SZ-Serie: Grün im Grau:Eine Bank für alle Kini-Fans

SZ-Serie: Grün im Grau: Maxruh oder Effnerruh heißt die Stelle im Englischen Garten, an der heute zwei Holzbänke stehen. König Max II. soll sich dort gerne mit seinem Hofgärtner aufgehalten haben, ob auch der Märchenkönig Ludwig II. dort war, ist nicht belegt.

Maxruh oder Effnerruh heißt die Stelle im Englischen Garten, an der heute zwei Holzbänke stehen. König Max II. soll sich dort gerne mit seinem Hofgärtner aufgehalten haben, ob auch der Märchenkönig Ludwig II. dort war, ist nicht belegt.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Im Nordteil des Englischen Gartens findet sich so mancher Lieblingsplatz - auch eine Stelle, von der aus mutmaßlich Max II. und sein Hofgärtner Carl von Effner gerne die Aussicht genossen haben. Für einen Besuch des Märchenkönigs fehlen aber die Belege.

Von Berthold Neff

Das wären sicher schöne Aussichten gewesen: Wenn es bewiesen wäre, hätte man allen Fans des Märchenkönigs Ludwig II. einen Platz in seiner Geburtsstadt München zeigen können, den er in seiner Jugend liebte, fast so sehr wie seine Schlösser, die er danach bauen ließ. Alle Kini-Fans hätten sich im Nordteil des Englischen Gartens schon mal einstimmen können für die anschließende Stippvisite in Neuschwanstein. Auf den historischen Plänen des Englischen Gartens ist diese Stelle allerdings nicht als Ludwigsruh verzeichnet, sondern wird dort anders aufgeführt - mal als Effnerruh, mal als Maxruh.

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(Foto: SZ-Karte/Mapcreator.io/HERE)

Wie es zu diesem Namen kam für diese etwas versteckt gelegene Stelle am Oberstförsterbach, unter der mächtigen, vierstämmigen Linde, lässt sich erklären. Michael Degle, der als Landschaftsarchitekt bei der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung auch für den Englischen Garten zuständig ist, vermutet, dass nicht nur König Max II. dort gern verweilte, sondern dass dies auch ein Lieblingsplatz seines Hofgärtners Carl von Effner war.

Als Max II. im Revolutionsjahr 1848 die Nachfolge seines Vaters Ludwig I. antrat, den Lola Montez um die Krone gebracht hatte, sah der Englische Garten schon so ähnlich aus wie heute. Er war sechs Jahrzehnte davor, als das Volk 1789 mit dem Sturm auf die Bastille die Französische Revolution einläutete, angelegt worden, nach dem Vorbild englischer Landschaftsgärten. Man wollte einen großzügig angelegten Park schaffen, der den Menschen das Gefühl vermittelte, mitten in einer urwüchsigen Natur unterwegs zu sein. Und zwar allen Münchnern, nicht nur dem Adel. Die Bürgerschaft sollte dort flanieren können und bewundern, wie kundige Gärtner die Natur so modellieren können, dass sie wie natürlich gewachsen aussieht. Friedrich Ludwig von Sckell, dessen erste gärtnerischen Arbeiten sich noch an den Idealen des Rokoko orientierten, empfand diese Anlagen mit ihren geraden Wegen und den symmetrischen Blumenbeeten schon bald als widernatürlich.

SZ-Serie: Grün im Grau: Der Englische Garten war von Anfang an nicht mit geraden Wegen und symmetrisch angelegten Blumenbeeten gedacht.

Der Englische Garten war von Anfang an nicht mit geraden Wegen und symmetrisch angelegten Blumenbeeten gedacht.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Was Kurfürst Karl Theodor dann 1789 von ihm forderte, entsprach viel mehr seinem Geschmack. Die ersten Wege skizzierte er noch selbst, indem er einfach durch die Gegend schritt und mit einem langen Holzstock mit Eisenspitze die Spur zog. Stets hatte er bei der Anlage dieses ersten öffentlichen Volksparks der Geschichte das große Ganze im Blick. Den Menschen, die dort unterwegs waren, sollten sich immer wieder neue Perspektiven eröffnen, "pittoreske Ansichten", wie er es nannte.

Auf den Übersichtsplänen ist die Stelle nicht eingezeichnet

Eine solche bot sich wohl schon damals an dem Punkt, der einst als Max- oder Effnerruh bekannt war, wie es die Pläne bezeugen, dessen Name aber dann in Vergessenheit geriet. Es ist nicht ganz einfach, die Stelle zu finden, weil sie auf den Übersichtsplänen, die an einigen Stellen im Nordteil des Englischen Garten zu sehen sind, nicht aufgeführt ist. Von den Spaziergängern, die dort mit ihren Hunden unterwegs sind, ist keine große Hilfe zu erwarten. "Ich gehe diese Wege jetzt schon 40 Jahre", sagt eine Frau mit Labrador, "aber diesen Aussichtspunkt kenne ich nicht". Da trifft es sich gut, dass in der Nähe des Mini-Hofbräuhauses, am Ende des schnurgeraden Gleiswegs, die Gärtnerin Stefanie Dolard arbeitet und sich die Zeit nimmt, einem den Weg zu zeigen.

Der Spazierweg führt an der linken Seite des Oberstjägermeisterbachs in ein paar Minuten an den gesuchten Fleck, auf dem zwei Bänke in Mahagonitönen zum Ausruhen einladen. Die Linde spendet Schatten, der Rosenbusch im Rücken würde duften, wenn er Blüten hätte. Vor ein paar Jahren sah das alles noch nicht so aus, aber Garten-Experte Michael Degle hat das Gebüsch gelichtet und die Aussicht wiederhergestellt, die wohl schon vor mehr als 100 Jahren zu bewundern war.

SZ-Serie: Grün im Grau: Pause auf der Bank - mit "Dakini", dem Hund: Auch heute werden die Sitzgelegenheiten gut genutzt.

Pause auf der Bank - mit "Dakini", dem Hund: Auch heute werden die Sitzgelegenheiten gut genutzt.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Zu bewahren sind solche Perspektiven nur, indem man die Natur in Schach hält, also notfalls auch mal einen gesunden Baum fällt, der sich in die historische Sichtachse gemogelt hat. Bäume, die mittlerweile Eingang in die Münchner Naturdenkmalliste gefunden haben, seien natürlich tabu, sagt Sven Klameth, Fachreferent für die bayerischen staatlichen Gärten mit Dienstsitz in Schloss Nymphenburg, dem Geburtsort von Ludwig II.

Das, was der Mensch tut, ist das eine. Manchmal sind es aber die Naturgewalten, die den Englischen Garten verändern. Ende Juli 1988, also ein Jahr vor den Feiern zum 200. Geburtstag des Englischen Gartens, gingen in der nördlichen Hirschau viele Solitärbäume durch ein Gewitter mit heftigen Sturmböen verloren. Zwei Jahre später, im Februar 1990, entwurzelte der Sturm Wiebke 200 mächtige Bäume.

In den Dreißigerjahren wurde ein Teil des Parks dem Haus der Kunst geopfert

Den einen oder anderen Aderlass hat der Park auch durch die Menschen zu verkraften gehabt. In den 1930er Jahren wurde ein Teil des Gartens dem Haus der Kunst geopfert, dann baute man eine kleine Straße zur Omnibusstraße aus, die bis 1973 sogar für den gesamten Individualverkehr offen war. Und nun ist wieder einmal die Trambahn durch den Garten im Gespräch, sie ist allerdings weder beantragt noch gar beschlossen. Und ob die Wunde, die der Isarring in den Garten geschlagen hat, je geschlossen wird, steht mehr als je in den Sternen. Im Frühjahr hat das grün-rote Rathaus-Bündnis das Vorhaben abgelehnt, die Verkehrsschneise zwischen Süd- und Nordteil zu schließen und die Autos durch einen Tunnel zu führen. Dafür, so die Begründung, müsste man zu viele Bäume fällen.

Bleibt zum Schluss noch die Frage, ob der Märchenkönig einst an der Maxruh Platz genommen hat. Aus den Aufzeichnungen des Kabinettssekretärs Franz von Pfistermeister geht hervor, dass Max II. eine rechte Mühe hatte, seinen ältesten Sohn für einen Morgenspaziergang zu motivieren. Ein paar Mal gelang es ihm wohl, aber sie hatten sich nicht viel zu sagen. Max II. wusste einfach nicht, "worüber er sich mit ihm unterreden" sollte, schreibt Pfistermeister. Hinzu kommt, dass Ludwig den Großteil seiner Kindheit auf Schloss Hohenschwangau verbrachte, also meist gar nicht in München war.

SZ-Serie: Grün im Grau: Königlicher Pausenplatz: die Maxruh im Englischen Garten.

Königlicher Pausenplatz: die Maxruh im Englischen Garten.

(Foto: Stephan Rumpf)
SZ-Serie: Grün im Grau: In memoriam dem Hü - gemeint ist der Karikaturist Ernst Hürlimann.

In memoriam dem Hü - gemeint ist der Karikaturist Ernst Hürlimann.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Es könnte also durchaus sein, dass Max II. bis zu seinem Tod im Jahr 1864 entweder allein oder mit seinem Hofgärtner Carl von Effner diese Aussicht genossen hat. Eines aber ist sicher: Auf den beiden Bänken, die heute dort stehen, hat er nicht Platz nehmen können. Die sind nagelneu. Die linke Bank ziert eine Plakette, auf der "In Memoriam dem Hü und seiner Boxerhündin Tapsi" zu lesen ist. "Hü", das ist der Architekt und Karikaturist Ernst Hürlimann, verstorben Anfang 2001. Er hat nicht nur mehr als 3000 Karikaturen für die Süddeutsche Zeitung gezeichnet, sondern ein paar Kilometer bachaufwärts auch ein Gebäude entworfen, das 1985 eröffnete neue Seehaus am Kleinhesseloher See. Das Wasser, das den See füllt, plätschert heute an der Bank vorbei, die an ihn erinnert. Ob ihm wohl auch dazu eine Karikatur eingefallen wäre?

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