Energieversorgung:Weniger Kohle

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Weil es keinen Ersatz gibt, lässt sich der Kraftwerksblock wohl nicht einfach abschalten

Von Heiner Effern

München muss bis Ende 2022 aus der Steinkohle aussteigen, doch auch gut ein Jahr nach dem entsprechenden Bürgerentscheid weiß niemand, wie das funktionieren soll. Alle Versuche der Stadtwerke München (SWM), passenden Ersatz für den Strom und die Wärme zu finden, die der Kohleblock im Heizkraftwerk Nord liefert, sind gescheitert. Nachdem vergangene Woche die Gemeinde Unterföhring abgelehnt hat, als Ersatz ein Gaskraftwerk an gleicher Stelle zu erbauen, sieht Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kaum Chancen, dass der Bürgerentscheid umgesetzt wird. Stattdessen könnte eine schrittweise Verminderung der Kohleverbrennung "eine große Mehrheit" im Stadtrat finden, sagte Reiter im Wirtschaftsausschuss.

Die Lage um den Bürgerentscheid ist unübersichtlich. Fest steht, dass er ein Jahr nach dem Votum rechtlich nicht mehr bindend ist. Die Forderung der FDP, mit einem Ratsbegehren die beschlossene Stilllegung des Kohleblocks rückgängig zu machen, lehnte Reiter ab. "Solange abzustimmen, bis das Ergebnis passt, das ist mit mir nicht zu machen." Allerdings folgt der OB der Argumentation der Stadtwerke als Betreiber, dass die Umsetzung des Bürgerentscheids eben auch nicht möglich sei. Die SWM wiederholen stetig, dass die Bundesnetzagentur das frühzeitige Abschalten ohne ein Ersatzkraftwerk nicht erlauben würde, weil sonst ein Stromengpass in Süddeutschland zu befürchten sei. Dazu müssten sie vorübergehend dezentrale Heizwerke bauen, um die Versorgungssicherheit mit Wärme zu garantieren.

Die Unterstützer des Ratsbegehrens im Rathaus sehen das anders, sind sich aber untereinander ebenfalls nicht einig. Die ÖDP als Initiator wollte nie ein Ersatzkraftwerk, weil sie keinen Stromengpass sieht. Und Heizwerke müsste die Stadt sowieso bauen und langfristig vorhalten, auch wenn sie die Wärmeversorgung auf Geothermie umstelle, sagte Stadtrat Tobias Ruff. Diese Heizwerke seien nur als Sicherheit bei einem Ausfall anderer Kraftwerke nötig und würden so gut wie nie laufen. Allerdings erklärte er, dass er gar nicht wisse, wie viel Wärme wo in der Stadt überhaupt fehlen würde, wenn die Stadtwerke den Kohleblock abstellen würden.

Die Grünen wiederum unterstützten das Bürgerbegehren nur deshalb, weil sie im Gegensatz zur ÖDP an ein Gaskraftwerk als Ersatz in Unterföhring "als beste Lösung" glaubten. Diese Möglichkeit ist nun dahin. Dezentrale Heizwerke wiederum wollen sie nicht. Was sie nun fordern, dazu äußerten sie sich im Wirtschaftsausschuss nicht. Grünen-Stadträtin Sabine Krieger zeigte angesichts der Ausweglosigkeit wie der OB aber Sympathien für ein stufenweises Runterfahren der Kohleverbrennung. Damit würden die Grünen zum doppelten Überläufer. Diese Variante hatten sie einst mit SPD und CSU erarbeitet, waren dann aber ins Lager des Bürgerbegehrens gewechselt.

Dieses hat offenbar bei der überraschenden Ablehnung des Gaskraftwerks im Unterföhringer Gemeinderat mitgemischt. Mit entscheidend war dafür ein negatives Gutachten von Helmut Paschlau, Mitglied der Münchner Energiekommission. Paschlau wiederum engagierte sich für das Bürgerbegehren, das nie ein Gaskraftwerk als Ersatz für den Steinkohleblock im Heizkraftwerk Nord wollte.

© SZ vom 16.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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