Süddeutsche Zeitung

Energiewende:Stadtwerke wollen Windpark in Polen kaufen

  • Die Stadtwerke haben sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 so viel Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren, wie München verbraucht.
  • Richard Quaas (CSU) sagt, der Windpark sei die "konsequente Weiterentwicklung der bisherigen Strategie des Unternehmens".
  • Die Grünen/Rosa Liste kritisieren unter anderem die politische Instabilität in Polen, während die FDP die erwartete Rendite für zu niedrig hält.

Von Pia Ratzesberger

München soll schon bald sein zweites Windrad bekommen, wieder draußen in Fröttmaning. Ein Symbol für die Windkraft soll die Anlage sein, doch die großen Projekte der Stadtwerke München (SWM) passieren woanders. Fern der Stadt. Zum Beispiel in Norwegen. Erst vor drei Wochen gab der städtische Konzern bekannt, dass man sich dort Anteile an Windrädern gesichert habe - und jetzt plant das Unternehmen auch noch, in Polen ein großes Windparkprojekt für mehrere hundert Millionen Euro aufzukaufen.

Für die Stadtwerke wäre der Kauf ein weiterer Schritt hin zu dem Ziel, bis zum Jahr 2025 so viel Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren, wie ganz München verbraucht. Momentan schaffen die SWM etwas mehr als die Hälfte. Welche Bedeutung ein neuer Windpark in Polen haben könnte, wird klar, wenn man seine Größe mit dem geplanten Windrad in München vergleicht: Das eine Windrad wird eine Leistung von bis zu 3,5 Megawatt haben. Der noch nicht gebaute Windpark in Polen allerdings hätte eine Leistung von etwa 130 Megawatt und könnte etwa 160 000 Münchner Haushalte versorgen, heißt es in der Sitzungsvorlage.

Der Wirtschaftsausschuss des Stadtrats wird am Dienstag über den Kauf debattieren. Das Referat für Arbeit und Wirtschaft empfiehlt laut Sitzungsvorlage dem Stadtrat zuzustimmen. Der Windpark sei die "konsequente Weiterentwicklung der bisherigen Strategie des Unternehmens", sagt Stadtrat Richard Quaas (CSU), der auch im Aufsichtsrat der Stadtwerke sitzt. Man müsse auf dem schwierigen Markt versuchen zu bekommen, was man noch bekommen könne. Die SPD unterstützt den Kurs der Stadtwerke ebenfalls, das Geschäft mit den erneuerbaren Energien habe sich in den vergangenen Jahren positiv auf das Ergebnis der SWM ausgewirkt, sagt Stadträtin Simone Burger. Doch nicht alle Fraktionen sind von dem Vorhaben überzeugt.

Aus Sicht der Grünen/Rosa Liste müssten noch entscheidende Punkte geklärt werden, bevor man sich für den neuen Windpark aussprechen könne: "Die Regierung in Polen ist alles andere als stabil", sagt Stadträtin Sabine Krieger, die ebenfalls im Aufsichtsrat der SWM sitzt. Man müsse das Risiko mit einbeziehen, dass die Förderbedingungen sich verändern könnten, auch wenn der Fördertarif erst einmal für 15 Jahre gesichert sein solle. Krieger verweist auf die Erfahrungen mit dem Solarkraftwerk Andasol 3 in Granada. Damals strich die Regierung Spaniens unerwartet bereits zugesagte Fördermittel; die Stadtwerke München mussten als Anteilseigner des Kraftwerkes Verluste in Millionenhöhe verbuchen.

"Bei solchen Projekten kann man viel Geld verbrennen", sagt Stadträtin Gabriele Neff von der Fraktion FDP/Hut. Die Stadtwerke sollten das Geld besser in Deutschland investieren, in weitere Projekte der Geothermie zum Beispiel. Die erwartete Rendite für den Windpark in Polen sei zudem zu niedrig - in der Vorlage ist von einer Eigenkapitalverzinsung von mindestens zwei Prozent die Rede. Die Fraktion FDP/Hut steht dem Engagement der Stadtwerke im Ausland generell kritisch gegenüber, im Gegensatz zur Fraktion der Grünen/Rosa Liste.

Grundsätzlich befürworte man die Projekte im europäischen Ausland, sagt Stadträtin Sabine Krieger. Doch nicht nur die politische Lage in Polen sei unklar, sondern auch, wo im Land der Windpark überhaupt entstehen solle - und damit, wie sich die Anlagen in die Natur einfügen würden. In der Sitzungsvorlage ist alleine die Rede von Polen sowie von einem Verkäufer im Bereich "Onshore Wind in Europa". Fragt man bei den Stadtwerken nach, heißt es dort, dass man zu konkreten Projekten "im Vorfeld einer Realisierungsentscheidung" nichts sagen könne. Es heißt lediglich, man sei "mit vielen potenziellen Projektpartnern in Deutschland und in Europa im Gespräch", um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben.

Die Stadtwerke würden die polnische Projektgesellschaft von einem "etablierten, in Deutschland ansässigen Projektentwickler" erwerben, ist in der Vorlage zu lesen. Dessen Geschäftsmodell sei es, solche Windparks zu entwickeln und sie anschließend an Investoren oder Energieversorger zu verkaufen. Die Stadtwerke streben an, die gesamte Projektgesellschaft aufzukaufen, also hundert Prozent der Anteile. Die Gesellschaft habe bereits alle Rechte und Genehmigungen inne, um den "baureifen Windpark" zu errichten, heißt es in der Vorlage. Als mögliche Risiken sind unter anderem Währungsschwankungen genannt, die aus Sicht der SWM "aber überschaubar" seien. Man habe bei der Berechnung der Kosten zudem "einen Puffer" für das Risiko eingeplant.

Die Stadtwerke sind seit Jahren auf Einkaufstour in Europa unterwegs, momentan produziert das Unternehmen etwa 4,4 Milliarden Kilowattstunden Ökostrom im Jahr. Wenn die Windparks fertig sind, die gerade noch geplant sind und gebaut werden, sollen es im Jahr 2021 mehr als 5,1 Milliarden Kilowattstunden sein. Das entspricht mehr als 70 Prozent des Strombedarfs in München.

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SZ vom 05.02.2019/baso
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