Süddeutsche Zeitung

Verkehr in München:Aus für Tunnel durch den Englischen Garten

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Weil knapp 900 Bäume gefällt werden müssten, entscheidet sich die grün-rote Rathausmehrheit gegen den Bau des Projekts. Die Wiedervereinigung der Nord- und Südhälfte des Parks ist damit vom Tisch. Eine "fatale Fehlentscheidung", findet die CSU.

Von Andreas Schubert

Seit 1966 zerschneidet der Isarring den Englischen Garten in einen Süd- und einen Nordteil. Das wird auch so bleiben: Denn die grün-rote Rathausmehrheit hat nun der Wiedervereinigung des Parks endgültig eine Absage erteilt. Der Grund: Für den Bau eines Tunnels müssten nach Berechnungen des Baureferats knapp 900 alte Bäume fallen - ein Preis, der den Stadträten zu hoch ist.

Die Entscheidung hatte sich schon im November vergangenen Jahres abgezeichnet, als das Baureferat seine Baumbilanz vorgelegt hatte. Doch die Initiatoren des Projekts, das Architekten-Ehepaar Hermann Grub und Petra Lejeune, hatten bis zuletzt alles versucht, ein negatives Votum zu verhindern. Sie erstellten mit Hilfe der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung eine eigene Baumbilanz und kamen zu dem Schluss, dass für den Tunnelbau statt 890 großer Bäume mit einem Stammumfang von mindestens 80 Zentimeter nur 368 gefällt werden müssten.

Die Regierungsparteien im Rathaus, die dem Projekt grundsätzlich positiv gegenüber standen, haben sich deshalb noch einmal beim Baureferat erkundigt. Doch die Behörde blieb nach einer weiteren Prüfung bei ihren Zahlen. Grünen-Fraktionschefin Anna Hanusch teilte am Dienstag mit, "in Betrachtung der Klimabilanz dieses Bauvorhabens, in die neben den Baumfällungen auch die vielen Tonnen von verbautem Beton mit einfließen müssen, sehen wir uns nicht in der Lage, diesem Projekt zuzustimmen." SPD-Fraktionschef Christian Müller ließ verlauten: "Die Wiedervereinigung des Englischen Gartens ist eine charmante Idee." Dass für die Bauarbeiten aber viele Hundert alte und gesunde Bäume gefällt werden müssten, halte man nicht für den richtigen Weg. "Dieser Preis für den Tunnel wäre zu hoch", so Müller.

Diese Entscheidung macht das jahrelange Engagement der Initiatoren zunichte. Nachdem sie im März 2010 erstmals ihre Idee vorgestellt hatten, bekamen sie eine breite Unterstützung. Die Allianz-Umweltstiftung spendete eine Million Euro, Prominente warben für den Tunnel, unter ihnen Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel, "damit alte Wunden geheilt werden", wie auf einem Plakat mit seinem Konterfei stand. In Vogels Amtszeit wurde der Isarring durch den Englischen Garten gebaut.

Die Staatsregierung hatte eine Förderung von 35 Millionen Euro zugesagt

Auch die Münchnerinnen und Münchner fanden die Wiedervereinigung des Parks gut, der laut Landesdenkmalamt ein "Gartendenkmal von europäischem Rang" ist. Bei einer Umfrage sprachen sich 83 Prozent dafür aus. Doch schien der Tunnel zunächst an der Finanzierung zu scheitern, er galt als nicht förderfähig. Dann, 2016, erkannte die Staatsregierung dann doch den verkehrlichen Nutzen an und sagte eine Förderung in Höhe von 35 Millionen Euro für den nach damaliger Schätzung 125 Millionen Euro teuren Tunnel zu - und das, obwohl es bis dahin noch nicht mal einen Stadtratsbeschluss gegeben hatte.

Der erfolgte am 28. Juni 2017, und zwar einstimmig. Zuvor hatte das Bundesbauministerium den Tunnel zum Nationalen Projekt des Städtebaus erklärt und 2,7 Millionen Euro für die Planung spendiert. Dann übernahm das Baureferat die weiteren Planungen, Grub und Lejeune, die OB Dieter Reiter (SPD) 2018 für ihren Einsatz mit der Medaille München Leuchtet auszeichnete, waren nicht mehr involviert.

Jetzt sind die Initiatoren enttäuscht. Sie hätten es sich zumindest gewünscht, dass das Planfeststellungs-, also das Baugenehmigungsverfahren, für den Tunnel eingeleitet wird. Das hätte ohnehin ein paar Jahre gedauert, dann hätte für zehn weitere Jahre Baurecht gegolten, die wirtschaftliche Situation der Stadt hätte bis dahin besser sein können als heute, wie Hermann Grub schätzt.

Ein "zu Tode geplantes Mammutprojekt"

Doch nun ist das Projekt seiner Einschätzung nach "mausetot". Der einstigen Euphorie folge nun "eine kalte Dusche", sagt er. Petra Lejeune meint, aus der Idee einer einst harmlosen Unterführung sei ein "zu Tode geplantes Mammutprojekt" geworden. Die Stadtpolitik verkenne, dass der Englische Garten als Gartendenkmal auch ein Kulturgut und zudem wichtig für die Naherholung sei. Doch dies spiele in der Argumentation heute keine Rolle mehr.

Die CSU kritisiert die Abkehr vom Tunnel als "fatale Fehlentscheidung". Die Wiedervereinigung hätte "eine enorme Steigerung der Aufenthaltsqualität" nach sich gezogen, sagt Fraktionschef Manuel Pretzl. Der SPD-Fraktion wirft er vor, "Verrat am Andenken von Alt-OB Hans-Jochen Vogel" zu begehen, da dieser die Untertunnelung explizit befürwortet hatte.

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