Energiewende an der Hochschule:Was die TU München in Sachen Nachhaltigkeit tun will

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Baumfassaden plant Ferdinand Ludwig, Architekt und Baubotaniker, derzeit für eine Wohnanlage in Bamberg. Sie sollen die Fassaden kühlen. (Foto: Office for Living Architecture)

Solarenergie für Afrika, Wasserstoff statt Erdöl, autofreie Straßen - an der Universität befassen sich viele Forscherinnen und Forscher mit einer umweltgerechten Zukunft. Fünf Beispiele.

Von Martina Scherf

Bäume als Kühlung für Städte

Städte sind Hitzepole, das ist längst bekannt. Damit Menschen dort auch in Zukunft noch ohne große Gesundheitsrisiken leben können, hilft nach Ansicht der Klimaforscher nur eines: Die Städte müssen grüner werden. Durch bepflanzte Fassaden und Dächer, Frischluftschneisen und schattige Plätze. Ferdinand Ludwig ist Architekt und Baubotaniker, mit einem Planungsteam entwickelt er gerade Baumfassaden für ein soziales Wohnungsbauprojekt in Bamberg. Dabei werden Bäume so nah an die Fassade gepflanzt, dass sie zur Verschattung und Kühlung beitragen. Bedenken, Kronen und Wurzeln würden die Häuser schädigen, räumt Ludwig aus: "Es gibt bereits genügend positive Beispiele." Der Baum passe sich an, indem er sich hin zu Luft und Licht entwickle. "Und die Bewohner gewinnen den Eindruck, in einem Baumhaus zu wohnen." Für ein anderes Projekt hat Ludwig mit seinen Studenten mehr als 2500 Bäume in München in 3D gescannt. Der riesige Datensatz soll helfen, die Reaktionen der Bäume auf ihre jeweiligen Wachstumsbedingungen vorherzusagen.

Intelligente Stromnetze

Das Coses-Projekt der TU München erforscht Stromnetze der Zukunft, in der auch Wärme, Mobilität und private Erzeuger mit in die Planung einbezogen werden. (Foto: Stefan Hobmaier/TUM)

"Um erneuerbare Energieträger zu fördern, braucht es nicht nur mehr Windräder oder Solarzellen auf den Dächern", sagt Thomas Hamacher, Inhaber des Lehrstuhls für Erneuerbare und Nachhaltige Energiesysteme. Es braucht vor allem ein intelligentes Energiesystem. Im Coses-Labor an der Technischen Universität München wird das Verteilnetz der Zukunft entwickelt. Wärme, Strom und Elektromobilität, das alles wird bei Coses zusammen geplant. Denn der "grüne" Strom wird entweder in Kraftwerken produziert, dann muss er über weite Strecken transportiert werden. Oder er wird von den Verbrauchern im eigenen Haus oder Betrieb erzeugt und ins Netz eingespeist. Das Labor kann alle möglichen Infrastrukturen von ländlichen Regionen bis zu städtischen Netzen simulieren und realitätsnah abbilden. "Nur wenn wir auch die Netze optimieren, macht die Energiewende einen Sinn", sagt Thomas Hamacher. Im Idealfall wird das alles also gleich mitgedacht. Bis alles realisiert ist, wird es noch Jahre dauern. Doch in Teilen sind die Ergebnisse der Forscher schon umgesetzt.

Wasserstoff statt Erdöl

Ein Wasserstoff-Labor der Technischen Universität München steht in Burghausen. Es soll helfen, die Chemieindustrie umweltfreundlicher zu machen. (Foto: Tassilo Letzel/TUM)

Eine klimaneutrale Wasserstoffwirtschaft könnte die Lösung vieler Energieprobleme sein. An der TUM wird in verschiedenen Bereichen dazu geforscht. Zum Beispiel für die Chemieindustrie. "Die ist nicht nur ein riesiger Stromfresser, sie hängt auch am Öltropf", sagt Sebastian Fendt vom Lehrstuhl für Energiesysteme. Der promovierte Ingenieur koordiniert die wissenschaftlichen Untersuchungen eines Reallabors, das im bayerischen Chemiedreieck um die Stadt Burghausen eröffnet wurde. Dabei geht es um die Nutzung von Wasserstoff als Energieträger und als Ausgangsstoff für wichtige Grundchemikalien. So soll zum Beispiel Methanol mithilfe von "grünem" Strom erzeugt werden. "Alle gängigen Kraftstoffe und Chemikalien lassen sich aus erneuerbaren Quellen herstellen", sagt Fendt. Beteiligt sind unter anderem zwölf Professoren der TUM und ebenso viele Industriepartner. Der Bund fördert das Projekt mit 39 Millionen Euro, weitere zwölf Millionen kommen von der Industrie. Die Ergebnisse sollen zur Transformation der gesamten deutschen Chemieindustrie beitragen.

Licht für Afrika

Kyampisi in Uganda ist ein Modelldorf, in dem die TUM mit der Partneruniversität von Kampala Solartechnik installiert und Kleinunternehmer fördert. (Foto: Kats David / Makerere University)

"Wir reden immer über die Energiewende, aber Millionen Menschen im globalen Süden haben überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität", sagt Frank-Martin Belz, Professor für unternehmerische Nachhaltigkeit an der TUM School of Management. Kein Strom bedeutet: kein Licht zum Lesen, kein Zugang zu Information, keine Kühlung für Lebensmittel, keine Maschine, um aus Feldfrüchten Konserven herzustellen. Ernten verderben, Armut wächst. Das TUM Seed Center, das Belz leitet und das vom DAAD mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert wird, bringt Solartechnik in ausgewählte Dörfer und leitet deren Bewohner an, Manager ihrer eigenen Entwicklung zu werden. Es geht also auch um Bildung, Unternehmertum - und um Zukunftsperspektiven im eigenen Land. Beteiligt sind Partneruniversitäten in Äthiopien, Ghana, Kenia, Uganda, Bombay, Indonesien und einigen anderen Ländern. Der Autokonzern Audi finanziert den Ausbau der Solarenergie sowie E-Bikes, mit denen Menschen zum Markt fahren können, und vergibt drei Promotionsstipendien. An der TUM selbst sind derzeit mehrere Doktoranden aus dem globalen Süden, die Konzepte für diese "Living Labs" erforschen.

Autofreie Straßen

Im Münchner Stadtteil Au läuft ein Modellversuch zur Straßenbegrünung. Die Anwohner werden miteinbezogen und pflanzen Hochbeete an. (Foto: Mark Siaulys Pfeiffer)

München wächst und wächst - und damit die Zahl der Autos. Doch schon jetzt ist der Platz zu knapp, die Luft zu schlecht. Aber wie kriegt man die Bewohner dazu, auf alternative Verkehrsmittel umzusteigen? Das Netzwerk MCube verbindet Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung, um zukunftsweisende Strategien zu entwickeln. Verkehrsplaner Gebhard Wulfhorst leitet das Projekt, Umweltingenieurin Julia Kinigadner koordiniert es. In den Stadtvierteln Giesing und Au läuft ein Modellversuch. Einzelne Straßen wurden mit Pflanzkübeln, Sitzmöbeln und Hochbeeten ausgestattet. E-Roller, Fahrräder und Carsharing-Autos stehen bereit. Dafür wurden einige Parkplätze vorübergehend geopfert. Demnächst soll es in der Maxvorstadt eine weitere Probephase geben. Bei allen Veränderungen werden die Anwohner eingebunden. Die Forscher bei MCube kommen aus verschiedenen Disziplinen, sie untersuchen auch Fragen der Gerechtigkeit von Verkehrsplanung. Denn während die einen Lastenräder im Wert eines Kleinwagens fahren, quetschen sich die anderen in überfüllte Busse. "Letztlich muss die Politik entscheiden", sagt Kinigadner.

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