Süddeutsche Zeitung

Engpässe in Kreißsälen und Kliniken:Die Probleme beginnen bei der Geburt

  • Steigende Geburtenzahlen, räumliche Kapazitätsengpässe und die Schließung von Geburtshilfeabteilungen im Umland gestalten die Versorgung von Schwangeren und Neugeborenen in München schwierig.
  • Zuletzt mussten vermehrt Schwangere oder Frühchen in andere Kliniken - auch außerhalb Münchens - verlegt werden.
  • Die Stadt München prüft, wie sie die Engpässe bei der Neugeborenenintensiv- und Hebammenversorgung beheben kann.

Von Sven Loerzer

Der Pflegekräftemangel trifft immer stärker auch die Neugeborenen-Intensivstationen der Münchner Kliniken. Vor allem in den vergangenen Monaten sei es "zu einer vermehrt auftretenden kompletten Abmeldung aller sechs vorhandenen Neugeborenen-Intensivstationen" der höchsten Versorgungsstufe gekommen, berichtet Gesundheitsreferentin Stephanie Jacobs. Es fehlt an Intensivpflegekräften für Neugeborene, um die Kapazität von 74 Plätzen in diesem Bereich bereithalten zu können.

Besonders zu nächtlichen Zeiten könne es vorkommen, dass Schwangere, die vor einer Frühgeburt stehen, oder aber Frühchen "mit entsprechenden gesundheitlichen Risiken in andere Kliniken, auch außerhalb Münchens, verlegt werden müssen". Um den zunehmenden Abmeldungen entgegenzutreten, prüfe das Gesundheitsreferat derzeit Möglichkeiten der finanziellen und strukturellen Unterstützung.

Im Bemühen, die Engpässe in der Geburtshilfe und der ambulanten Hebammenversorgung zu beheben, setzt das Gesundheitsreferat dagegen schon auf konkrete kleine Schritte. Dem Gesundheitsausschuss des Stadtrats, der am Donnerstag erneut über die angespannte Situation berät, will Gesundheitsreferentin Stephanie Jacobs vorschlagen, ein Konzept für eine Hebammenkoordinierungsstelle zu entwickeln. Das neue Geburtshaus an der Theresienwiese soll einen Investitionskostenzuschuss bekommen, das Angebot zur Geburtsvorbereitung junger schwangerer Frauen verbessert werden. Im dritten Quartal soll es außerdem, wie bei den meisten Vorschlägen auf Antrag der Grünen/Rosa Liste, eine Expertenanhörung zur Situation der Geburtshilfe in München geben.

Steigende Geburtenzahlen in und um München bei räumlichen Kapazitätsengpässen in der stationären Geburtshilfe gestalten die Lage schwierig. Jacobs macht dafür auch Schließungen von geburtshilflichen Abteilungen im Umland, wie etwa in Gräfelfing, Bad Tölz und Bad Aibling, verantwortlich. Vor allem für die Schwangerschaftsvorsorge und die Wochenbettbetreuung fehlen Hebammenkapazitäten, klagt die Gesundheitsreferentin. Zwar seien die Honorare für alle Leistungen von Hebammen im vergangenen Jahr um 17 Prozent angehoben worden.

Aber gleichzeitig sei die klinische Geburtenbetreuung durch freiberufliche Beleghebammen neu geordnet worden, wodurch weitere Engpässe drohten. Das Interesse an der Hebammenausbildung ist in den letzten zehn Jahren drastisch gesunken, was wohl auch mit den stark gestiegenen Beiträgen zur Haftpflichtversicherung und schlechteren Arbeitsbedingungen aufgrund von Personalknappheit zusammenhängen dürfte.

Es soll eine Hebammenkoordinierungsstelle geben

Gefragter ist offenbar die akademische Hebammenausbildung, die aber in München bislang nicht angeboten wird. Die Katholische Stiftungsfachhochschule wäre bereit zu einem Pilotprojekt, aber es fehlt bislang an der Finanzierung durch das Wissenschaftsministerium. Stephanie Jacobs ist davon überzeugt, dass ein solcher Studiengang entscheidend dazu beitragen könnte, künftig mehr Hebammen für München zu gewinnen.

Sie will aber auch ein Konzept für eine Hebammenkoordinierungsstelle entwickeln lassen, in der das Modell der Hebammenpraxis in den Niederlanden mit den bereits in einigen deutschen Städten bestehenden Hebammenzentralen verknüpft wird. Diese vermitteln den Zugang zu einer freiberuflichen Hebamme. In den Hebammenpraxen sind meist drei bis vier Hebammen gemeinsam tätig, die sich gegenseitig vertreten und so eine 24-stündige Rufbereitschaft an Wochenenden bieten.

Mit 75 000 Euro will die Gesundheitsreferentin auch den Umbau für ein zweites Geburtshaus im Rahmen einer Hebammenpraxis an der Theresienwiese fördern. In den Praxis-Räumen an der Lindwurmstraße will das Team Schwangerenvorsorge, Wochenbettbetreuung und Geburtsvorbereitung anbieten, etwa 60 bis 100 Geburten sollen dort jährlich möglich sein.

Ausbauen will die Gesundheitsreferentin die Hebammenversorgung von jungen und minderjährigen Schwangeren, wie sie die Beratungsstelle für Natürliche Geburt und Elternsein anbietet. Dafür gibt es für drei Jahre einen jährlichen Zuschuss in Höhe von 36 000 Euro, um bei besonderem Bedarf, etwa bei Behinderungen, individuelle Geburtsvorbereitung anzubieten.

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SZ vom 17.04.2018/imei
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