche nach Spendern in Deutschland, konnten wir ihr für nur 300 Euro eine Operation ermöglichen. Mittlerweile ist das Mädchen putzmunter, richtig aufgeblüht und geht in die Schule. Es ist einfach wunderschön, ihre Entwicklung zu beobachten.

sueddeutsche.de: In Deutschland wurden Sie wieder in eine andere Welt katapultiert. Wie haben Sie Ihr Engagement aufrecht erhalten?

Dillmann: Ich hatte mit dem anderen deutschen Helfer Florian Schneider einiges geschafft während unserer Zeit in Tansania. Die Idee mit dem Verein ist uns schon in Endulen gekommen. Es war klar, dass wir das Krankenhaus gerne weiter unterstützen würden. Seit der Vereinsgründung im Februar 2008 sind wir in regelmäßigen Abständen immer wieder selbst in Endulen. Vor Ort können wir die Projekte, die wir anstoßen, besser verfolgen. Wir möchten selbst beurteilen, wo Not am Mann ist und Handlungsbedarf besteht. Wir möchten mit wenig Geld möglichst viel erreichen. Da wir selbst entscheiden, können wir auch Transparenz zu unseren Sponsoren aufbauen. Außerdem erzählt man von den einzelnen Projekten natürlich ganz anders, wenn man selbst Feuer gefangen hat.

sueddeutsche.de: Was waren bislang die größten Herausforderungen?

Dillmann: Viele meiner Freunde haben gedacht, dass ich mir mit dem Verein nur eine Flause in den Kopf gesetzt habe. Es ist mein Wunsch als Ärztin nach Tansania zu gehen und das nicht nur für ein halbes oder ganzes Jahr. Vielleicht für immer.

sueddeutsche.de: Gab es auch Momente, in denen Sie gerne alles hingeschmissen hätten?

Dillmann: Ja, aber diese Momente lassen mich nicht an dem Projekt an sich zweifeln. Das liegt eher daran, dass mir manchmal alles zu viel wird. Aber ich weiß, dass das der richtige Weg für mich ist.

sueddeutsche.de: Sie betonen die kulturellen Unterschiede - gab es auch deutsche Eigenheiten, die Ihnen gefehlt haben?

Dillmann: Ja, die Zuverlässigkeit und die Art zu Arbeiten. Die Geschwindigkeit und Zielstrebigkeit, mit der wir Deutschen arbeiten, die ist eine andere. Da es in Tansania auch sehr viel Korruption gibt, ist es noch schwieriger. Manchmal habe ich mir gedacht: "Jetzt gehen wir bitte nicht noch zum fünften Mal Tee trinken, das ziehen wir jetzt durch."

sueddeutsche.de: Das Erdbeben in Haiti zeigt, dass die Spendenbereitschaft der Deutschen zumindest nach großen Katastrophen sehr groß ist. Ist es schwierig für Sie, in Deutschland Unterstützer zu finden?

Dillmann: Insgesamt ist die Resonanz positiv, weil alle Spenden eins zu eins in unsere Projekte fließen. Es geht nichts verloren für Verwaltung und Bürokratie, wir machen alles ehrenamtlich. Längerfristige Unterstützung aufzubauen ist aber schwer.

sueddeutsche.de: Und wie war die Rückmeldung der Tansanier?

Dillmann: Ich erlebe immer wieder wahnsinnig bewegende Momente, in denen man eine tiefe Dankbarkeit der Massai merkt. Es ist eine andere Dankbarkeit, als wir sie kennen. In Tansania wird einmal Danke gesagt und dann geht die Person wieder. Du merkst aber an ihrem Verhalten in Zukunft oder an den Dingen, die sie ihren Freunden erzählt, wie groß die Dankbarkeit ist. Das zeigt auch der Name, der mir von Massaifrauen gegeben wurde. Er heißt übersetzt: "Das Mädchen, das geliebt wird".

Weitere Informationen unter www.endulen.de.

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