Nur der Behelfsbau bleibt ihnen: ein kleiner Gebetsraum mit ein paar weiteren Zimmern in einem Häuschen in einer Seitenstraße - statt einer großen Moschee mit offenen Fassaden, mit Läden, Akademie, Café und Museum im Kreativquartier an der Dachauer Straße.
Das Projekt ist gescheitert: 4,5 Millionen Euro hätte Imam Benjamin Idriz alleine für das Grundstück benötigt, nur eine Million ist zusammengekommen. Ende Juni verkündete er das Aus. Es hatte sich abgezeichnet, für die Muslime im Münchner Forum für Islam (MFI) war es trotzdem ein Schock. Und doch: Sie wollen noch immer hoffen.
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Am Ende fehlten Millionen für den Bau der Moschee in der Dachauer Straße. Die Befürworter arbeiten jedoch schon an einem neuen Konzept.
Es ist Freitagmittag, wenige Tage nach dem Aus. Die Gläubigen haben sich zum Freitagsgebet versammelt, sie hocken dicht gedrängt in der Behelfsmoschee des Vereins an der Hotterstraße 16. Vor ihnen steht Imam Belmin Mehić und predigt, die Ernüchterung im Saal ist mit Händen zu greifen. Doch der Imam macht Mut. "Unser Scheitern sollte uns nicht zum Aufgeben verleiten, sondern uns vorantreiben", sagt er.
Neun Jahre lang hätten sie ihr Herzblut investiert, um Münchens Muslimen ein repräsentatives Zentrum zu geben. Das sei vorerst misslungen. Aber der Traum von einem religiösen Zuhause könne doch noch Wirklichkeit werden, das zeige die Nachfrage nach der provisorischen Moschee an der Hotterstraße, sagt Mehić. Man müsse sich nur weiterhin anstrengen, und das stärker als bisher.
Die Gläubigen im MFI: Sie schwanken zwischen ihrer Enttäuschung und einer vagen Hoffnung, dass es irgendwann, irgendwo weitergeht - und diese Hoffnung gibt es nicht nur an der Hotterstraße. Denn obwohl die Welt der Moscheevereine in München vielfältig ist: Auch in anderen Gemeinden hatten Muslime das Projekt mit Sympathie verfolgt.
Für einen Neuanfang muss das Scheitern aufgearbeitet werden
Die Enttäuschung sei jetzt sehr groß, sagt zum Beispiel die Anwältin Gönül Kurt, die verschiedene islamische Gemeinden in München betreut. Gerade sei sie zum Fastenbrechen bei einem türkischen Moscheeverein gewesen, und auch dessen Mitglieder hätten sich einen anderen Ausgang erhofft.
Nachdem vor sechs Jahren der Bau einer Moschee am Gotzinger Platz scheiterte, sei Idriz für viele ein Hoffnungsträger gewesen: gut vernetzt, redegewandt und mit Erfahrung im Dialog der Religionen. "Auch ich habe mir sehr gewünscht, dass es jetzt klappt", sagt Kurt. Nun würden sich viele fragen, wieso die Stadt Idriz nicht noch mehr entgegengekommen sei.
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Von Wohlwollen für Idriz spricht auch Ahmad Al-Khalifa, der Imam des Islamischen Zentrums in Freimann. In seiner Gemeinde hätten sich die Menschen über einen Erfolg für Idriz gefreut, sagt er. Das MFI sei doch ein Projekt für alle gewesen, Muslime wie Nicht-Muslime. Konkurrenz durch eine neue, repräsentative und liberale Moschee fürchte er nicht: "Es gibt weit mehr als 100 000 Muslime in München, die passen sowieso nicht in eine einzige Moschee. Auch wir hoffen, dass das Projekt mit etwas Abstand in den nächsten Jahren wiederbelebt werden kann."
Für einen Neuanfang aber müsste erst das Scheitern aufgearbeitet werden. Das MFI selbst sieht sich unter anderem als Opfer der Weltpolitik: Der Terror von Paris und Kritik an Saudi-Arabien hätten Spender im arabischen Raum abgeschreckt, an die sich Idriz gewendet hatte, heißt es. Münchner Firmen hätten zudem Vorbehalte geäußert, das MFI könne ihren arabischen Geschäftspartnern zu liberal sein.
Andere Moscheen müssen selber kämpfen
Richtig ist aber auch: Bei aller Sympathie in anderen Gemeinden stand das MFI im muslimischen München weitgehend alleine da. In der Stadt gibt es mehr als 40 islamische Gemeinden; die meisten aber haben kaum genug Geld für sich selbst, geschweige denn für den Moscheebau anderer.
Einzelne genießen noch dazu keinen guten Leumund: Zwei Moscheevereine etwa gehören dem Verband Milli Görüş an, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird, und der Moschee in Freimann wird eine Nähe zur Muslimbruderschaft nachgesagt. Imam Al-Khalifa sagt, er habe Idriz auch deshalb nicht unterstützt, weil er nicht schaden wollte - und weil er nicht darum gebeten worden sei.
Es bleiben die großen Islam-Verbände; und die ließen Idriz außen vor. Anfangs habe es einmal einen Anfrage gegeben, erinnert sich Aykan İnan, der stellvertretende Vorsitzende des südbayerischen Landesverbands der Ditib, der vom türkischen Staat beaufsichtigten Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion, in der in München sechs Moscheevereine organisiert sind.
Doch Ideen und Konzepte hätten sich zu stark unterschieden, deshalb sei es nicht zur Kooperation gekommen. Überhaupt sei die Ditib ja bundesweit organisiert, sagt İnan. Vieles, was das MFI plane, gebe es hier bereits. Emotional habe man das Projekt daher eher neutral verfolgt. "Wir haben unsere Struktur ja schon. Etwas Neues aufzubauen, haben wir nicht für nötig gehalten", sagt er.
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Mit jedem Jahr werden es mehr Moscheen hierzulande. Bei vielen klappte der Bau ohne Probleme - wenn das Vorhaben transparent war.
Wie es mit dem MFI tatsächlich weitergeht, ist offen. Der Verein habe zuletzt zwei Baustellen gehabt, sagt Vorstandsmitglied Stefan Jakob Wimmer. Er sitzt im Erdgeschoss des Vereinshauses an der Hotterstraße; ein Zimmer weiter steht auf einem Tisch noch das Holzmodell des geplanten Neubaus. Es ist eine filigrane Arbeit, viel aber macht es nicht mehr her. Kinder haben mit ihm gespielt, einzelne Fassadenteile sind gebrochen.
Zu den Gebetszeiten sprengt die Nachfrage jeden Rahmen
Dieses Forum, die erste Baustelle, sei nun gestorben, sagt Wimmer. Aber der Vereinszweck des MFI sei immer noch der Moscheebau, daran hielten die Mitglieder fest. Und dann gebe es noch die zweite Baustelle, die Vereinsarbeit. Die gehe weiter.
Tatsächlich ist der Traum von der Begegnungsstätte, von dem Imam Belmin Mehić gepredigt hat, an der Hotterstraße bereits Wirklichkeit, zwar nur im Kleinen, aber dafür mit Blick auf die Türme der Frauenkirche. Seit zwei Jahren mietet das MFI hier zwei Stockwerke. Sie sind zur Anlaufstelle geworden, es gibt Vorträge, eine Jugendgruppe trifft sich, ein Helferkreis kümmert sich um Flüchtlinge.
Und zu den Gebetszeiten sprengt die Nachfrage jeden Rahmen. Die Moschee ist die einzige in der Altstadt, sieht man von einem Zimmer im Kaufhaus Oberpollinger ab. 80 Personen passen in den Gebetsraum im ersten Stock, zum Freitagsgebet aber kommen mehrere Hundert. Dann rollen sie auch im Erdgeschoss Teppiche aus, mehrere Besucher beten gar im Treppenhaus.
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Unionsfraktionschef Kauder hatte jüngst gefordert, der Staat müsse überwachen, was in Moscheen passiert. Doch vor allem viele "Hinterhofmoscheen" stehen schon jetzt unter Beobachtung.
Das kleine MFI an der Hotterstraße ist bereits heute eine Erfolgsgeschichte. Nur: Es ist ein Erfolg auf Zeit. Diese zweite Baustelle ist gefährdet, denn der Mietvertrag läuft im September 2017 aus. Das Haus soll abgerissen werden. Und der Eigentümer habe von Anfang an klar gemacht, dass es dabei bleibe, sagt Wimmer. Eine neue Immobilie gibt es noch nicht.
Bleibt es dabei, drohen die Muslime an der Hotterstraße ihre erst gefundene religiöse Heimat wieder zu verlieren. Das Haus sei offen und international, sagt etwa Bülent Somak. Er besuchte zuvor die türkische Moschee an der Schanzenbachstraße in Sendling. "In Deutschland bleiben normalerweise die Türken unter sich, so wie die Marokkaner, die Albaner und so weiter. Hier haben wir eine Begegnungsstätte."
Hier geht es nicht um Herkunft, sondern um Religion
Gesprochen wird Deutsch. Bettina Gramalla kommt auch deshalb bewusst hierher. Die Konvertitin ist deutsche Muttersprachlerin. In den anderen, oft landsmannschaftlich organisierten Moschee-Vereinen habe sie sich nicht heimisch gefühlt, sagt sie. Erst mit dem MFI habe sie einen Verein gefunden, bei dem es nicht um eine Nationalität gehe, sondern um die Religion.
Doch auch wenn die Hotterstraße wegfalle, bleibe vom MFI zumindest zweierlei, glaubt Stefan Jakob Wimmer: Nie zuvor habe es in Deutschland eine islamische Initiative gegeben, die eine so breite Unterstützung erfahren habe, darauf könne man hoffentlich aufbauen. Und selbst die Widerstände gegen die Moschee hätten der Sache letztlich genutzt: Die Aktionen der Partei "Die Freiheit" etwa hätten erst offengelegt, wie groß das Problem des Islamhasses sei.
Das Bewusstsein sei nun geschärft, es gab Menschen- und Lichterketten. Und Bayerns Verfassungsschutz widmet dem Problem mittlerweile eine eigene Extremismus-Kategorie: "Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit".