Energieversorgung:Wind- und Solarenergie bescheren den Stadtwerken Millionenverluste

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Von oben betrachtet, sieht alles ordentlich aus: ein Offshore-Windpark der Stadtwerke auf hoher See. Doch in München gibt es Ärger um die Windräder. (Foto: SWM)
  • Die Münchner Stadtwerke fahren nicht die Gewinne ein, die sie erwartet hätten.
  • Der FDP-Stadtrat Michael Mattar meint, das liege an überflüssigen Investitionen in erneuerbare Energien.
  • OB Reiter sieht das anders: Wer will, dass regenerative Energien eine Rolle spielen, "muss auch Risiken eingehen".

Von Dominik Hutter und Pia Ratzesberger, München

"Gefährliche Schieflage", wirtschaftliche Katastrophe", "erhebliche Verwerfungen": Es sind drastische Worte, mit denen der Münchner FDP-Stadtrat Michael Mattar die Situation der Stadtwerke (SWM) beschreibt.

Das kommunale Unternehmen müsse angesichts seiner Millionenverluste von der Stadt an die Kandare genommen werden, steht in einem Dringlichkeitsantrag fürs Stadtratsplenum am kommenden Mittwoch. Und seine Geschäftspolitik überdenken.

Da die zuständige Behörde, das von Bürgermeister Josef Schmid (CSU) geführte Wirtschaftsreferat völlig kritiklos mit den Stellungnahmen der Stadtwerke umgehe, fordert Mattar, Kämmerer Ernst Wolowicz mit der Kontrolle des Konzerns zu beauftragen. Wolowicz übt bereits die Aufsicht über das Stadtklinikum aus, das bis zu seiner Finanzkrise dem Gesundheitsreferat unterstand.

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Die Stadtwerke haben im vergangenen Jahr 539 Millionen Euro Verlust gemacht - deswegen fiel auch die Gewinnausschüttung an das Rathaus aus. Auch weiterhin rechnen die SWM mit schwierigen Jahren. Der Ölpreis hat sich seit 2014 etwa halbiert, der Gaspreis fällt, Energie wird billiger und billiger.

Ob das Unternehmen aber deshalb gleich dem Kämmerer unterstellt werden sollte, dazu sagt Geschäftsführer Florian Bieberbach nur: "Außer Herrn Mattar hat sich noch nie jemand beklagt." Eigentlich gehe ihn als Geschäftsführer diese Diskussion auch gar nichts an, schiebt Bieberbach nach. Schließlich sei die Landeshauptstadt die Gesellschafterin - und die habe solche Fragen alleine zu entscheiden.

Die strategische Ausrichtung der Stadtwerke hat seit langem einen festen Platz im Debatten-Repertoire des Stadtrats. Eine große Mehrheit beurteilt die Situation anders als Mattar: Die Stadtwerke stünden heute deutlich schlechter da, wenn sie nicht in das Geschäft mit den erneuerbaren Energien eingestiegen wären, sagt etwa SPD-Fraktionschef und Aufsichtsratsmitglied Alexander Reissl.

Das Rathaus habe sich bewusst dafür entschieden, ein unternehmerisches Risiko einzugehen. Auch Stadtwerke-Chef Bieberbach sagt, all die neuen Projekte brächten sehr wohl Geld ein - nur eben nicht ganz so viel wie eigentlich erhofft, aufgrund der niedrigen Preise am Energiemarkt.

Mattar dagegen kämpft bereits seit vielen Jahren gegen das Engagement des Kommunalunternehmens für Solaranlagen in Spanien oder Offshore-Windparks in der Nordsee. Nun gelte es, die Reißleine zu ziehen. "Ich habe Zweifel, dass die Stadtwerke über die Kompetenz verfügen, sich auf den Weltmärkten zu bewegen."

Oberbürgermeister Dieter Reiter, der Chef des Aufsichtsrats, räumt ein, dass die Krise der Energieversorger auch vor den Stadtwerken nicht halt mache. Die finanzielle Lage des Versorgers sei schon einmal besser gewesen. Die Darstellung Mattars sei aber weit übertrieben, das Unternehmen keineswegs ernsthaft bedroht. Reiter will deshalb an einer offensiven Strategie festhalten, schon aus ökologischen Gründen. "Wer will, dass erneuerbare Energien im Vordergrund stehen, muss auch Risiken eingehen", erklärt er. "Das ist nach wie vor der richtige Ansatz".

Reiter nimmt auch das Wirtschaftsreferat in Schutz, dessen Chef er bis 2014 selbst war. Dessen Kompetenz bei der Betreuung von Beteiligungsunternehmen sei unbestritten. Reiter verweist zudem darauf, dass das operative Geschäft, also der Verkauf von Strom, Gas und Wasser sowie der Nahverkehr, schwarze Zahlen abwerfe.

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Der SPD-Politiker rechnet sogar damit, dass die Stadtwerke in diesem Jahr die 2015 ausgefallene Gewinnausschüttung von 100 Millionen Euro an die Stadt überweisen. Ob der Stadtrat am Mittwoch die strategische Ausrichtung der Stadtwerke diskutiert, ist offen. Im Rathaus gibt es Zweifel, ob der Dringlichkeitsantrag wirklich als solcher zu werten ist.

Die Verluste in Millionenhöhe aus dem vergangenen Jahr ergeben sich SWM-Geschäftsführer Bieberbach zufolge vor allem aus Berichtigungen in der Bilanz und den niedrigen Zinsen. Die Stadtwerke hatten zum Beispiel 600 Millionen Euro für die Abwicklung des Atomkraftwerkes Isar II zurückgelegt, die aber werfen nun trotz langfristiger Geldanlage viel weniger ab als geplant.

Trotzdem, sagt Bieberbach, sei die Taktik der Stadtwerke nach wie vor die richtige. Zum einen aus ökologischer Sicht: "Die Energiewende muss kommen, sonst geht die Welt zugrunde." Zum anderen aus finanzieller: Das operative Ergebnis immerhin, also der Gewinn vor Steuern und Zinsen, sei ja positiv gewesen. Er lag im Jahr 2015 bei 472 Millionen Euro.

Nichtsdestotrotz wird man bei den SWM in den kommenden Jahren sparen müssen, schon jetzt werden Stellen teilweise nicht mehr nachbesetzt, die Sponsoring-Budgets gekürzt. Am meisten Geld spart das Unternehmen voraussichtlich bei den Bauprojekten ein - ein geplanter Neubau für Auszubildende etwa ist gecancelt.

© SZ vom 14.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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